von Thomas Heck...
Für den SPIEGEL gibt es nur einen Schuldigen im Atomstress mit Nordkorea. Nicht den verrückten nordkoreanischen Diktator, der sich entgegen aller Verhandlungsabsichten des Westens, entgegen aller Appeasement-Politik der Weltgemeinschaft nun doch die Atombombe beschafft hat und nun in schöner Regelmäßigkeit den USA und anderen Ländern mit dem Einsatz von Atomwaffen droht. Nein, Trump ist der Schuldige. Und so wird es auch mit dem Iran kommen, der sich auch weiterhin Atomwaffen annähern wird. Doch lesen Sie selbst billigstes Trump-Bashing aus Hamburg.
Den Beginn eines Atomkrieges hätte man sich vielleicht anders vorgestellt. Doch da saß der US-Präsident also, im pseudo-kolonialen Vereinshaus seines Golfklubs in New Jersey, und drohte mit "Feuer und Wut, wie sie die Welt noch nie gesehen hat". Zur Sicherheit wiederholte er das Ganze später noch ein mal auf Twitter.
Donald Trumps beispiellose, albern-pompöse wie unverantwortliche Warnung galt dem Regime in Nordkorea. Sie erfolgte, während Pjöngjang immer näher an die Schwelle einer Nuklearmacht rückt. Die Reporter, die rasch wieder aus dem Saal eskortiert wurden, waren schockiert. War das mit den Militärs abgesprochen? War das improvisiert? Was meinte Trump damit?
Es gab wenig Aufklärung. Ob sie das Ganze etwas ausführen könnte, wurde Trump-Beraterin Kellyanne Conway anschließend gefragt. "Nein, kann ich nicht", sagte sie trotzig. "Die Anmerkungen des Präsidenten waren sehr stark und eindeutig."
So kam es zu dem Moment, den viele seit Trumps Wahlsieg befürchtet hatten - eine erste, wirklich große internationale Krise. Ein Atomkonflikt mit Nordkorea, erklärte US-Verteidigungsminister James Mattis erst im Mai, bedeute "wahrscheinlich die schlimmste Art von Kämpfen im Leben der meisten Menschen".
Statt kühlen Kopf zu bewahren, bediente sich Trump einer theatralischen Brandrhetorik, wie man sie bisher nur, ausgerechnet, vom nordkoreanischen Staatschef Kim Jong Un kannte. Dass seine Worte koordiniert waren mit dem Generalstab, den Alliierten, Russland, China oder dem federführenden Außenministerium: äußerst unwahrscheinlich.
Nordkorea droht zurück
Indem er Vergeltung schwor, nicht etwa für eine Militäraktion Nordkoreas, sondern allein für deren Androhung, zog Trump außerdem eine rote Linie, die er nicht wird halten können. Die USA werden nicht wirklich einen Atomkrieg gegen Nordkorea starten. Doch prompt folgte die nächste Provokation aus Pjöngjang: Man "prüfe" einen Schlag gegen Guam, das US-Inselterritorium im Pazifik, wo Washington ein interkontinentales Raketenabwehrsystem unterhält.
"Trump klingt wie ein nordkoreanischer Herrscher", entsetzte sich die frühere Vizeverteidigungsministerin und Nordkorea-Expertin Evelyn Farkas im TV-Sender MSNBC. Menschliche Zeitbomben auf Kollisionskurs: "Wenn zwei Führer gleichsam poltern und prahlen", orakelte Kathy Gilsinan schon im April im Magazin "Atlantic", "besteht eine höhere Wahrscheinlichkeit für einen katastrophalen Fehler aufgrund einer Fehleinschätzung."
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All das offenbart, wie ungeeignet, ja, gefährlich Trump in einer solchen Situation ist. Diese erfordert Vertrauenswürdigkeit und Urteilskraft, die er, zumindest in seinem jetzigen, öffentlichen Verhalten, vermissen lässt. Mal abgesehen davon, dass er eigentlich eine zusehends bange Nation beruhigen müsste: Laut Umfragen halten fast zwei Drittel der Amerikaner Nordkorea inzwischen für eine "sehr ernsthafte Bedrohung der USA", im März waren es noch 48 Prozent. Wobei nur 36 Prozent das Land auf einer Weltkarte finden können.
Kritik, auch aus Trumps eigener Partei
Aber auch sonst blieb die bisherige Nordkorea-Politik der US-Regierung konfus. Während Trump auf Twitter wilde Prognosen verbreitete, bemühten sich sein Außenminister Rex Tillerson und Uno-Botschafterin Nikki Haley hinter den Kulissen um sensible Diplomatie in altem Stil. Daraus erwuchsen auch die jüngsten, harten Sanktionen gegen Nordkorea, die der Uno-Sicherheitsrat am Sonntag verabschiedete - mit den seltenen Ja-Stimmen von Russland und China. Diesen Hebel hat Trump nun aber wieder sabotiert.
Kein Wunder, dass Trumps Warnschuss auch den zehntätigen Siegeszug der US-Börsen beendete: Der Dow-Jones-Index sackte am Dienstag wieder ab.
Kaum ein US-Politiker, egal welcher Partei, schloss sich Trumps Worten zunächst an. "Ich glaube nicht, dass die großen Anführer, die ich bewundere, denselben Weg eingeschlagen wären", sagte der republikanische Senator John McCain in einem Radiointerview. "Gepolter schadet unserer nationalen Sicherheit", twitterte Ex-Verteidigungsminister William Perry, der selbst mit Nordkorea rang und 1994 ein Nuklearabkommen mit Pjöngjang verhandelte.
Trump ist schon lange fasziniert von Atomwaffen und Nuklearschlägen. In den Achtzigerjahren bot er sich dem Weißen Haus an, um persönlich ein Abrüstungsabkommen mit der Sowjetunion einzufädeln. Im Wahlkampf 2016 dagegen liebäugelte er angeblich mit Atomwaffen: "Wenn wir sie haben, wieso setzen wir sie dann nicht ein?", soll er gesagt haben. Nach seinem Wahlsieg kündigte er auf Twitter an, Amerikas Atomarsenal "groß zu stärken und auszubauen".
Bleibt zu hoffen, dass Trump, wie so oft, schnell wieder von einem anderen Thema abgelenkt wird und Nordkorea den Kennern überlässt. "Ich schenke dem, was der Präsident sagt, nicht mehr viel Beachtung", sagt McCain.
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