von Mirjam Lübke...
Meine derzeitige Badezimmer-Lektüre heißt "Die neue Schweigespirale" von Ulrike Ackermann, einer Soziologin und Politikwissenschaftlerin. Die Autorin würde wohl weit von sich weisen, "rechts" zu sein und ist klassischen "linken" Themen nicht unbedingt abgeneigt - so etwa dem Feminismus. Den finde ich ebenfalls nicht grundsätzlich schlecht - nur treibt er eben seit einigen Jahren seltsame Blüten, die nichts mehr mit der Verbesserung der Entfaltungsmöglichkeiten der Frauen zu tun haben, sondern lediglich auf Geschlechterkrieg aus sind. So ähnlich, wie auch der berechtigte Kampf gegen Rassismus zu einem Dauerkrieg gegen alles Weiße und Europäische geworden ist, frei nach der Devise "Jetzt zahlen wir euch alles heim!". Ackermann beschreibt in ihrem Buch die Entstehung des "Woke-Kults" und seine Folgen für die Gegenwart. Die sogenannte "Frankfurter Schule" hat den Grundstein gelegt, der Wissenschaftsfreiheit an den Universitäten langsam aber sicher die Luft zum Atmen abzuschnüren. Über deren Absolventen - seien es Lehrer, Journalisten oder Politiker - ist diese Haltung längst in die Gesellschaft durchgesickert.
Gerne wird uns der Eindruck vermittelt, eine "Mehrheit denke so", wenn es wieder einmal gilt, zu einem Thema eine Einheitsmeinung zu etablieren. Auch wenn man sich oft fragt, wo die Umfragen gemacht wurden, die uns die Medien präsentieren: Auf einem Treffen der Jusos oder dem Nachwuchsparteitag der Grünen? Im eigenen Umfeld kennt man kaum jemanden, der so denkt, was natürlich auch daran liegen kann, dass man sich gemeinhin mit ähnlich denkenden Menschen umgibt. Aber dennoch zeigt sich daran die Pluralität der Meinungen, wenn sie auch nicht in dogmatischer Reinform auftreten. Ob Corona, Zuwanderung oder Ukraine-Krise, bei vielen ergibt sich kein klares Dafür oder Dagegen, man will einfach das Recht haben, sich sein eigenes Bild zu machen. Doch wie, wenn der Austausch untereinander immer schwieriger wird? Denn in Gemeinschaft greift die obengenannte Schweigespirale, bis sich jemand aus der Deckung wagt und laut "Nein!" ruft. Dann ist Schluss mit Konsens und plötzlich fliegen die Fetzen. Und das ist gut so.
Nicht umsonst wird sehr darauf geachtet, wie sich Musiker und Schauspieler öffentlich zu Rassismus, Corona und dem Weltklima verhalten. Auch wenn diese Menschen genauso viel oder wenig über das aktuelle Weltgeschehen wissen wie wir, avancieren sie in der öffentlichen Wahrnehmung zu moralischen Instanzen. Jedoch: Es regen sich Funken des Protests, auch wenn es manchmal verwundert, was die Bürger auf die Palme treibt. Es ist sicherlich verständlich, wenn die politisch korrekte Veranstaltung eines Klaus-Lage-Hits durch Florian Silbereisen einen Sturm der Entrüstung auslöst - aber warum funktionierte das nicht auch im Lockdown? Vielleicht deshalb, weil die Meinungsmacher ab und an in unwesentlichen Dingen auch einmal nachgeben, um den demokratischen Schein zu wahren?
Auch in der Politik ist nicht jedes Aufbegehren glaubwürdig. Derzeit gibt Friedrich Merz den harten Kerl, um die Abwanderung mit der Migrationspolitik unzufriedener Wähler abzufangen. Er spricht von "Sozialtourismus" und "kleinen Paschas", was ihn derzeit zum Ziel wüster Beschimpfungen macht, während bei einigen CDU-Wählern die Hoffnung keimt, es könnte eine konservative Renaissance der Partei geben. Die markigen Sprüche haben einen wahren Kern, denn unser furchtbar rassistisches Land ist attraktiver denn je für Asylbewerber. Und das Auftreten der jungen Männer in Neukölln entspricht ziemlich genau dem, was Feministinnen als "toxische Männlichkeit" umschreiben. Aber warum macht Merz es erst jetzt zum Thema, während die Berliner Randale noch in aller Munde ist? Es war schließlich seine eigene Partei - oder zumindest Angela Merkel - welche die Türen 2015 sperrangelweit aufgemacht hat. Das Aufwachen kommt also erst reichlich spät - und sollte es opportun sein, schläft Herr Merz wieder ein.
Ein fundierter Umgang mit den Tabuthemen der Gesellschaft sieht anders aus und geht in die Tiefe. Auch Caroline Fourest hat es in Frankreich mit ihrem Buch "Generation beleidigt" vorgemacht. Wer sich linke Identitätspolitik einmal so gründlich vorgeknöpft und ihre Wirkung auf das kulturelle Leben beleuchtet hat, dürfte endgültig wach geworden sein. In Deutschland trifft der Zorn gerade Juli Zeh, weil sie andeutete, Thilo Sarrazin könnte mit seiner Migrationskritik eventuell doch recht gehabt haben. Sind das alles Rassisten? Mit Sicherheit nicht, wahrscheinlich fangen sie einfach an, sich wieder zu erden. Wenn sie jetzt noch den Schritt wagen würden, mit anderen "Verdammten von rechts" in Dialog zu treten, könnte die Rebellion der Genervten eventuell Fahrt aufnehmen.
Das heißt nicht, in allem einer Meinung zu sein - den Einheitsbrei wollen wir schließlich hinter uns lassen - aber ein Zweckbündnis sollte möglich sein. Ohne das kommen wir aus der Misere nicht mehr heraus, bevor uns der Wokismus ganz den Hahn zudreht.
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