von Thomas Heck...
Über die Befindlichkeiten von Flüchtlingen wundert sich heute eigentlich keiner mehr. Befremdlich ist für mich, dass viele Flüchtlinge Vorurteile pflegen und Deutsche, insbesondere Ostdeutsche unter Generalverdacht stellen, wenn auch politisch korrekt. So arbeitet die WELT im Interview der Rassismus der Ostdeutschen heraus, den der irakische Schriftsteller Abbas Khider in Dunkeldeutschland verortet hat, nicht, weil er angegriffen wurde, sondern weil man ihn anschaut. Er erlebt den täglichen Rassismus der Blicke. Während der Deutsche den islamistischen Terror am eigenen Leib erfährt. Zum Fremdschämen dieses Interview, jammern auf hohem Niveau:
Die deutschsprachige Literaturszene kennt eine Vielzahl von Schriftstellern, denen die neuen amerikanischen Einreisebestimmungen schon wegen ihres Migrationshintergrunds nicht egal sein können. Abbas Khider wurde 1973 in Bagdad geboren. Im Jahr 2000 erhielt er in Deutschland Asyl, 2007 die deutsche Staatsbürgerschaft. Im letzten Jahr erschien sein Roman „Ohrfeige“, für den Khider in wenigen Wochen den Chamisso-Preis entgegennehmen darf.
Die Welt: Sind Sie oder ist Ihre Familie vom „Muslim ban“, den Einreiseverboten der Trump-Regierung, betroffen?
Abbas Khider: Ich besitze nur die deutsche Staatsbürgerschaft. Aber im Pass stehen mein arabischer Name und mein Geburtsort: Bagdad. Ich glaube, das genügt, um mich als „bedrohlich“ einzustufen. Meine Familie in Bagdad ist betroffen, aber das macht für sie keinen großen Unterschied. Seit 1991 gibt es kaum Länder, die einem normalen Iraker ein Visum geben. Sprich: Für die meisten Iraker ist das Ganze Quatsch und hat mit ihrem echten Leben nichts zu tun.
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Die Welt: Haben Sie die USA schon einmal besucht oder je geplant, dorthin auszuwandern? Wäre das für Sie denkbar gewesen?
Khider: Ich war zweimal in den USA. Das erste Mal drei Monate in Kalifornien als Stipendiat in der Villa Aurora. Und das zweite Mal hatte ich eine Lesereise in New York und Washington. Moralisch habe ich ein großes Problem mit der US-Politik. Ich weiß, wovon ich rede, ich habe persönlich zwei große Kriege und weitere kleinere Schlachten erlebt, die die Amerikaner im Irak führten. Freiwillig will ich seit Jahren nicht mehr in die USA. Ich habe vor einigen Monaten, bevor Trump gewählt wurde, eine Stelle als „Writer in Residence“ an einer US-Universität abgesagt.
Die Welt: Sie wurden 1973 in Bagdad geboren, saßen unter Saddam Hussein im Gefängnis und wurden gefoltert, flüchteten und fanden 2000 in Deutschland Asyl. Was sagen Sie dazu, dass Iraker nun von den USA, die Saddam stürzten, als Gefahr angesehen werden?
Khider: Ich habe das Gefühl, unsere Welt verwandelt sich in eine Psychiatrie, in der zahlreiche Patienten sitzen, die glauben, sie selbst wären die Psychiater. Persönlich weiß ich nicht, ob es sinnvoll ist, diesen Psychiatern irgendwas zu sagen. Ich tue das nun, auch wenn das alles absurd ist. Einige Länder auf der Liste, die als gefährlich eingestuft wurden, sind just die Länder, die mit der westlichen Welt gegen die Islamisten kämpfen, wie die Libyer und die Iraker. Außerdem sind einige dieser Länder schiitische Staaten, wie Iran, Irak und Jemen. Aber die Terroristen wie al-Qaida, Isis und viele andere Gruppen sind sunnitische Organisationen. Was heißt das? Wenn man ein Problem mit den Katholiken hat, soll man dann auf die Protestanten schimpfen? Wer ist wer? Das ist das Absurdeste und Lächerlichste, was die Weltpolitik je erlebt hat.
Die Welt: Seit 2007 besitzen Sie die deutsche Staatsbürgerschaft. Vor der Feinjustierung der Einreiseregelung seitens der Trump-Regierung schien es so, dass nun über Zehntausende Deutsche mit ausländischen Wurzeln bzw. Doppelpass nicht mehr in die USA reisen dürfen. Auch in der deutschen Gesellschaft haben sich in der Flüchtlingsdebatte tiefe Risse gezeigt. Werden sich diese durch Trump verstärken, oder hoffen Sie eher auf eine Solidarisierung gegen ein nach rechts rückendes Amerika?
