von Thomas Heck...
Dass am letzten Freitag die Zahl der streikenden Schüler beim #FridaysForFuture in Berlin etwas geringer ausfiel, als gemeinhin üblich, könnte man auf den Weltfrauentag zurückführen, der den Schülern der Bundeshauptstadt einen freien Tag bescherte. Da war dann Party und Ausschlafen angesagt. Da muss das Klima halt mal warten. Lackmustest nicht bestanden.
Ich persönlich würde dem Protest mehr abgewinnen und mit mehr Respekt begegnen können, fände dieser grundsätzlich in den Freizeit statt. Sonntag um 08.00. Da würde ich den Hut ziehen, da wäre das Opfer doch unschwer erkennbar. Der Freitag als Demonstrationstag ist mir da dann doch etwas zu durchsichtig, die wahre Intention unschwer erkennbar. Genau durchsichtig ist der Versuch der Politik, von Merkel, über Katarina Barley bis hin zum Oberbedenkenträger Frank Walter Steinmeier, denn es sicher nicht ums Klima geht, sondern eher ums künftige Wahlvolk.
Zumal die Sorge um das Klima den Bundespräsidenten dermaßen umtreibt, dass er die 380 km von Berlin nach Neumünster lieber im Jet zurücklegte, als umweltfreundlich mit der Bahn. So viel Engagement ist doch löblich.
Man kann jetzt auch darüber abstimmen, welche Schilder, die bei #FridaysForFuture herumgetragen werden, einem am besten gefallen. Leider war am Wochenende nicht zu ermitteln, ob die digitalen Abstimmungssieger Instagram dann analog auf dem Rosenmontagszug in Köln präsentiert werden, von den Roten Funken etwa (für Nicht-Karnevalisten: die „Kölsche Funke rut-wieß von 182 e.V. umschreiben keine superscharfen Pommes mit Ketchup und Mayo, sondern die Farben der Uniformen traditionsreicher Jecken).
Auf einem der Schilder stellte, glaube ich, eine Brünette unmissverständliche Benimm-Regeln für jene Männer auf, die glauben, für Geld könne man sich alles kaufen: „Kohle ist kein Grund zum Anbaggern“, stand auf ihrem Schild. Auf anderen Schildern dokumentierten Biologinnen aus Berlin (kein Witz jetzt) eindrucksvoll ihren Lernstand: „Dinosaurier dachten auch sie hätten Zeit.“
Ich stellte mir vor, was passiert wäre, hätten reflektierte Dinosaurier sich vor 60 Millionen Jahren – vor was oder wem auch immer – in Sicherheit bringen können, und zwar bis heute: Wäre unsere Welt wirklich ein besserer Ort, wenn es außer Amazon noch mehr Dinosaurier gäbe? Und wen interessiert es noch, dass die Ursache des Aussterbens der Dinosaurier externer nicht hätte sein können. Ein Meteor aus den Tiefen des Alls war verantwortlich. Daran wäre nicht mal die AfD oder Donald Trump schuldig.
Interessant, aber ein wenig selbstbezogen fand ich, dass manche Schüler diese Demos offenkundig zu Kontaktanzeigen nutzen: „Let`s fuck each other instead of our planet.“ Erinnerungen an brünftige 68er-Kommunarden, die ein wenig naive, aber sehr friedenswillige Frauen auf ihre Matte locken wollten, wurden an dieser Stelle bei mir wach: „Make love not war.“ Manches ändert sich offenbar nie.
Inzwischen diskutiert die Politik herauf und herunter über „Schulpflicht first“. Manche Schülerdemonstranteneltern zeigen sich solidarisch mit ihren klimaverzweifelten Kindern und schreiben ihnen herzerweichende Entschuldigungen: „Liebe Frau Neunmalklug- Besserversteh, bitte haben Sie Verständnis dafür, dass meine Tochter Claudelle-Bernadette klimabedingt ihren Wissensvermittlungseinheiten über Mittelenglisch, Quantenphysik und Stangenturnen beizuwohnen leider nicht in der Lage ist. Mit friedlichen Grüßen, Ihr Klaus-Dieter Prenzlberg-Mieterauspress“.
Überschaubarer Lernerfolg in einer Klima-Filterblase
Für Vertreter des Leistungsdenkens mag derartiges Elterngebaren etwas anbiederisch wirken, andererseits: Weshalb sollten Kinder in die Schule gehen, wenn für sie der überschaubare Lernerfolg selbst in einer Klima-Filterblase immer noch höher ausfällt als in der staatlichen Bildungs-Einrichtung? Und können wir Erwachsene wirklich ausschließen, dass der eine oder andere Sprössling unmittelbar von seinen Erziehungsberechtigten gelernt hat, dass man, wenn schon, dann am besten montags oder freitags blau macht, pardon: seine legitimen Interessen vertritt?
Wir fanden es entwaffnend ehrlich, wie es ein Schülersprecher auf den Punkt brachte: Für Lohnerhöhungen werde ja schließlich auch nicht in der Freizeit gestreikt. Was der Jungmann zu erwähnen vergaß: Was ist schon eine schnöde Lohnerhöhung gegen die Rettung der Welt? Die Kinder sollten sich die selbstauferlegte Beschränkung der Weltenrettung auf den Freitagmorgen noch einmal gründlich durch die Köpfe gehen lassen: Ist es wirklich verantwortbar, den Klimastreik zwischen Freitagmittag und Donnerstagabend einfach ausfallen zu lassen?
Einmal mehr mutig finde ich, dass auch die Inhaberin der Richtlinienkompetenz der drängenden Diskussion mit dem Polit-Nachwuchs nicht aus dem Weg geht. Angela Merkel signalisierte großes Verständnis für die Idee, die Erde kühl zu erhalten, warb jedoch bei der Umsetzung der großartigen Vision von der Einfrierung des Weltklimas bei der ungeduldigen Wutjugend um ein wenig Geduld. Schließlich hat die Kohle-Kommission soeben beschlossen, erst 2038 darauf zu verzichten, aus Kohle Strom zu machen. Das findet unser Schülersprecher einen „Witz“.
Klimarettungsurlaub in der eigenen Region
Nun, das muss man verstehen: Wenn wir sofort aus der Kohle aussteigen, kostet das zwar nicht nur 100, sondern 200 oder 300 Milliarden, die allerdings fallen sofort an. Also nicht erst, wenn unsere Streikkinder in die Verlegenheit geraten, Steuern zu zahlen. So dumm sind sie ja nicht, darauf zu warten, bis sie den Kladderadatsch, den wir angerichtet haben, auch noch selbst bezahlen. Oder ist das jetzt doch zu materialistisch gedacht?
P.S. Die Mama von dieser Greta Thunfisch hat ja jetzt beschlossen, nicht mehr zu fliegen. Daraufhin haben wir spontan die Familien-Osterferien auf Mallorca abgesagt. Man muss die Kinder schließlich ernst nehmen, die eigenen ganz besonders. In zwei Wochen fahren wir jetzt auf einen Bauernhof an den Niederrhein. Klimarettungsurlaub in der eigenen Region, sozusagen. Was sich schon beim Gemüse bewährt hat, kann auch beim Klima nicht falsch sein. Unsere demonstrierenden Kinder wissen noch nichts von ihrem Glück. Bitte sagen Sie es ihnen auch nicht weiter. Es soll eine Überraschung sein.