von Thomas Heck...
Das Verhältnis zwischen Deutschland und der Türkei ist seit Erdogans Präsidentschaft seit Mitte der 2010er Jahre weitestgehend zerrüttet, was fatal ist, stellen doch die Türken die größte Gruppe der Ausländer in Deutschland. Umso erstaunlicher, dass die hier lebenden Türken ihr Land vergöttern. Viele Deutschtürken fühlen sich hier noch immer zu wenig angenommen. Auch deshalb identifizieren sie sich mit Erdogan und seiner Erzählung von Stolz und Stärke. Meint auch Lamya Kaddor in ihrem beachtenswerten Artikel "Die Türkei ist das beste Land der Welt" in der Zeit.
Und die Türkei tut auch wenig, an der verfahrenen Situation etwas zu ändern. So will die Türkei mutmaßliche Regierungsgegner bei Einreise festnehmen: Die Türkei will künftig Urlauber aus Deutschland, die als mutmaßliche Regierungsgegner gelten, gleich bei der Einreise festnehmen lassen. Das kündigte der türkische Innenminister Süleyman Soylu an. Die Äußerung des Ministers legt nahe, dass Ankara die Teilnehmer von Türkei-kritischen Kundgebungen in der Bundesrepublik und anderen europäischen Staaten beobachten und Namenslisten von Verdächtigen erstellen lässt. Kurz nach dem Entzug der Arbeitsgenehmigung für drei deutsche Korrespondenten in der Türkei hat Soylus Drohung die Spannungen in den Beziehungen zwischen der Türkei und Deutschland weiter angefacht. Eine Sprecherin des Auswärtigen Amts sagte, die Nicht-Akkreditierung der drei Journalisten sei nicht nachvollziehbar. Nach Gesprächen mit dem türkischen Botschafter und einem SMS-Kontakt von Außenminister Heiko Maas mit seinem türkischen Amtskollegen erhoffe sich Berlin von der türkischen Seite eine zeitnahe Rückmeldung. Die Regierung forderte auch die rasche Erteilung von Arbeitsgenehmigungen für mehr als ein Dutzend deutscher Reporter, die noch auf ihre Akkreditierungen warten. Da wir die deutsche Regierung lange warten können, denn die Druckmittel, die Deutschland hätte, werden nicht eingesetzt. Ganz im Gegenteil, denn mit dem Flüchtlingsdeal hat man sich in eine gefährliche Abhängigkeit von Erdogan begeben.
Untauglich ist die Geschichte als die Rechtfertigung für die aktuelle Flüchtlingslage allemal. Auch wenn die die Regierung Müttern mit Migrationshintergrund dabei helfen will, Arbeit zu finden. Deutschlandweit sollen 90 Kontaktstellen gefördert werden, welche die Frauen beraten und ihre Jobsuche begleiten. Gerade Mütter, die mit ihren Familien und teils noch kleinen Kindern eingewandert seien, bräuchten ein gutes Angebot, um künftig auf eigenen Beinen zu stehen und ihr eigenes Geld zu verdienen, sagte Familienministerin Franziska Giffey. In Zusammenarbeit mit der Bundesagentur für Arbeit sollen ihnen gezielt Sprachförderung und Kinderbetreuung, aber auch direkt Praktika, Ausbildungs- und Arbeitsplätze vermittelt werden. Flüchtlingen in Bayern wird ab sofort der Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtert. Die bayerische Staatsregierung reagiert damit auch auf Kritik aus der Wirtschaft: Viele Unternehmen hatten in den vergangenen Jahren – auch wegen des Fachkräftemangels – die hohen Hürden für Flüchtlinge auf dem Weg in eine Ausbildung kritisiert.
Da ist nun an der Zeit, den hier lebenden Türken einmal den Zahn zu ziehen und z.B. mit dem Märchen aufzuräumen, dass die Türken Deutschland nach dem Krieg wieder aufgebaut haben. Eine Mär, die gerne von Linken, Grünen und den Türken selbst verbreitet wird.
Die Anwerbung türkischer Arbeitnehmer und ihre Folgen
1961 schloss die Bundesrepublik mit der Türkei ein Abkommen über die Anwerbung von Gastarbeitern. Deutschland brauchte Arbeitskräfte, die Türkische Republik litt unter hoher Arbeitslosigkeit und profitierte von den Devisen, die türkische Arbeiter nach Hause schickten. In 12 Jahren kamen fast 900.000 Menschen. Jene, die geblieben sind und ihre Nachkommen, die in Deutschland leben, prägen die heutige Bundesrepublik - gesellschaftlich, kulturell und wirtschaftlich.
