von Mirjam Lübke...
Die Diskussion wird alle paar Jahre einmal wieder aufgewärmt: Sollen schon Kinder das Wahlrecht bekommen? Schließlich sind auch sie kleine Bürgerlein und von politischen Entscheidungen mit betroffen. Emilia Fester von den Grünen - die selbst noch ziemlich unreif wirkt - schlägt gar vor, schon Zweijährige an die Urnen zu lassen. Nun ist man gut beraten, die quirlige Emilia, die den Bundestag auch schon einmal mit einer Tanzeinlage erfreut, nicht sonderlich ernst zu nehmen. Allerdings ist sie nicht die einzige, die derlei Ideen propagiert, besonders in links-grünen Kreisen ist das Kinderwahlrecht populär. Die Ursachen dafür muss man nicht lange suchen: Sehr junge Menschen stehen tendenziell linken Vorstellungen näher als konservativen, sind offen für grüne Ideologie und neigen dazu, mit dem Kopf durch die Wand zu wollen, wenn sie sich eine Idee in selbigen gesetzt haben. Eine Absenkung des Wahlalters wäre also ein ideales Rekrutierungsprogramm für begeisterte Jungwähler, die sich noch keine Sorgen um die Konsequenzen ihres Tuns machen müssen. Da zählt nur der "große Plan". Ich weiß, wovon ich rede, denn ich war selbst so.
Aber Wahlrecht schon für die Kleinsten? Als das Thema vor ein paar Jahren aufkam, spottete ich darüber, ob dann wohl mit dem Spinatlöffel abgestimmt würde. Dabei bestünde dann allerdings die Gefahr, dass Lena-Sophie versehentlich ihren Klecks bei der NPD macht - was selbstverständlich nicht im Sinne des Erfinders ist. Wahrscheinlich führte es noch nicht einmal zum Erfolg, die Kleinen vorab mit veganen Gummibärchen zu bestechen - wie auch? Dazu müssten sie den Wahlzettel lesen können. Damals wurde der Vorschlag gemacht, Eltern sollten "im Sinne ihrer Kinder für diese wählen". Man dürfte aber kaum auf Eltern stoßen, die hier objektive Entscheidungen treffen: "Torben-Jannis spielt so gern mit seinem Plastik-Porsche, lass uns mal die FDP für ihn ankreuzen." Weitaus wahrscheinlicher ist das Entstehen einer Grünen-Dynastie, deren Fortbestand sich irgendwann in der Genetik niederschlägt, so wie "man" in bestimmten Kreisen schon immer einer Partei treu blieb wie früher die Arbeiter der SPD. Da kam es gar nicht infrage, auch nur an das Wählen einer anderen Partei zu denken, auch wenn man nicht mehr hinter der Politik der Sozis stand. Die wurden seit dem Frühmittelalter gewählt, das Schicksal kettete jedes Familienmitglied an die Partei, so wie traditionelle Inder an ihre Kaste. In der Wahlkabine hatte man stets das Gefühl, von den Ahnen beobachtet und im Falle des Falschwählens mit einem Fluch belegt zu werden, den noch nicht einmal eine barfüßige Pilgerreise zum Grab von August Bebel wieder aufheben konnte. Und bei der nächsten Familienfeier manifestiert sich Willy Brandt im Dampf über der Kloßschüssel und zeigt mit dem Finger auf dich, um deinen Verrat zu offenbaren. Das sind Verhältnisse, von denen die Grünen bislang nur träumen können, weil sie selbst erst in zweiter Generation zum Zuge kommen.
Die dritte Variante des Gedankenexpertes Kinderwahlrecht hat es ebenfalls in sich, hier soll der Nachwuchs selbst entscheiden, wann er bereit ist, das Wagnis aufzunehmen. "Liebe Eltern, ich habe nun erfolgreich die Vorschule abgeschlossen und bin bereit. Ja, ich weiß, in unserer Familie hat sich noch niemand so früh entschlossen, sich in die gnadenlose Einsamkeit der Wahlkabine zurückzuziehen, aber der Klimawandel und der Ukraine-Krieg zeigen mir die Notwendigkeit, jetzt nicht abseits zu stehen. Als Beweis meiner erfolgreichen Initiation werde ich euch den Bleistift aus der Kabine mitbringen."
Bereits die Absenkung von 21 auf 18 Jahre als Eintritt ins Erwachsenenleben war nicht unumstritten, denn wirklich auf eigenen Beinen stehen die meisten jungen Menschen in diesem Alter noch nicht. Man lernt zwar schon den Ernst des Lebens kennen, wenn einem klar wird, mit welchen Kosten die erste eigene Wohnung oder ein Auto verbunden sind, aber die meisten Eltern zeigen sich noch gnädig, wenn es um finanzielle Unterstützung geht. Auch strafrechtlich kann man mit 18 noch Glück haben und nach Jugendstrafrecht verurteilt werden, wenn einem mangelnde Reife bescheinigt wird. Die vollen Konsequenz des Erwachsenenlebens muss man zu diesem Zeitpunkt also nicht tragen.
Wer der Meinung ist, mit Wahlen würde ohnehin nichts bewirkt, der kann einer Absenkung des Wahlalters gelassen entgegensehen. Aber wenn die pessimistische These stimmte, müssten sich die Grünen schließlich auch nicht um eine wählende Jugend bemühen. Zumindest alle vier Jahre wird gezittert und der Wähler umschmeichelt. Man nimmt das Wahlrecht allerdings auch nicht ernst genug, um daraus die Abänderung anderer Altersgrenzen abzuleiten. Ginge es um den Erwerb von Zigaretten und Alkohol, würden Jugendschützer und Eltern zurecht rebellieren - niemand bei klarem Verstand käme auf die Idee, schon Zehnjährige in eine Bar zu lassen. Umgekehrt gilt es als "populistisch", das Alter der Strafmündigkeit herabzusetzen, obwohl das angesichts immer jüngerer Täter nicht abwegig erscheint.
Kinder und Jugendliche das Wahlalter selbst festlegen zu lassen, ist schon ein abenteuerlicher Gedanke - auch wenn es eine gute Sache ist, wenn sie sich schon früh für Politik interessieren. Und was geschieht, wenn sich der Sprössling grüner Eltern ganz selbstbewusst entscheidet, einen ganz anderen ideologischen Weg einzuschlagen? Wenn die Rechnung nicht aufgeht, dann wünschen sie sich wahrscheinlich die Prinzipien autoritärer Erziehung zurück. "Hilfe! Mein Kind ist rechts, es wählt die FDP! So haben wir nicht gewettet!" Spätestens dann sollten die wahren Motive hinter dem Wunsch auf Änderung des Wahlrechts offenbar werden.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen