Dienstag, 28. Februar 2023

Wenn der pflegebedürftige Rentner dem Flüchtling weichen muss...

von Thomas Heck...

Die Schlagzeile liest sich wie eine Verschwörungstheorie einer ausländerfeindlichen Gruppierung: Deutsche verlieren Wohnung wegen Flüchtlinge. Was bislang tatsächlich in den Bereich der Hirngespinste zu verorten gewesen wäre, ist plötzlich Realität geworden und hängt ab sofort wie ein Damoklesschwert über jede Mieter in Deutschland: Die Gefahr, wegen Flüchtlingen seine Wohnung zu verlieren. Doch jetzt ist diese Realität in Deutschland angekommen. Eine weitere Verschwörungstheorie, die sich mittlerweile als wahr erwiesen hat. 

Erst der Wohnungsverlust 40 langjähriger Mieter in Lörrach, von der taz noch zum Nicht-Skandal deklariert, weil die Wohnungen sowieso abgerissen worden wären, nun die Kündigung für 110 Bewohner eines Altenpflegeheims, lassen auch den stärksten Befürworter eines Migrationspolitik zweifeln.

Leider muss man konstatieren, dass niemand mehr sicher ist, seine Wohnung aufgeben zu müssen, weil Vater Staat oder Mutter Kommune den Wohnraum für Flüchtlinge benötigt. Ein Fall aus Berlin, wo mehrfach traumatisierte Flüchlinge mehr wert sind, als Senioren im Altenheim, die immerhin dieses Land nach dem 2. Weltkrieg wiederaufgebaut haben. So geht man in diesem Land mittlerweile mit den Bürger um. Seien Sie also nicht allzu überrascht, wenn auch Ihnen eines Tages die Kündigung des Vermieters ins Haus flattert. Wenn es schon pflegebedürftige Heimbewohner trifft, sollte sich niemand mehr sicher fühlen. Beim Rauswurf aus dem Stift weinten die alten Menschen.

Umso perfider, als die letzten Jahre unsere Politiker die Senioren dieses Landes um jeden Preis vor einem imaginären Virus retten wollten. Heute schmeisst man Sie aus den Heimen oder sie können die Heimkosten nicht mehr tragen...

„Plätze für mehrfach traumatisierte Schutzbedürftige“ -Berliner Kirchenstift wirft 110 Senioren raus - und bringt dafür Geflüchtete unter, so titelt der FOCUS.

Das Altenpflegeheim „Wohnen & Pflege Schillerpark“ im Berliner Bezirk Wedding: Bereits die Hälfte der Bewohner hat die Einrichtung verlassen.


In Berlin ist 110 Bewohnern eines Altenpflegeheims überraschend gekündigt worden. Betreiber und Vermieter gehören als kirchliche Einrichtungen zur Berliner Diakonie. Pikant: In dem Gebäude werden nun Flüchtlinge untergebracht, was wegen öffentlicher Zuschüsse viel lukrativer als Altenpflege ist.

Jeder, der sich schon mal mit dem Thema Altenpflege beschäftigt hat, weiß: Nichts zählt so sehr wie ein sicherer Heimplatz, um dem pflegebedürftigen Familienmitglied den Lebensabend so angenehm und stressfrei wie möglich zu organisieren. Wichtig ist dabei nicht zuletzt auch die Nähe des Heims zu Angehörigen.

Verwunderung und Verzweiflung in der Berliner Johannesstift-Diakonie waren daher auch groß, als klar wurde, dass das Altenpflegeheim „Wohnen & Pflege Schillerpark“ im Berliner Bezirk Wedding keine Zukunft mehr haben würde. Ausgelegt für 141 Heimbewohner, war das perfekt passende Gebäude in der Müllerstraße 2006 auf einem großen Gelände vom Paul Gerhard Stift angemietet worden. Als Mindestpachtzeit wurden nach Angaben des Johannisstifts 25 Jahre vereinbart, inklusive der Option zur Verlängerung.

Berliner Pflegeheim soll raus: Kirchenstift meldet Eigenbedarf an

Die Zukunft des Pflegeheims für Bewohner und Betreiber begann sich jedoch schon zehn Jahre vor Ablauf des Pachtvertrages in Luft aufzulösen, als das Paul Gerhardt Stift 2021 Eigenbedarf anmeldete, erklärt Lilian Rimkus, Sprecherin des Johannisstifts, FOCUS online. Das Pflegeheim sei damals gemeinsam mit einer ambulanten Pflegestation und einem Seniorenwohnheim, das vom Paul Gerhard Stift selbst betrieben wird, als zusammenhängender Pflegekomplex konzipiert worden.