Mit dem Zug ins Ruhrgebiet: Der Tabakzüchter Mehmet Ali aus Bademli, einem kleinen Ort bei Izmir, fährt im Februar 1966 als letzter Mann seines Dorfes nach Deutschland, um dort zu arbeiten. Zurück lässt er seine Familie in einem nun männerlosen Dorf. (© picture-alliance, Beynelmilel)
Rund drei Millionen türkisch-stämmige Personen leben heute in Deutschland. Sie bilden damit die größte Gruppe sowohl unter den ausländischen Staatsangehörigen als auch bei den Personen mit Migrationshintergrund. Unter den "Gastarbeitern", die auch aus Italien, Portugal oder Spanien kamen, und ihren Nachkommen weisen sie dabei die schwächsten Integrationsindikatoren auf. Seit den 1960er-Jahren bestehen rege Wanderungsbeziehungen zwischen der Türkei und der Bundesrepublik Deutschland. Drei Viertel aller Türken innerhalb der Europäischen Union haben sich in Deutschland niedergelassen. Bis Mitte der 1970er-Jahre war der wichtigste Zuwanderungspfad die Arbeitsmigration: Bis 1973 reisten alleine 867.000 Arbeitnehmer aus der Türkei nach Westdeutschland. Rund 500.000 Rückwanderungen wurden im gleichen Zeitraum registriert, was auf eine starke Pendelmigration hindeutet. Nach dem Anwerbestopp im November 1973 gewann der Familiennachzug immer stärker an Bedeutung – 53 Prozent der türkischstämmigen Einwohner sind auf diesem Weg nach Deutschland gekommen.
An der Anwerbung ausländischer Arbeitnehmer ("Gastarbeiter") seit Mitte der 1950er-Jahre durch westeuropäische Industriestaaten waren Akteure mit unterschiedlichen Interessen und Erwartungen beteiligt. Geplant als befristete Arbeitsmigration entwickelte sie eine Eigendynamik und führte zu einer dauerhaften Zuwanderung, weitgehend losgelöst vom Bedarf des Arbeitsmarktes. Die türkischen Arbeitnehmer und ihre Familien konzentrierten sich in zahlreichen Städten in einzelnen Stadtteilen.
Das "Wirtschaftswunder" – Auslöser der Anwerbung
In der boomenden Nachkriegswirtschaft stieg auch die Nachfrage nach Arbeitskräften. Bei konstantem Angebot konnte dies zu "höheren Preisen" auf dem Arbeitsmarkt führen, also höheren Löhnen und besseren Arbeitsbedingungen. Um diesen drohenden Kostenanstieg zu vermeiden sollte das Arbeitskräftereservoir durch Arbeitnehmer aus dem Ausland erweitert werden. Ausländische Arbeitskräfte sollten aus strukturschwächeren Regionen einfach "importiert" werden. Die deutsche Bundesregierung – insbesondere das Wirtschaftsministerium – hatte sich diese Sichtweise weitgehend zu Eigen gemacht.
Durch die Anwerbeabkommen sollte die staatliche Regulierung der Arbeitsmigration gewährleistet werden – und zwar sowohl auf Seiten der Abgabeländer (hinsichtlich Anzahl und Qualifikationsstrukturen der Arbeitsmigranten) als auch auf Seiten der deutschen Bundesregierung (die die Auswirkungen auf den heimischen Arbeitsmarkt begrenzen wollte). Dies sollte durch eine weitgehende Kanalisierung der Arbeitsvermittlung durch die "Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung" erreicht werden. Die Unternehmen sollten so daran gehindert werden, in größerem Umfang ausländische Arbeitskräfte anzuwerben, die nicht den geltenden Tarifverträgen unterlagen.
