Mittwoch, 31. Mai 2017

Merkel befiel, wir folgen Dir... nicht wirklich...

von Thomas Heck...

Nordkoreanische Verhältnisse mitten in Europa. Ikone des Westens, Führerin der freien Welt, Mutter der Nation. Merkel befiel, wir folgen Dir... Der deutsche Journalismus überschlägt sich förmlich in einem Hurra-Journalismus, den man in Deutschland nur zu Zeiten des Nationalsozialismus oder einer DDR-Diktatur kannte. Der deutsche Journalismus ist geistig in Nordkorea angekommen. Und der Leser reibt sich verwundert die Augen, denn so gänzlich unbeschadet, wie uns die Mainstream-Presse die Auftritte Merkels verkaufen will, hat die dicke Kanzlerin die letzte Woche eben nicht überstanden. Trump sei Dank.


Was sagt die WELT?


In der vergangenen Woche glänzte die Kanzlerin als inoffizielle Führerin der freien Welt. Man kann sich schwer vorstellen, dass die Mehrheit der Deutschen jetzt noch Wechselstimmung spürt. 

Martin Schulz hadert. Ein Kabarettist mit SPD-Parteibuch und ehemaliger Kanzlerkandidat fällt über ihn her, ein gähnend linker Politologe pflaumt ihn in einer Talkshow an, und Umfragen kennen gerade nur eine Richtung: nach unten. Der noch vor Kurzem „Heiliger Martin“ titulierte Chef der Sozialdemokratie wirkt dünnhäutig.

Angesichts der Bilder und Sätze, die gerade von Merkel in der ganzen Welt verbreitet werden, scheint er gar zu schrumpfen. Beim G-7-Gipfel in Taormina drängelten sich die Macher der freien Welt um die Kanzlerin, allen voran die Politpopstars Emmanuel Macron und Justin Trudeau suchten ihre Nähe. Merkel, die routinierteste der Staatschefs, gibt die Chefin.

Die Exegese von Merkels Bierzeltreden übernehmen die großen amerikanischen Medienmarken. Der nicht unproblematische Aufruf für mehr europäisches, aber auch nationales Selbstbewusstsein war sicherlich kein Wahlkampfmanöver (wie bei ihrem leichtfüßigen Vorgänger Schröder), aber er könnte dennoch den Ton setzen für den Endspurt im Wahlkampf.

Ein impuls-pointillistischer Staatsmann wie Trump und eine tantig radikalisierte Theresa May lassen die Show-Asketin Merkel noch heller strahlen. Hinzu kommt die brummende Wirtschaft und der Beifang konjunktureller Hochebenen wie grassierende Vollbeschäftigung und fast hysterische Kauflaune im Inland.



Seelenruhig studiert Merkel die Pfauentänze

Merkels Aura lässt auch einen Trudeau um sie wie um den archimedischen Punkt der liberalen Demokratie balzen. Sie selbst bleibt dabei ruhig. Studiert den Pfauentanz der vermeintlich mächtigen Männer um sie herum in Seelenruhe, wie eine Ornithologin.

Sie hat sie alle erlebt: Bush, Sarkozy, Berlusconi, Hollande, Putin. Sie röntgt deren Schwächen und lässt sie kommen. Bei Schulz hat sie auch gewartet. Der steht nun da und hat seine von ihm oft virtuos genutzte Bühne in Straßburg verloren. Er kann motzen und sentimentalisch mehr Gerechtigkeit fordern. Aber das wirkt lahm.

Wer Merkel in der vergangenen Woche als inoffizielle Führerin der freien Welt studiert hat, kann sich schwer vorstellen, dass die Mehrheit der Deutschen etwas wie Wechselstimmung spürt. Anders als vor drei Landtagswahlen gedacht, tritt die SPD nicht gegen eine „lame duck“ an, sondern gegen eine Ikone des Westens. 

Gut für die SPD: Sie muss zeigen, was sie draufhat. Ein wachstumsfeindlicher Linksdrift wirkt angesichts der von Merkel geforderten Stärke im globalen Wettkampf geradezu albern. Die Kanzlerin will weitermachen. Sie ist endlich da, wo sie stets sein wollte.

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