Mittwoch, 18. Januar 2023

Der Journalist als Wutbürger

von Mirjam Lübke...

Als angeblicher oder tatsächlicher Angehöriger der verfemten Minderheit der "Neurechten" ist man im Kontakt mit der Außenwelt recht viel gewöhnt - also wenn man zu jenen gehört, die weder dem "Spiegel" noch der "Tagesschau" noch uneingeschränkt Glauben schenken. Bekanntlich macht einen das medial vogelfrei, jeder darf mit der verbalen Schrotflinte das Feuer eröffnen. Höflichkeiten wie "Halt's Maul, Fascho!" oder "Bring dich endlich um!" treffen einen beim ersten Mal noch wie ein Faustschlag in die Magengrube, bis man beim zehnten Mal darüber lachen kann. Man muss sich nur einen anonymen linken Troll vorstellen, der vor Wut in seine PC-Tastatur beißt und kommt zu der Erkenntnis: "Bei mir läuft es gar nicht so unrund, aber auf der anderen Seite hat jemand eindeutig ein Problem mit seinem Aggressionsmanagement." Anfangs hatte ich auch manchmal Angst, es könne zu Randale vor meiner Haustür kommen - aber die Antifa hat sich entweder auf dem Weg dorthin verlaufen oder erachtet mich als nicht bedeutsam genug für eine freundliche Erziehungsmaßnahme.


Wenn allerdings Journalisten und Medienleute beginnen, auf dem selben Niveau zu "diskutieren" - und das ganz offen unter ihrem Namen - dann ist gerade einmal wieder eine Hemmschwelle überschritten worden. Bis hin zu unverhohlenen Gewaltfantasien. Jetzt trifft es Julian Reichelt, den ehemaligen "Bild"-Chefredakteur, der sich bei Themen wie den "Klimaklebern" ihrer Meinung nach zu weit aus dem Fenster gelehnt hat. Aber es wurden auch schon Twitter-User von einem ZDF-Kommentator als "Ratten" betitelt und Jan Böhmermanns Beleidigungen sind Legion. Unsere Umweltfreunde in den Redaktionen wissen offenbar genau, dass die Natur nicht nur flauschige Kaninchen und sanfte Rehe zu bieten hat, sondern auch allerhand Garstiges, das zum einen als beleidigender Vergleich taugt, aber auch als wenig schützenswert angesehen wird: Mach das weg! Notfalls unter Einsatz von Chemikalien!
 
Und das aus dem Munde von den Anfängen wehrenden selbsternannten Antifaschisten. Jenen, die schon beim Wort "Deutschland" das kalte Grauen packt und den Begriff "Mädelsabend" verbieten wollen, weil sie dahinter eine Versammlung der BDM-Ortsgruppe vermuten. Da aber der politische Gegner in ihrer kleinen antifaschistischen Welt das Recht auf eine menschenwürdige Behandlung verwirkt hat, darf er nach bester Nazi-Manier zu Ungeziefer degradiert und ausgerottet werden. Natürlich sagt man das nicht so offen, aber jeder weiß, dass niemand seinem Schimmel an der Wand Kosenamen gibt. Diesem rückt man rabiat zu Leibe. "Bereinigung" nennt man das wohl, um nicht gleich das böse Wort Säuberungsaktion zu benutzen. Da hält man sich noch ein bisschen zurück - aber wenn die verbale Gewaltspirale sich in diesem Tempo weiterdreht, ist es nur noch eine Frage der Zeit.
 
Der Journalist Behzad Karim Khani machte nach Silvester sein eigenes Nazi-Fass auf, indem er versuchte, den Deutschen aufgrund zweier verlorenen Weltkriege das Recht abzusprechen, über die Krawalle in Berlin zu urteilen. Mein erster - zugegebenermaßen böser - Gedanke lautete, ob Khani eventuell nachtragend sei, weil Deutschland trotz tatkräftiger Unterstützung durch Teile der arabischen Welt zumindest den zweiten Weltkrieg nicht gewonnen habe. Aber darum ging es natürlich nicht, sondern um die Kritik an den Ausschreitungen. Weltkrieg hin oder her, mir erschloss es sich einfach nicht, warum das die Randale rechtfertigte, denn der Fahrer des mit einem Feuerlöscher attackierten Krankenwagens hatte gewiss nicht in Stalingrad gedient. Nachdem Khani es auch noch irgendwie geschafft hatte, Israel als mitschuldig an den Ausschreitungen darzustellen, kündigte er den Deutschen Konsequenzen an. Diese würden aus rechter Feder als Verschwörungstheorie gelten, aus linker jedoch werden sie beklatscht: Das Verschwinden der Deutschen aus Deutschland durch die Dominanz migrantischer Gene. Einmal abgesehen davon, dass diese Aussage die Existenz einer deutschen "Rasse" impliziert, ist er auch hier wieder präsent: Der Vernichtungswille.
 
Man könnte Derartiges eventuell auf einem privaten Blog erwarten, würde den Kopf schütteln und den Text wegklicken. Es findet seinen Weg aber mittlerweile auch in etablierte Medien, deren Konsumenten wohl hauptsächlich "Biodeutsche" sind und sich offenbar nichts Böses dabei denken. Vielleicht glauben sie, nicht betroffen zu sein, weil sie zu den "Guten" gehören, die an Fridays for Future oder an eine "Seenotretter-Organisation" spenden, morgens nur zwei Minuten kalt duschen und das "Richtige" wählen. Genauso dachten jedoch auch viele der heute Verstoßenen - und es hat ihnen nichts geholfen.
Dennoch wird es wohl immer Menschen geben, die entweder glauben, sie könne es niemals treffen, da sie auf der richtigen Seite stehen. Aber weit gefehlt: Jetzt erwischte die Nazi-Keule selbst die Ikone des Antirassismus, die sich im letzten Jahr noch durch "rechte Verlage" auf der Frankfurter Buchmesse bedroht sah: Jasmina Kuhnke. Sie hatte - meines Erachtens in diesem Fall vollkommen zurecht - geäußert, Fetisch-Sexualität nicht vor Kindern zu zeigen. Für diesen Anfall von Vernunft wurde sie sogleich der "Bedienung rechter Narrative" beschuldigt - die Revolution frisst ihre Kinder.
 
Vordergründig geht es bei diesen verbalen Attacken darum, die Gesellschaft zu schützen, wer auch immer sich dieser noch zurechnen darf. In Wahrheit schützt man natürlich nur die eigenen Interessengruppen in ihren Empfindsamkeiten - ob diese geschützt werden wollen oder nicht. Man könnte ebenso gut mit einem Wackelpudding diskutieren, wenigstens wird dieser nicht beleidigend. Ein Blick in die Geschichte lehrt, dass diese Gesinnungsjäger niemals Ruhe und Frieden finden, man betrachte die Verhaftungswellen nach der französischen Revolution. Wenn zwei von ihnen auf einer einsamen Insel festsäßen, würden sie keineswegs gemeinsam ein Rettungsboot bauen, sondern erst einmal den anderen Gestrandeten bezichtigen, es falsch bauen zu wollen. Sie können nicht aus ihrer Haut.




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