Khider: Fremdsein ist ein Luxus, denn man hat nicht viel zu verlieren. Das Drama beginnt, wenn man daran glaubt, irgendwo angekommen zu sein. Niemals anzukommen ist eine Tugend, die zur Natur der Menschen auf Dauer nicht passt. Gerade erleben viele Europäer mit ausländischen Wurzeln, aber auch viele andere Menschen eine seltsame Zeit. Sie sehen sich mit neuen Feindseligkeiten konfrontiert. In vielen deutschen Städten und Dörfern ist dieser Zustand leider fast Alltag geworden. In Ostdeutschland kann ein Schwarzhaariger an vielen Orten nicht entspannt spazieren gehen. Menschen schauen einen manchmal an, als wünschten sie einem den Tod.
Im Westen ist man nur seiner Hautfarbe wegen bei allen Polizisten ein Verdächtiger. Das war auch in der Zeit nach dem 11. September so. Es ist jetzt wieder extremer geworden. Ich erlebe das selbst. Nicht einmal im Monat, nicht einmal in der Woche, nein, beinahe täglich murmelt einem jemand etwas entgegen oder hinterher. Wenn man in einem Café sitzt, wenn man mit dem Bus oder der U-Bahn fährt.
Im Berliner Bezirk Lichtenberg genauso wie in der Fußgängerzone in Dresden. Wer einmal fremd war, kann sich davon nicht allein befreien, wenn wir nicht alle am Zusammenleben arbeiten. Nun, was ist die Lösung? Es gibt leider nur eine schwarz-weiße Variante! Homogenität heißt: Gähnen und Eintönigkeit. Vielfalt heißt: Lebendigkeit und Dynamik. Jede Gesellschaft muss nun herausfinden, wie sie weiterexistieren und angesehen werden will. Ja, ich habe die Hoffnung, dass wir alle zusammenrücken.
Die Welt: In Ihrem preisgekrönten Roman „Ohrfeige“ schildern Sie die Absurdität der deutschen Asylbürokratie. Wie sollte die deutsche Regierung, wie die deutsche Öffentlichkeit auf die derzeitigen Entwicklungen in Amerika reagieren?
Khider: Wir haben Werte, die als „europäische Werte“ bezeichnet werden und die ich als universal betrachte. Diese Werte, wie etwa die Idee der „Menschenwürde“, sind die Basis, mit der man die alte Welt noch retten kann oder aus der aktuellen Situation eine neue ausrufen könnte. Ansonsten unterscheiden wir uns kaum von denjenigen, die wir kritisieren. Tatsächlich haben viele Politiker – auch in Deutschland – diese Werte missbraucht und haben dazu beigetragen, dass die Menschen im Lande diese nicht mehr ernst nehmen. Vermutlich ist die Zeit gekommen, Klartext über viele Dinge zu reden, auch mit den Amerikanern, die uns all die Jahre lang überwacht haben. Das wissen wir ja dank Snowden. Das heißt, man soll die Dinge so darstellen, wie sie sind, ohne zuallererst an wirtschaftliche Interessen zu denken zum Beispiel. Woher kommen die Terroristen und woher bekommen sie ihre Waffen?
Die Welt: Kann jetzt nur noch Optimismus helfen?
Khider: Mit Menschen wie Trump, Erdogan, al-Baghdadi, Le Pen und vielen anderen an der Macht gibt es keine Hoffnung. Aber solche gab es immer. Zurzeit sind sie nur sehr laut. Aber Hoffnung macht, dass es auch andere Menschen gibt, die dagegenstehen. Solche Menschen existierten und werden weiterexistieren. Es fühlt sich zurzeit alles so an, als würden wir uns in einem dunklen Loch befinden, aus dem wir rausklettern müssen. Man fühlt sich erschöpft wie Sisyphos und denkt, wir werden niemals etwas erreichen. Das ist wahrlich unsere Menschheitsgeschichte im Ganzen, leidend und seelenverwundet. Aber wenn man die Geschichte in größeren Abschnitten betrachtet, ist unser Schicksal nicht das des Sisyphos, sondern das des Phönix. Menschen haben es immer geschafft, sich aus der Asche zu erheben. Das werden wir auch dieses Mal tun.
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