Dienstag, 21. Februar 2023

Dieser Kai Wegener dachte doch tatsächlich, SPD oder Grüne würden mit ihm koalieren...

von Thomas Heck...

In Berlin werden noch die letzten Stimmreste ausgezählt. In Lichtenberg, wo plötzlich noch eine Wahlurne mit Briefwahlstimmen auftauchte, hat die CDU ebenfalls obsiegt, was am Gesamtergebnis letztlich wohl nicht viel ändern wird. Und egal, wie freundlich man sich in Sondierungsgesprächen gibt, denn Politiker sind Lügner und bleiben Lügner, es wird wohl beim "Weiter so" mit Rot-Grün-Rot in Berlin bleiben. "Weiter so" mit einem linksextremistischen Koalitionspartner, der nach wie vor seine Befehle aus dem Kreml bekommt, wie man dieser Tage gut erkennen konnte.

Und die schämen die sich nicht einmal? Nein. Schaut man genau hin, kann man schon das schlechte Gewissen einer Franziska Giffey erkennen, deren Panzer des Selbstbewusstseins schon sichtlich Risse bekommen hat. Doch die Machtgier überwiegt.












Rote und Grüne wollen trotz Wahlschlappe in Berlin weiterregieren, weil Politik nun einmal so gehe. Richtig ist: So geht Politik kaputt. Ein weiteres Mosaikstück in der Politikverdrossenheit. Es hätte aber noch schlimmer kommen können: Das Bundesverfassungsgericht könnte noch korrigierend eingreifen. Wird es vermutlich aber nicht, weil das Wahlziel für Berlin seitens der Ampel quasi erreicht wurde.


Es gibt Polit-Sprüche, die sind schon im Regelfall arg an der Grenze. »Mehrheit ist Mehrheit« ist so ein Spruch. »Das ist halt Machtpolitik« ein anderer oder: »So geht Demokratie eben«.

Das Resignative, die Willfährigkeit, das Desinteresse an den Folgen machen schon im Normalfall traurig. Im rot-grün-roten Berliner Einzelfall dieser Tage sind sie schlicht, Entschuldigung, zum Erbrechen. Ausgerechnet diejenigen, die sonst mit der ganz großen Moralhupe tuten, berufen sich jetzt achselzuckend auf profipolitische Usancen. Doch das ist nur eine Masche: Politik kann so sein, sicher. Aber nur, wenn man sie auch so will. Anstand ist machbar, Herr Nachbar.

SPD, Grüne und Linke wollen in Berlin also weiterregieren. Tatsächlich haben sie eine – geschrumpfte – Mehrheit. Das reicht ihnen, alles andere scheint bedeutungslos. Dass die CDU ihr Ergebnis um 50 Prozent verbessert hat. Dass sie zehn Punkte vor dem Zweiten liegt und einer SPD nahezu alle Wahlkreise abgenommen hat, die ihr historisch miesestes Ergebnis kassierte.

Zwei Drittel sagten in einer Forsa-Nachwahlumfrage für RTL, dass die CDU den Auftrag zur Regierungsbildung hat. Alles egal. Es gibt eine linke Mehrheit, und darum verhandelt man nur zum Schein mit dem Wahlsieger. Von dem Zeug, mit dem SPD und Grüne sich an ihre Sessel kleben , kann die »Letzte Generation« nur träumen.

»Mehrheit ist Mehrheit«, das sollte die CDU mal in Ostdeutschland sagen und mit der AfD regieren. Inhaltlich wäre das vermutlich kein unüberwindbares Problem, weil die AfD noch ihr allerletztes Braunhemdchen herschenken würde, dürfte sie nur mitmachen. Aber etwas Bestimmtes hält die CDU davon ab: Es ist der Anstand und es ist die Angst vor der öffentlichen Dresche, wenn sie diesen Anstand vermissen lässt.

