Dienstag, 10. Januar 2023

Darf's noch ein bisschen mehr sein?

von Mirjam Lübke...

"Hey, Marie-Agnes, als ihr die alten Marder-Panzer abgestaubt habt, lagen da zufällig noch ein paar gebrauchte U-Boote und Kampfjets in der Ecke? Wir nehmen auch B-Ware, unsere Ansprüche sind nicht so hoch." Nein, das hat Herr Melnyk natürlich nicht zu Frau Strack-Zimmermann gesagt, als sie wieder einmal ein gemütliches Plauderstündchen bei einer Tasse Tee eingelegt haben. Denn die Ukraine hat recht genaue Vorstellungen davon, was sie von Deutschland haben will, vor allem, seitdem Kanzler Scholz in der Panzerfrage weichgeklopft wurde. Nun gut, zunächst einmal handelt es sich um Altbestände, die nun geliefert werden sollen, denn der Marder ist der Veteran unter den deutschen Nachkriegspanzern. Aber wer weiß, was der nächste Schritt sein wird? Dann doch der Leopard? Wäre ich Bundeswehroffizier, würde ich längst nachts ins Kissen weinen - oder mir einen Plan austüfteln, wie ich der Ampelkoalition ebenfalls eine Lieferung des begehrten Kampfgeräts abringen könnte.


Als Privatperson allerdings wäre es mir lieber, einen objektiven Lagebericht aus der Ukraine zu bekommen. In meiner Vorstellung wird das Land von Tag zu Tag größer, denn die russischen Truppen werden in der Darstellung von Tagesschau & Co. seit Wochen erfolgreich zurückgeschlagen, sie müssten sich meiner Einschätzung nach längst östlich des Urals befinden. Zumal Putin offenbar Mühe hat, Kämpfernachschub für seine Sache zu rekrutieren. Ganz egal, wie man zu der Schuldfrage im Ukraine-Krieg steht, es gestaltet sich alles sehr undurchsichtig. Das Vertrauen in die Berichterstattung ist verloren, denn vieles passt nicht zusammen. Die Propagandaschlacht tobt auf beiden Seiten, während gleichzeitig auch von Kriegsverbrechen beider Parteien die Rede ist. Jedes Mal, wenn die Russen aus einem Gebiet abgezogen und Tote in der Zivilbevölkerung zu beklagen sind, startet die "Wer war es?"-Diskussion. Massaker oder Racheakt der ukrainischen Truppen? Hinzu kommt die schwankende Drohkulisse: Steht Putin schon morgen unter dem Brandenburger Tor oder ist seine Armee schon mit den ukrainischen Truppen komplett überfordert? Die widersprüchlichen Medienmeldungen lassen beide Schlüsse zu. Für den Normalbürger ist es fast unmöglich, sich ein objektives Bild des Geschehens zu machen, bei mir sagt lediglich der Bauch: "Hier stimmt etwas nicht!"

Die Ampel-Regierung verfügt sicherlich über genauere Informationen als wir, trotzdem sollten gerade diese Unklarheiten zu Zurückhaltung führen. Aber bekanntlich lässt sich die Bundesregierung auf stets neue Zugeständnisse jenseits von humanitärer Hilfe ein. Dies nur auf den äußeren Druck durch den großen Bruder USA zurückzuführen, scheint mir zu kurz zu greifen, denn als Deutschland unter Kanzler Schröder die Gefolgschaft im Irak-Krieg verweigerte, hatte das außer einer Abkühlung der "Freundschaft" keinerlei weitreichende Konsequenzen für unser Land, sogar die New Yorker ließen sich trotz Handelskrieg den deutschen Riesling weiter schmecken. Betrachtet man Deutschlands Abstimmungsverhalten gegenüber Israel in der UN, so dürfte auch dieses nicht im Sinne der USA liegen, sondern vielmehr dem Erhalt der Wirtschaftsbeziehungen mit der arabischen Welt geschuldet sein. Mit dieser wollte es sich die deutsche Industrie schon zu Adenauers Zeiten nicht verscherzen.