Anwerbung im Interesse der Herkunftsländer
Die Herkunftsländer übten erheblichen Druck auf die westdeutschen Bundesregierungen aus, Anwerbeabkommen mit ihnen abzuschließen. Auf Drängen Italiens wurde nach langwierigen Verhandlungen das erste Anwerbeabkommen 1955 geschlossen, obwohl damals in Westdeutschland noch knapp eine Millionen Menschen als arbeitslos registriert waren (bei rund 200.000 offenen Stellen). Trotz einer längeren und kontroversen öffentlichen Diskussion (mit Dominanz ablehnender Stimmen, einschließlich der Gewerkschaften) blieb die Unterzeichnung des Abkommens dann ohne jegliche innenpolitische Resonanz. 1960 überstieg die Zahl der offenen Stellen in Westdeutschland erstmals die Zahl der Arbeitslosen. Der Aufbau der Bundeswehr und die Abriegelung der DDR durch den Bau der Mauer (1961) taten ein Übriges, die Anwerbepolitik in größerem Umfang anlaufen zu lassen. Es folgten Übereinkommen mit Spanien und Griechenland (1960), der Türkei (1961), Portugal (1964), Marokko (1963), Tunesien (1965) und Jugoslawien (1968). Die angeworbenen "Gastarbeiter" erhielten stets zunächst Aufenthalts- und Arbeitserlaubnisse für ein Jahr.
"Herkunftsland Türkei"
Aus der Türkei stammt der größte Teil der "Gastarbeiter" und nachgezogenen Familienangehörigen in der Bundesrepublik Deutschland. Hier werden sowohl die Motive der beteiligten Seiten besonders deutlich als auch die Relevanz der Verhältnisse im Herkunftsland.
Die Initiative für das deutsch-türkische Anwerbeabkommen 1961 ging von der Türkei aus. Sie hatte ein erhebliches Interesse daran, einen Teil der rasch anwachsenden Bevölkerung befristet als "Gastarbeiter" ins Ausland zu schicken. Gesellschaftliche und wirtschaftliche Umbrüche, hohes Bevölkerungswachstum und starke Unterbeschäftigung sorgten für einen hohen "Auswanderungsdruck". Neben der Entlastung des eigenen Arbeitsmarktes versprach sich die türkische Regierung dringend benötigte Deviseneinnahmen sowie einen Modernisierungsschub durch zurückkehrende "Gastarbeiter", die sich entsprechende Qualifikationen angeeignet haben würden (rund 77 Prozent der Erwerbstätigen in der Türkei waren damals in der Landwirtschaft tätig, nur etwa zehn Prozent in der Industrie). Die erwarteten und eingeplanten Deviseneinnahmen trafen tatsächlich ein: Alleine 1972 überwiesen die türkischen Arbeitnehmer 2,1 Milliarden DM in ihr Heimatland, womit das Handelsbilanzdefizit der Türkei von 1,8 Milliarden DM überkompensiert wurde. Auch 1973 überstiegen die Devisentransfers die Außenhandelsdefizite der Türkei.
Der türkische Arbeitsminister Ali Naili Erdem besucht 1966 Gastarbeiter in Deutschland. (© picture-alliance/dpa)
Stärkste Gruppe ab 1972
Die westdeutschen Bundesregierungen hatten zunächst keine Notwendigkeit gesehen, auch mit der Türkei ein Anwerbeabkommen zu schließen. Aus außenpolitischen Gründen – die Türkei sicherte die Südost-Flanke der NATO – entschied man sich anders. Im Anwerbeabkommen des Jahres 1961 war eine ausdrückliche Befristung des Aufenthalts auf maximal zwei Jahre vorgesehen und der Nachzug von Familienangehörigen fand keine Erwähnung. Auf Drängen der deutschen Arbeitgeberverbände und der türkischen Regierung wurde 1964 eine revidierte Fassung unterzeichnet, in der die Befristung nicht mehr enthalten war.Die Anwerbung der türkischen "Gastarbeiter" setzte erst relativ spät – Ende der 1960er-Jahre – mit vollem Tempo ein. Von 1968 bis 1971 verdreifachte sich die Zahl der türkischen Arbeitnehmer (von 152.900 auf 453.100). Anfang 1972 lösten die türkischen "Gastarbeiter" die Italiener als stärkste Gruppe ab.
Rund 80 Prozent der ausländischen Arbeitnehmer waren im produzierenden Gewerbe und in der Bauwirtschaft tätig, 20 Prozent im Dienstleistungsgewerbe. Dabei übten sie überwiegend Tätigkeiten als Angelernte oder als Hilfsarbeiter aus. Im November 1973 wurde der "Anwerbestopp" für "Gastarbeiter" aus Nicht-EG-Staaten verhängt. Der nachlassende Bedarf der Industrie und sich verbessernde Verhältnisse in den Heimatländern führten unter anderem dazu, dass rund 42 Prozent der griechischen und spanischen Arbeiter das Land verließen – die Anzahl der türkischen "Gastarbeiter" ging allerdings nur geringfügig zurück – von 605.000 Personen 1973 auf 578.000 im Jahr 1980.
