von Thomas Heck...
Der Stern sorgt sich, dass die AfD bei der kommenden Bundestagswahl erstmals in den Deutschen Bundestag einziehen könnte. "Dann fliegen die Fetzen", so der Stern. Nach endloser Merkelherrschaft und der freiwilligen Gleichschaltung aller Parteien bleibt zu hoffen, dass die AfD in den Bundestag einzieht und das die Fetzen fliegen. Weil Dissenz und Streit in der politischen Auseinandersetzung fehlen und schaden der Demokratie. Wo sind denn die Dreggers, die heute von weichgespülten Kauders ersetzt wurden? Wo sind die Herbert Wehners? Es gibt sie nicht mehr. Nur noch Plinsen. Die Zeit für Änderungen sind reif. Und wenn der Wähler sich für die AfD entscheidet, dann sei es drum. Demokratie ist, wenn es knallt und stinkt. Der Stern ist dagegen eher besorgt:
Wer einen Blick in die Landesparlamente wirft, in denen die rechte Protestpartei schon vertreten ist, bekommt einen Vorgeschmack auf das, was sich ab Herbst im Berliner Plenarsaal abspielen könnte. In 13 von 16 Landtagen sitzen ihre Abgeordneten schon.
Die AfD-Landtagsfraktionen haben bissige Provokateure, pöbelnde Unruhestifter, aber auch einige Biedermänner und fleißige Fachleute in ihren Reihen. Ihr Oppositionsstil variiert zwischen geräuschlos und betont sachlich (Sachsen) und krawallig (Sachsen-Anhalt). Ihre Fraktionen stellen extrem viele Kleine Anfragen. Oft zu Themen, die eigentlich eher in die Bundespolitik gehören. Insgesamt ist der Ton in den Parlamenten rauer geworden.
Im Magdeburger Landtag sorgte Fraktionschef André Poggenburg für Entsetzen, als er die linke Antifa-Szene als "Wucherung am deutschen Volkskörper“ bezeichnete. Im rheinland-pfälzischen Landtag empörten sich Abgeordnete anderer Parteien über AfD-Fraktionschef Uwe Junge, der die Aufnahme von Flüchtlingen als "massenhaften Import von Analphabeten und Sozialfällen" charakterisierte.
Auch der parlamentarische Geschäftsführer der AfD-Fraktion im Landtag von Sachsen-Anhalt, Robert Farle, hat es zu einer gewissen Berühmtheit gebracht. Bei den Politikern der anderen Parteien sind die langen Monologe des ehemaligen Mitgliedes der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) gefürchtet. Als die Landtagspräsidentin Farle einmal darauf hinwies, dass er wieder die Redezeit überschritten habe, verwies er auf die Anzeige im Rednerpult: "Hier steht, ich habe noch 11 Minuten und 39 Sekunden." Die Präsidentin entgegnete: "Das ist die Uhrzeit."
Interne Machtkämpfe in der AfD
Streitlustig sind die Abgeordneten der 2013 gegründeten Partei auch im Umgang miteinander. Kaum eine Landtagsfraktion, die nicht schon im ersten Jahr Federn gelassen hätte - durch den Austritt oder den Rauswurf von Abgeordneten. Einige Parlamentarier mussten wegen rassistischer Ausfälle gehen. Andere hielten den internen Machtkämpfen nicht stand. Oder sie wollten den auch von Politikwissenschaftlern konstatierten "Rechtsruck" der ehemaligen "Professorenpartei" nicht mitmachen.
In Sachsen-Anhalt sind zwei der einst 25 AfD-Abgeordneten heute fraktionslos. Ein Dritter schloss sich der CDU-Fraktion an. In Baden-Württembergs Landtag sitzen Claudia Martin und Wolfgang Gedeon heute abseits. Der Streit um den Antisemitismus-Vorwurf gegen Gedeon hatte im vergangenen Jahr sogar zu einer vorübergehenden Spaltung der Fraktion geführt. Jörg Meuthen, AfD-Bundesvorsitzender und Fraktionschef in Stuttgart, hat der zweiten Parteivorsitzenden Frauke Petry ihre damalige Intervention in der Affäre nie verziehen.
Geächtet durch die anderen Fraktionen
Der brandenburgische Fraktionschef Alexander Gauland bildet gemeinsam mit Alice Weidel aus Baden-Württemberg das Spitzenteam der AfD für die Bundestagswahl. Bei den übrigen Fraktionen in Potsdam gibt es eine Übereinkunft, nicht für Anträge der AfD zu stimmen, die einmal von zwei CDU-Abgeordneten durchbrochen wurde. Gauland sieht seine Partei auf lange Sicht in der Opposition.
Der Vorsitzende der AfD-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus, Georg Pazderski, fährt einen anderen Kurs. Er will die AfD schon bis zur nächsten Legislaturperiode "regierungs- und koalitionsfähig" machen. Seine Fraktion gibt allerdings in der Außenwirkung kein einheitliches Bild ab. Während einige Abgeordnete betont seriös und sachlich auftreten, fallen andere durch scharfe Zunge und deutsch-nationale Parolen auf.
Pazderski selbst sorgte kürzlich in einer Rede zum Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus für Betroffenheit, als er erzählte, wie sein polnischer Vater mit 17 Jahren für die Deutschen Zwangsarbeit leisten musste, "die beiden letzten Jahre des Krieges hat er auch noch in einem Konzentrationslager verbracht".
Der Thüringer AfD-Fraktionschef Björn Höcke wettert zwar auch im Landtag, wo immer es geht, gegen Muslime und Zuwanderung. Im Vergleich zu seinen Äußerungen bei Veranstaltungen mit Gleichgesinnten sind Höckes Landtagsreden aber harmlos.
Dass die AfD bei dieser Bundestagswahl erneut an der Fünf-Prozent-Hürde scheitert, gilt als unwahrscheinlich. Umfragen sehen sie aktuell bei sieben bis neun Prozent. Das würde reichen, um auch den ehemaligen CDU-Bundestagsabgeordneten Martin Hohmann, der sich heute bei der AfD engagiert, zurück ins Parlament zu katapultieren.
Bei der CDU freut man sich allerdings nicht auf ein Wiedersehen mit dem 69-Jährigen. Er hatte 2003 mit einer als antisemitisch empfundenen Rede einen Skandal ausgelöst und war deshalb 2004 aus der CDU ausgeschlossen worden. Auf seiner Website schreibt Hohmann: "Dem Rat des Apostels Paulus folgend: 'Vergesse ich, was hinter mir liegt und strecke mich nach dem aus, was vor mir liegt'."
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