Mehrheit ist mehr als Mathe. Aber wenn das nur rechts der Mitte gilt, ist das linke Doppelmoral vom Dreistesten. Deshalb finde ich es verstörend, wie bei manchen Kollegen der Stolz, auch das bisschen Polit-Algebra zu beherrschen, größer ist als das Pflichtbewusstsein, die Sicht der normalen Leute aufzunehmen.

Mit Händen zu greifen waren vor und nach der Wahl der Frust und der Protest gegen einen (Stadt-)Staat, der nicht funktioniert. Der sich in linksgrünem Ideologiekrimskrams verzettelt, derweil Verwaltung und Verkehr kollabieren, die Schulen verrotten, Wohnungen und Sicherheit zum Luxus für Besserverdienende werden. Nur 24 Prozent der Berliner Wahlberechtigten waren zufrieden mit der Arbeit jener Regierung, die weitermachen will, weil zwei Parteien zu bräsig sind, Alternativen zu eröffnen.

So geht Politik? Ich sage: So geht sie kaputt.

Vollends grotesk wird es, wenn die versammelte Linke die vielen Stimmen für die CDU kurzerhand umrubeln möchte: Es seien ja »nur Proteststimmen« gewesen. Aber gegen wen denn, bitte schön, wenn nicht gegen eine dilettierende Landesregierung und eine SPD, die nach 22 Jahren an der Spitze abgewirtschaftet hat? Massig Stimmen gegen die Regierung sollen das Weitermachen ebendieser Regierung legitimieren – wie blöd will man den Leuten kommen?

Stattdessen könnte man der CDU dankbar sein. Sie hat geleistet, was fortwährend von ihr gefordert wird: Die Partei hat die Protestwähler der Mitte an sich gebunden, sonst hätten sie bei der AfD festgemacht und diese weit in die Zweistelligkeit erhoben. Das gelang der Berliner CDU, weil sie nicht so hip sein will, wie die Hipster sie gern hätten – freilich ohne sie je zu wählen oder mit ihr koalieren zu wollen.

Nach der Wahl nun haben die Schwarzen ihre Schuldigkeit getan. Und wie selbstverständlich wird die Linkspartei vorgezogen, obwohl sie, der AfD gleich, in großen Teilen lieber heute als morgen Wladimir Putin die Stiefel lecken möchte. So geht Demokratie eben? Das ist frivol unterkomplex in Zeiten, da die Demokratie auch in Europa unter Druck ist.

Es sei nicht das erste Mal in der Geschichte, dass der Zweitplatzierte die Regierung anführt, wird zur Relativierung dieses Schurkenstücks angeführt. Das stimmt zwar, doch ab einem gewissen Vorsprung beschleicht wohl jedermann das Gefühl: Jetzt wird es obszön. Liegt dieser Punkt bei fünf, sieben, zehn oder zwanzig Prozentpunkten Vorsprung? Das muss jeder selbst wissen, aber jeder hat ein Gefühl dafür. Und das heißt: Es gibt diese Grenze, und der Moment auf dieser Grenze ist der des Anstands.

Demokratie lebt von der Einhaltung auch jener Regeln, die man nirgendwo einklagen kann. Anstand ist so eine Regel.

Ist das naiv und realitätsfern? Nein, das ist es nicht. Moral und Anstand prägen sehr wohl die Politik und den Alltag aller Politiker. Bei nahezu jedem Fehlverhalten sind sie der wichtigste Maßstab, das zentrale Scharnier zwischen Verhaltensbeurteilung, Glaubwürdigkeitszumessung und gegebenenfalls Rücktritt. Zudem imprägniert derzeit eine besonders hohe Dosis Moral die großen Sachfragen. Ministerin Baerbock hat die deutsche Außenpolitik damit aufgeladen, die Klimaaktivisten ihre radikale Kompromisslosigkeit.

Kurzum: Das achselzuckende Weiter-so von SPD und Grünen ist eine entlarvende Frechheit, blind selbst für die gravierendsten Folgen. Doch die Bundesvorsitzenden drücken sich um einen beherzten Eingriff. Und in Berlin sind die beiden Parteien dermaßen runtergerockt, dass sie sich nicht einmal mehr schämen.





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