Freitag, 27. Januar 2023

„Wohin soll man ihn abschieben?“

von Thomas Heck...

Nach dem Terroranschlag mit der Messerattacke im Zug erfolgt die übliche mediale Aufarbeitung, wie sie bereits nach jedem Anschlag erfolgte. Ändern wird sich vermutlich nichts. Bis auf Lippenbekenntnisse wird es auch hier wieder wenig Substantielles geben. Übrig bleiben verletzte und traumatisierte Menschen und trauernde Familien zweier abgeschlachteter Menschen. Die Politik macht sich dennoch einen schlanken Fuss...

„Wohin soll man ihn abschieben?“: Messerattacke heizt bei Lanz den Streit um straffällige Migranten an. Nach der Messerattacke im Zug will Markus Lanz im ZDF eine „ehrliche Diskussion“ über Migration. Dabei prallt Grünen-Chef Nouripour auf einen Integrationsexperten.

Deutschland ist geschockt. Bei einer Messerattacke in einem Regionalexpress von Kiel nach Hamburg hat ein Attentäter mehrere Menschen verletzt – zwei Menschen kamen sogar ums Leben. Nur wenige Stunden nach der Tat greift Markus Lanz in seiner ZDF-Talkrunde das Thema auf. Immerhin sind viele Fragen offen. Auch bei den Gästen.

Dabei setzte der Moderator Lanz gleich zu Beginn den Rahmen: Es sei nun „dringend notwendig, dass man die Hintergründe aufarbeitet“. Schließlich sei der Bahnattentäter zuvor bereits mehrfach wegen Sexual- und Gewaltdelikten aufgefallen. Den ersten Ermittlungen zufolge handelt es sich bei dem Täter um einen staatenlosen Palästinenser, der 2014 nach Deutschland kam und seit 2016 subsidiären Schutz erhält.


Integrationsexperte Ahmad Mansour hakt ein: „Wir dürfen die Debatte nicht erst führen, wenn es zu Straftaten kommt“, sagt er. „Wir haben 2020 um die 20.000 Messerattacken gehabt mit fast 100 Toten. Die Täter hätten zu 40 Prozent einen Migrationshintergrund. Mansour sieht die Verantwortlichen in der Pflicht, endlich Stellung zu beziehen. „Das ist eine Zahl, die zeigt: Wir haben hier ein Problem.“

Mit Markus Lanz diskutierten diese Gäste:
Omid Nouripour (Co-Parteivorsitzender, Bündnis90/Die Grünen)
Martin Knobbe (Journalist, Der Spiegel)
Elmar Theveßen (Journalist, ZDF)
Ahmad Mansour (Integrationsexperte)

Journalist Martin Knobbe ist „aufgefallen, dass wir gerade bei diesen Messerattacken sehr oft hören, dass es psychische Auffälligkeiten gab“. Mansour kennt das Argument: „Ich frage mich, warum wir nach Halle und Hanau nicht von psychischer Labilität gesprochen haben. Da waren auch Menschen, die psychisch krank sind. Wir haben zu Recht über die Ideologie gesprochen. Warum tun wir das nicht, wenn es um Menschen mit Migrationshintergrund geht?“ Der Integrationsfachmann sieht die Probleme in der Sozialisation und Herkunft der Migranten. „Wir haben ein Problem mit Menschen, die bei uns Schutz suchen und dieses Land teilweise verachten.“ Sie seien „bereit, andere Menschen zu verletzen oder Polizeibeamte anzugreifen. All das gehört zur Debatte“.

Grünen-Chef Omid Nouripour möchte über das Attentat vom Nachmittag reden. Und da sei leider das Problem: „Heute Abend weiß ich nicht, was die Hintergründe sind.“ Lanz versucht, den Politiker für die Debatte zu öffnen: „Naja, Herr Mansour redet ja deutlich genereller!“ Doch Nouripour bleibt bei seiner Linie: „Es ist richtig, dass man sich die Hintergründe ganz massiv angucken muss.“ Man müsse zum Beispiel folgende Fragen klären: „War der Mensch im Drogenrausch? Ist er psychisch stabil? Ist er vielleicht in Verbindung mit einer dschihadistischen, terroristischen Organisation? Hat er das alles akribisch geplant?“ Er zumindest wisse das alles derzeit noch nicht.