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Infobox
Zwischen 1961 und 1973 kamen ca. 867.000 Personen aus der Türkei nach Deutschland, rund 500.000 kehrten wieder zurück.
1978 waren 1,2 Millionen türkische Staatsangehörige in Deutschland registriert, 1980 waren es 1,5 Millionen, 1998 waren es 2,1 Millionen.
In Deutschland leben zur Zeit rund 3 Millionen Menschen mit Zuwanderungshintergrund Türkei. Davon sind 1,6 Millionen türkische Staatsangehörige. Selbst zugewandert sind 1,5 Millionen (60 Prozent). 490.000 Personen sind in Deutschland geboren.
Die drei großen Pfade der Zuwanderung waren die Arbeitsmigration, der Familiennachzug und das Asyl.
1978 waren 1,2 Millionen türkische Staatsangehörige in Deutschland registriert, 1980 waren es 1,5 Millionen, 1998 waren es 2,1 Millionen.
In Deutschland leben zur Zeit rund 3 Millionen Menschen mit Zuwanderungshintergrund Türkei. Davon sind 1,6 Millionen türkische Staatsangehörige. Selbst zugewandert sind 1,5 Millionen (60 Prozent). 490.000 Personen sind in Deutschland geboren.
Die drei großen Pfade der Zuwanderung waren die Arbeitsmigration, der Familiennachzug und das Asyl.
Bei den Arbeitskräften aus der Türkei verstärkte der Anwerbestopp die Tendenz zur Niederlassung und zum Nachzug von Familienangehörigen. Waren sie einmal ausgereist, hatten sie kaum mehr eine Chance zur Rückkehr. Die Rechtslage nach dem Anwerbestopp machte eine erneute Arbeitsaufnahme nach Beendigung eines früheren Arbeitsverhältnisses nahezu unmöglich. Die Gruppe der türkischen Staatsangehörigen war auch daher die einzige, die in den Jahren nach dem Anwerbestopp bis 1980 anwuchs – von 1,0 Millionen im Jahr 1974 auf 1,4 Millionen im Jahr 1980. Der Anteil der Frauen nahm von 1974 bis 1979 um rund 21 Prozent zu, die Zahl der unter 15-Jährigen aus der Türkei verdoppelte sich im gleichen Zeitraum auf rund 420.000.
Die politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse entwickelten sich vor allem in der Türkei zunehmend negativ – Bürgerkrieg, Militärputsch und Hyperinflation kennzeichneten die Lage Ende der 1970er- und Anfang der 1980er-Jahre. Verbunden mit hoher Arbeitslosigkeit – insbesondere unter der türkischen Landbevölkerung – verstärkte dies die Zweifel an den Chancen, die sich bei einer möglichen Rückkehr in die Heimat bieten würden. Die Reintegration in den heimischen Arbeitsmarkt wurde zusätzlich durch das hohe Bevölkerungswachstum erschwert. Auch die Nachrichten von Kollegen, die in ihre Heimat zurückgekehrt waren, klangen nicht ermutigend. Oftmals waren die Erwartungen zu hoch gesteckt und wurden entsprechend enttäuscht. Jene, die nach Jahren in Deutschland zurückkehren wollten, sahen sich vor zahlreiche psychologische Barrieren gestellt – zu denen hohe Erwartungen der verbliebenen Verwandten und Freunde ebenso gehörten wie Fremdheitserfahrungen in der eigenen Heimat.
