von Thomas Heck...
Korruption ist ein schweres Verbrechen. Denn es geht um Veruntreuung von Steuergeld, für dass Sie und ich hart arbeiten gehen. Im alten Rom wurden korrupten Beamten Nasen und Ohren abgeschnitten, wurden mit Katzen in Leinen eingenäht und in den Tiber geworfen. Die Strafen sind heute nicht mehr so drakonisch. Leider, möchte man nachschieben. Denn die Montblanc-Affäre zieht Kreise und was da zu Tage kommt, ist an Widerwärtigkeit kaum überbieten. Ich nehme es vorweg: Alles korrupte Dreckschweine.
Ganz vorne dabei, Bundestagspräsident Norbert Lammert, der immerhin nach dem Bundespräsidenten das höchste Amt der Bundesrepublik Deutschland innehat. Als er davon erfuhr, dürfte dem Bundestagspräsidenten schnell klar gewesen sein, dass die Sache beim Volk mindestens auf Unverständnis stoßen würde. Norbert Lammert (CDU) selbst drückte es, als seine eigene Verwicklung aufgeflogen war, so aus: „Dass solche Vorgänge nicht zur Festigung unseres Ansehens in der Bevölkerung beitragen, liegt auf der Hand“. Was ihn nicht davon abhielt, nun Buchungsbelege und Rechnungen verschwinden zu lassen.
Die Sache ist die: Schon 2009 hatte die „Bild“-Zeitung erfahren, dass in 116 Abgeordneten-Büros kurz vor Ende der Legislaturperiode noch flugs insgesamt 396 Füllfederhalter und Stifte der Luxusmarke Montblanc bestellt und über das persönliche Sachleistungskonto der Parlamentarier abgerechnet hatten. Also aus Steuergeld bezahlen ließen. Gesamtwert: 68.800 Euro. Pikant war daran weniger die Summe selbst, sondern dass sie für Stifte gezahlt wurde, von deren Existenz die meisten Wähler noch nicht einmal gehört hatten: Drehbleistifte in Sterlingsilber für 525,21 Euro etwa. Oder Tintenfässer aus reinem Bleikristall mit vergoldeten Beschlägen zu je 400,86 Euro. Vor allem aber Kugelschreiber und Füller zwischen 110 und 600 Euro Stückpreis.
„Bild“ versucht seitdem, vom Präsidenten die Namensliste der Besteller zu bekommen – und zog deshalb sogar unter Berufung auf das Informationsfreiheitsgesetz vor Gericht. Der Ältestenrat des Bundestags lehnt die Bekanntgabe der Namen ab, um die Persönlichkeitsrechte der Abgeordneten zu schützen.
Das Urteil wird für diese Woche erwartet, doch am Mittwoch veröffentlichte die „Bild“ eine Namensliste aufgrund eigener Recherchen. Top-Montblanc-Besteller von 2009 ist demnach Ronald Pofalla, später Kanzleramtsminister von Angela Merkel, heute im Vorstand der Deutschen Bahn. Sein Büro orderte etwa besagte Bleistifte und Tintenfässer sowie weitere Artikel für insgesamt über 3300 Euro. Auch mehrere andere Ex-Minister sind auf der Liste, dazu zahlreiche heutige Abgeordnete aller Fraktionen. CDU-Fraktionschef Volker Kauder etwa liegt mit einer Bestellung über 566 Euro im Mittelfeld. Unter den Linken zahlte die heutige Sozialministerin Brandenburgs, Diana Golze, mit 2892 Euro das meiste für Montblanc.
Auch Lammert selbst ist betroffen: Wie er inzwischen einräumte, bestellte einer seiner Mitarbeiter einen Stift für 170 Euro. Er nehme das trotzdem „auf seine Kappe“, so Lammert, dessen Sprecher auf Anfrage dieser Zeitung zugleich betont, dass eine „alleinige Entscheidung des Bundestagspräsidenten dazu nicht existiert“. Stets habe der Ältestenrat, den alle Fraktionen stellen, entschieden.
Lammert sei allerdings sehr wohl der Meinung, die „Anschaffung von teuren Kugelschreibern und Füllfederhaltern aus Steuermitteln ist ebenso unnötig wie problematisch“. Bereits aufgrund der „Bild“-Berichte wurde es 2010 untersagt, Luxusartikel über das Bürokonto abzurechnen. „Es gibt Anlass, über weitere Änderungen der Bestimmungen nachzudenken“, so Lammert. Er werde das Thema in der nächsten Sitzung des Ältestenrates auf die Tagesordnung setzen. Denn: „Offensichtlich ist hier eine stärkere Kontrolle erforderlich.“ Er selbst räumt ein, dass auch sein Fall das zeigt.
Wir werden nicht nur von Idioten regiert, denen das Wohl der Bürger so ziemlich egal ist. Diese Leute verdienen gutes Geld, was sie für gute Arbeit auch verdienen sollten. Bei letzterem scheitert es noch. Doch sich zusätzlich zu bereichern, ist unanständig, widerlich. Anläßlich der bevorstehenden Wahlen zum Deutschen Bundestag im nächsten Jahr sollten Sie ihren Bundestagsabgeordneten Ihres Wahlkreises zu diesem Thema befragen oder sich um einen Montblanc-Stift bemühen. Der steht Ihnen zu. Den haben Sie bezahlt...