von Thomas Heck...
Wenn ein Palästinenser einen Hamburger absticht, am Tage darauf ein Iraker mit einer Kriegswaffe in einer Koblenzer Diskothek um sich schießt und durch die Polizei erschossen wird, dann müssen wir uns alle vergegenwärtigen, dass das alles im Kontext gesehen werden muss. Doch die Berichterstattung über Flüchtlinge hat sich deutlich verändert. Zu diesem Ergebnis kommt eine neue Studie der Hochschule Macromedia. Die Forscher machen ein Datum als Wendepunkt aus: Die Kölner Silvesternacht 2015/16 hat den Umgang der Medien mit Flüchtlingen verändert. Seither seien Flüchtlinge als mutmaßliche Gewalttäter in den Fokus der Berichterstattung gerückt – die wachsende Gewalt gegen Flüchtlinge werde dagegen kaum thematisiert. Haben die Medien tatsächlich den gewalttätigen Einwanderer als Angstfigur entdeckt?
Doch Moment mal, war der Messerstecher nicht ein palästinensischer Flüchtling? Habe ich da was nicht mitbekommen? Darf darüber etwa nicht berichtet werden? Will die Studie das etwas erreichen? Denn gefühlt habe ich eher den Eindruck, dass Zeitungen und öffentlich-rechtliche Medien die Beteiligung von Flüchtlingen an Straftaten eher verschweigen, als diese offen zu benennen, schon aufgrund des geltenden Pressekodexes. Dann doch lieber das Märchen von den gefundenen Bargeldsummen verbreiten, zuletzt in Berlin, wo ein Flüchtling eine Tasche mit 3.500 Euro und 1 kg Gold fand. Journalismus paradox.
Über Nationalität und Herkunft wird in der Regel nicht berichtet, obwohl dies von öffentlichen Interesse ist, denn das Nichterwähnen führt meines Erachtens eher zu Vorurteilen und zu Ressentiments. Wird bei Straftaten die Herkunft des Täters verschwiegen, verdichtet sich beim Bürger der Eindruck, hier solle was verschwiegen werden und kommentiert wird die Meldung abschließend dann mit: Das war sicher ein Flüchtling.
Doch Studienleiter Thomas Hestermann analysierte zwischen Januar und April dieses Jahres 283 Artikel in überregionalen Zeitungen sowie 67 TV-Beiträge aus den Hauptnachrichten. „Die deutschen Medien haben den gewalttätigen Einwanderer als Angstfigur neu entdeckt“, erklärte der Journalismus-Professor.
Demnach berichteten deutsche Fernsehsender in diesem Zeitraum viermal so häufig über Gewalt nichtdeutscher Tatverdächtiger im Vergleich zu 2014, obwohl deren Anteil in der Kriminalstatistik in diesem Zeitraum lediglich um ein Drittel angestiegen sei.
Nichtdeutschen Opfern von Gewalttaten widmete das Fernsehen in diesem Jahr demnach halb so viele Berichte wie 2014, obwohl deren Zahl laut Bundeskriminalamt angestiegen ist. „Das führt zu einem verzerrten Bild und kann Vorurteile in der Bevölkerung anheizen“, warnte der Medienwissenschaftler.
Auch hier erkenne ich eine Abweichung von meiner täglichen Wahrnehmung. Es ist doch genau andersrum. Jeder Anschlag mit rechtsextremistischen Hintergrund fände doch höchste mediale Aufmerksamkeit.
Perspektive der Betroffenen meist außen vor
Ein weiteres Ergebnis: Vor allem die „Bild“-Zeitung berichte über Ausländer zumeist im Zusammenhang mit Kriminalität. In 64,3 Prozent der untersuchten Artikel wurden Ausländer erwähnt, wenn sie einer Straftat verdächtigt wurden. „Süddeutsche Zeitung“ (39,5 Prozent) und „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (38,2 Prozent) thematisierten seltener Kriminalität. In der „taz“ ging es mit 18,6 Prozent der Artikel über Nichtdeutsche deutlich weniger um Straftaten.
Wie das Magazin „Journalist“ weiter berichtet, bleibt die Perspektive der Betroffenen laut Studie zumeist außen vor, wenn es in den Medien um Flüchtlinge geht. In der „Bild“-Zeitung kam in 3,6 Prozent der untersuchten Artikel ein nichtdeutscher Gesprächspartner zu Wort; in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ in 20 Prozent. Demnach ist als in der FAZ die Wahrscheinlichkeit höher, dass der palästinensische Messerstecher Gehör findet. Interessant, doch was hat das mit den Taten zu tun?
Hestermann leitet ein Forschungsprojekt zur TV-Berichterstattung über Gewaltkriminalität in Zusammenarbeit der Freiwilligen Selbstkontrolle Fernsehen und dem Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen. In der Studie wurden Artikel aus „Bild“-Zeitung, „Süddeutscher Zeitung“, „Frankfurter Allgemeiner Zeitung“ und „taz“ analysiert sowie Beiträge von ARD, ZDF, RTL, RTL II, Sat.1, ProSieben, kabel eins und Vox und beweist damit, wie wichtig es ist, bei Studien und Statistiken kritisch zu hinterfragen, was damit bezweckt wird. Cui bono.
Denn die Studie hat nämlich zum Ziel, das Bild vom Flüchtling ins positivere Licht zu rücken und Wegbereiter einer verstärkten Migration zu sein. Eine seriöse Berichterstattung würde da nur stören. Und so macht sich Macromedia zu Lakaien einer Regierungspolitik, die im Wahlkampf das Flüchtlingsthema unterm Teppich kehren will.
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