"Ethnische Kolonien"
Verkäufer vor dem kölnisch-türkischen Lebensmittelgeschäft "Alibaba", 1987. (© Bundesarchiv (B 145 Bild-F075977-0027))
Insbesondere türkische Arbeitnehmer, die von allen Gastarbeitergruppen am ehesten als "fremd" wahrgenommen wurden und deshalb auch relativ häufig Diskriminierungserfahrungen machen mussten, ließen sich von Beginn an in Stadtteilen mit hohem Anteil sozial schwacher Wohnbevölkerung nieder. Vor allem Filtermechanismen des Wohnungsmarktes (billiger Wohnraum, Schneeballsystem durch Mund-zu-Mund-Propaganda, Benachteiligungen durch Vermieter) trugen dazu bei. An allen Schularten (vor allem aber an den Grund- und Hauptschulen) ist dabei seit Jahrzehnten eine besonders ausgeprägte Konzentration türkischstämmiger Schülerinnen und Schüler empirisch nachweisbar. Bis heute unterscheidet sich die räumliche Verteilung der türkischen Bevölkerungsgruppe deutlich von jenen anderer Gruppen aus den ehemaligen Anwerbestaaten. So ist die Konzentration in einzelnen Stadtteilen bei Italienern und Griechen zurückgegangen, bei der türkischen Gruppe auf hohem Niveau weitgehend stabil geblieben: Nur 7,9 Prozent aller Haushalte mit türkischen Haushaltsmitgliedern haben keinen türkischen Haupteinkommensbezieher, so der Mikrozensus 2012. Die türkischstämmige Gruppe weist unterdurchschnittliche Integrationsindikatoren unter den ehemaligen "Gastarbeiter"-Gruppen auf (Spracherwerb, interethnische Kontakte, Bildung, Arbeitsmarkt). Bei den in Deutschland geborenen Personen türkischer Abstammung steigt der Anteil derjenigen mit Hochschulreife. Bei den türkischstämmigen Frauen hat sich dieser Anteil innerhalb einer Generation verdoppelt. Dies zeigt, dass der Aufstieg möglich ist und immer häufiger auch erfolgt. Gleichzeitig vergrößert sich aber die Kluft zwischen den Aufsteigern und jenen, die zurückgelassen werden.
Gründe
Zu den Gründen gehören Aspekte der Migrationsgeschichte – die türkische Gruppe kam als eine der letzten großen "Gastarbeiter"-Gruppen in die Bundesrepublik und konnte deshalb nur auf jene Arbeitsplätze und Wohnungen zugreifen, die von den zuvor Gekommenen noch nicht belegt worden waren. Hinzu kommt die Gruppengröße als solche; Solange die Zahl der Zuwanderer noch sehr gering ist, ist eine Angleichung an die Mehrheitsgesellschaft (vor allem hinsichtlich der Sprache) nahezu unvermeidlich.
Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Maria Böhmer begrüßt im November 2011 in München den Erinnerungszug "50 Jahre Migration" aus Istanbul. (© picture-alliance/dpa)
Eine gewisse Gruppengröße ist sowohl in sozialer als auch in wirtschaftlicher Hinsicht Voraussetzung für die Entstehung "ethnischer Kolonien". Sie wirken sich dann auf die Integration negativ aus, wenn die Personen, die dort leben, nur über einen niedrigen sozialen Status verfügen.
Brückenbauer
Wanderungen von einem Herkunftsland in ein Aufnahmeland, wohin Migranten sich entweder dauerhaft oder zum Zweck des Geldverdienens zeitlich befristet begeben, werden in Zeiten globaler Vernetzungen ergänzt durch Mobilität zwischen Herkunfts- und Zielland. Die Rückwanderung türkischstämmiger Hochqualifizierter aus der Bundesrepublik Deutschland in die Türkei ist in diesem Zusammenhang zu verstehen: Sie wirken als Brückenbauer zwischen beiden Ländern. In der medialen Wahrnehmung wurden vor allem die abstoßenden Faktoren in Deutschland thematisiert. Mindestens gleichwertig müssen aber auch die ökonomischen, gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen im Zielland bewertet werden. Hier hat die Türkei an Attraktivität gewonnen. Bei der Rückwanderung handelt es sich allerdings um ein Eliten- und nicht um ein Massenphänomen – auch wenn Umfragen hohe Abwanderungs- oder Rückwanderungswünsche zutage treten lassen.
Mehr als 80.000 Unternehmen, die von Türkischstämmigen in Deutschland betrieben werden mit mehr als 400.000 Beschäftigten und 36 Milliarden Euro Umsatz (mit zunehmender Tendenz), lassen deutlich werden, wie hoch die wirtschaftliche Bedeutung dieser Zuwanderergruppe heute ist. Schriftsteller wie Zafer Şenocak und Emine Sevgi Özdamar, der Regisseur Fatih Akin, der Grünen-Politiker Cem Özdemir oder Aydan Özoğuz (SPD), Staatsministerin bei der Bundeskanzlerin und Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration, Fußballer wie Mesut Özil oder Ömer Toprak zeigen, dass Personen mit türkischem Migrationshintergrund heute in allen Bereich des gesellschaftlichen Lebens wichtige Funktionen einnehmen. Sie tragen auch zum Bild Deutschlands in der Türkei bei.