Mansour fordert nach Messerattacke konsequente Abschiebung: Problem, wenn Menschen „unseren Rechtsstaat verachten“

Lanz ist das zu ungenau: „Wie gehen wir denn damit um?“, fragt er den Grünen nochmal. „Müssen wir aus einer demokratischen Toleranz heraus uns das alles gefallen lassen?“ „Nein, nein, nein, nein, nein“, ruft Nouripour dazwischen und will nun das Attentat von Illerkirchberg zum Beispiel nehmen. Doch er verhaspelt sich bei der Herkunft des Täters, und Lanz nimmt die Gelegenheit wahr, den Mord des 14-jährigen Mädchens noch einmal im Detail nachzuerzählen. Ergebnis sei dort gewesen, dass Innenministerin Nancy Faeser (SPD) die Ausweisung des Attentäters verweigert habe, weil er Afghane sei. Eine Rückführung sei zu gefährlich für ihn: „Sagen Sie mir, wohin man ihn abschieben soll. Sagen sie es mir.“

Anschließend geht es um die sexuellen Belästigungen auf der Kölner Domplatte an Silvester 2018. Mansour konstatiert, hier würden „Menschen permanent unseren Rechtsstaat verachten. Solange wir das Gefühl vermitteln, dass unser Rechtsstaat schwach ist, werden wir Leute haben, die diese Schwäche ausnutzen.“

Rückführungsoffensive der Grünen „eine Mogelpackung“?

Lanz kritisiert Nouripour: „Sie haben sich eine Rückführungsoffensive in den Koalitionsvertrag geschrieben. Im ersten Halbjahr sind nicht mal zwei Prozent der 300.000 Ausreisepflichtigen rückgeführt worden. Wo bleibt die Offensive?“ Das sei leider „eine Frage des Aushandelns mit den Ländern, wo die Leute hinmüssen“, erwidert Nouripour. Knobbe attackiert ihn frontal: „Ihre Offensive war eine Mogelpackung.“ Allein die Einsetzung des Rückführungsbeauftragten habe ein volles Jahr gedauert.

Nouripour sieht nach der Messerattacke im Zug viele Defizite bei der „Erlebbarkeit von Rechtsstaat“

Nouripour versucht die Diskussion auf das Stichwort Arbeitskräftemangel zu lenken, doch am Ende muss er zugeben: „Ich kenne die Zahlen nicht.“ Und er wirft hinterher: „Ich will nicht ausweichen, ich will gar nicht ausweichen.“ Doch genau da trifft er einen Punkt bei Mansour. Der kontert: „Zusammenhalt schafft man nicht, indem man Debatten verweigert. Wir sind kurz davor, diese Gesellschaft zu spalten. Ich hoffe, dass die demokratischen Parteien die Verantwortung verstehen, die sie jetzt haben.“

Nouripours Antwort: „Jedes Jahr kommen wir auf über 20 Millionen Überstunden der Polizisten.“ Es sei offensichtlich, „dass das auf Kosten der Erlebbarkeit von Rechtsstaat geht“. Man müsse über Lösungen reden – „und uns nicht nur Schlagworte um die Ohren hauen“. Dazu brauche es aber Personal. „Die sind nicht da! Die sind nicht ausreichend da!“, stöhnt er. Lanz ist spürbar empört und bricht es herunter: „Das ist irgendwann auch einfach eine Floskel.“

Ukraine-Krieg: Panzerlieferung „macht militärisch keinen großen Sinn“

„Ein stückweit Empörung“ hat auch ZDF-Journalist Elmar Theveßen festgestellt. Nicht bei der Integration, sondern bei der Frage nach der Panzerlieferung an die Ukraine. Das ist das zweite Thema der Sendung. Bei den Amerikanern nämlich, so, Theveßen, weil Deutschland so lange gebraucht habe, die Lieferung deutscher Kampfpanzer an die ukrainische Front zu genehmigen. Kriegsentscheidend sei das allerdings nicht, denn „militärisch macht es keinen großen Sinn“.

Aber wie geht es jetzt weiter, will Lanz wissen. „Heute fordert Selenskyj plötzlich Langstreckenraketen und Flugzeuge. Wie gefährlich kann das werden?“ „Die USA werden eine Grenze ziehen bei Kampfjets“, mutmaßt Theveßen. Denn der Ukraine zu ermöglichen, weit in russisches Gebiet vorzudringen und sich dann „nur auf das Wort Selenskyjs zu verlassen, es nicht zu tun“, das werde den USA sicher nicht genügen.

Und was macht Deutschland? Nouripour will weitere schwere Waffen nicht ausschließen, und Lanz stellt resigniert fest: „Sie sagen nicht: Auf gar keinen Fall.“ Nouripour knapp: „Ich habe heute nichts auszuschließen. Ich sage zu nichts ‚Auf gar keinen Fall’.“

Fazit des Talks bei Markus Lanz:.

Nouroipour blieb Antworten schuldig und stellte selbst nur neue Fragen. Damit brachte er die Diskussion nicht wirklich weiter. Einzig Ahmad Mansour gab der gestrigen Talkshow erfrischende, neue Facetten. Klar und auf den Punkt.



 

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