Auch wenn deutsche Regierungen also nicht so frei vom Einfluss der USA in ihren Entscheidungen sind, wie sie es sein sollten: Es geht in der Ukraine-Frage wieder einmal darum, der Weltgemeinschaft gefallen zu wollen und "das Richtige" zu tun. Während Russland droht, weiß die ukrainische Führung sehr gut, welche Knöpfe bei den Deutschen zu drücken sind, um sich deren Unterstützung zu sichern. Das Dilemma dabei: Während einige ukrainische Gruppen sich gern an die Zusammenarbeit mit Deutschland im zweiten Weltkrieg erinnern - auch Andrij Melnyk ist bekanntlich ein Anhänger Stepan Banderas - will man diese Zeit gleichzeitig als Druckmittel einsetzen: "Wer jetzt Russland unterstützt, hätte auch Nazi-Deutschland unterstützt", stand in einem ukrainischen Meme am gestrigen Tag. Man könnte es auch böse formulieren: Um nicht zu sein wie Hitler, soll Deutschland das gleiche Bündnis eingehen wie er, im zweiten Durchlauf passt es dann moralisch. Gepaart mit den Forderungen nach immer mehr Waffen sollte das eigentlich ein Signal sein, schon aus gesunder Sturheit auf Vorsicht und Mäßigung zu drängen, aber stattdessen schaltet die Ampel wunschgemäß in den Gebermodus.
 
Stolz verweist man dabei immer wieder auf die neu errungene wirtschaftliche Unabhängigkeit von Russland, die uns bekanntlich allerdings erhebliche Mehrkosten bei der Gasversorgung beschert und in neue Abhängigkeiten geführt hat, bei denen ebenfalls nicht immer deutlich wird, worin wenigstens der moralische Vorteil liegen soll. Auch aus Russland wird weiterhin Gas bezogen, nur eben in flüssiger Form und mehrfach teurer - das erinnert ein wenig daran, dass Grüne an Greenpeace spenden, wenn sie in den Urlaub fliegen, der Ablass beruhigt das Gewissen. Einzig Rheinmetall dürfte sich über finanzielle Profite freuen und schafft darüber hinaus noch Platz in den Lagerhallen für Neues. Zwei Fliegen mit einer Klappe.
 
Man wünscht sich angesichts dieser Irrwege dringend mehr Pragmatismus zurück und weniger wohlfeile Feindbilder. Das Gut-Böse-Schema taugt in diesem Falle nichts, da keine beteiligte Partei als unschuldiges Opferlamm taugt. Warum sollte also ausgerechnet Deutschland in einem Spiel, in jeder seine eigenen Interessen verfolgt, seinen Retterkomplex ausleben und sich damit selbst in Gefahr bringen? Mit der Lieferung schweren Kriegsgeräts erklären wir uns selbst zur Kriegspartei. Selbst wenn es eher unwahrscheinlich ist, dass Russland deshalb auch hier einmarschiert, heizt dies den Konflikt weiter an. Ein Konflikt, in dem wir im übrigen recht wehrlos dastehen, sollte Putin es sich wider alle Vernunft doch überlegen, es Deutschland heimzuzahlen. Zum Glück müsste er dazu erst an den besser ausgerüsteten Armeen unserer Nachbarländer vorbei, und das mit jetzt schon erschöpften eigenen Streitkräften. Denn nur wenige Länder sind so dumm, erst die Armee eines anderen Staates aufzurüsten, bevor sie sich um die eigene kümmern.
 
Ist das der neue deutsche Pazifismus? Das grüne Wahlversprechen "Keine Waffen in Krisengebiete!" ist längst vergessen - und damit den Weg der meisten Wahlversprechen gegangen. Wir erinnern uns auch an die Empörung, als Ex-Präsident Trump forderte, Deutschland müsse mehr in seinen Verteidigungshaushalt investieren. Stattdessen lassen wir jetzt kämpfen, denn das scheint moralisch hochwertiger zu sein. Auf den ersten Blick ist es auch mit weniger Risiko verbunden - führt aber dennoch dazu, dass wir wirtschaftlich weiter in den Abgrund rutschen. Man könnte fast glauben, den Verantwortlichen sei das egal.



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