Da inzwischen auch der ambulante Pflegebetrieb seine Sachen packen muss, machte sich selbst unter den Bewohnern des Seniorenwohnheims vom Paul Gerhard Stift Sorge um die Zukunft breit. Ein Angehöriger eines Mieters wurde jedoch stutzig, als ihm Mitte November eine Stellungnahme in die Hand fiel, die dort zirkulierte und von Pfarrer Martin von Essen, dem Vorsteher des Paul Gerhard Stifts, unterzeichnet worden war.

Erklärung von Vorsteher liest sich, als hätte der andere Kirchenstift auf Kündigung gedrängt

Kurios: Die Erklärung liest sich, als ob die Johannisstift Diakonie den Mietvertrag gekündigt hätte. Zudem ist von dem begehrten Eigenbedarf des Paul Gerhardt Stifts keine Rede, sondern lediglich von einer „Schließung“ des Pflegeheims. Ebenso wenig informiert von Essen auch darüber, dass der Mietvertrag eigentlich bis 2031 laufen sollte. Stattdessen schreibt er von einer „Vereinbarung“, in der sich Pflegeheimbetreiber und Vermieter Ende 2021 auf eine „Gebäudenutzung“ bis Ende 2024 geeinigt hätten.

Kurz vor Ende der Stellungnahme hebt der Pfarrer und Stiftsvorsteher eine „jahrzehntelange Erfahrung“ in der Geflüchteten-Arbeit hervor. Und kündigt abschließend an, dass das Refugium des Stifts die „Plätze für mehrfach traumatisierte Schutzbedürftige“ ab Ende 2022/2023 „erweitern“ werde.
 
In Kirchenkreisen gilt es allerdings als offenes Geheimnis, dass der Betrieb eines Flüchtlingsheims finanziell ungleich attraktiver ist als der eines Altenpflegeheims.


Flüchtlinge statt Senioren: Zähneknirschend Einvernehmen über vorzeitiges Mietende erzielt

Der Fall um den Rauswurf von 40 Mietern städtischer Wohnungen in Lörrach zeigte bereits in der vergangenen Woche, wie hoch der Druck der Kommunen inzwischen bei der Unterbringung von Flüchtlingen ist. Eine Frage ganz anderer Dimension aber ist, wenn ein Kirchenstift Eigenbedarf für ein Gebäude anmeldet, das noch für mehr als ein Jahrzehnt als Pflegeheim genutzt werden sollte, um stattdessen Flüchtlinge darin einzuquartieren.

Eine Kündigung ist offenbar vom Paul Gerhard Stift nicht ausgesprochen worden. Dies wäre juristisch bei einer geplanten Einrichtung eines Flüchtlingsheimes ohnehin problematisch gewesen, da dies im Gegensatz zu einer Sanierung nicht als Eigenbedarf deklariert werden kann. Trotz „intensiver Gespräche“ mit dem Paul Gerhard Stift sei es jedoch über Monate nicht gelungen, eine gemeinsame Lösung zu finden, bekräftigt Lilian Rimkus, da das Johannisstift nach wie vor an einer „langfristigen Lösung in dem Gebäude des Paul Gerhardt Stifts“ interessiert gewesen sei.

Am Ende habe man zähneknirschend, aber „im Einvernehmen“ der Vereinbarung über das um zehn Jahre vorgezogene Ende des Mietvertrages zugestimmt. Und anschließend noch um ein weiteres Jahr antizipiert, da sowohl Bewohner als auch Mitarbeiter begannen, sich um längerfristige Wohn- und Arbeitslösungen zu kümmern.
 
Stiftsleiter schweigt zum Grund für den beanspruchten Eigenbedarf

Die schriftliche Frage von FOCUS online an Stiftsleiter Martin von Essen, aus welchem Grund denn sein Stift Eigenbedarf an dem Gebäude des Pflegeheims angemeldet hatte, ließ der Geistliche einfach unbeantwortet. Stattdessen schickte er jene Stellungnahme, der er am 13. November in dem Seniorenwohnheim schon verteilt hatte. Sie endet mit der Bemerkung: „Die Entscheidung zur Umnutzung wurde nach dem vorzeitig geänderten Vertrag getroffen“. Aber selbst der „vorzeitig geänderte Vertrag“ kam nur zustande, weil von Essen Eigenbedarf an dem Gebäude des Pflegeheims für seinen Stift angekündigt hat. Von einer plausiblen Erklärung zum „warum“ auch hier: keine Spur.

In Kirchenkreisen gilt es allerdings als offenes Geheimnis, dass der Betrieb eines Flüchtlingsheims finanziell ungleich attraktiver ist als der eines Altenpflegeheims. Der Grund: Für Flüchtlingsheime zahlt das Land so viele Zuschüsse, dass sie im Gegensatz zu kostenintensiveren Pflegeheimen schnell schwarze Zahlen schreiben.
 
Hälfte der Bewohner musste das Pflegeheim in Berlin schon verlassen

Knapp die Hälfte der 110 Bewohner, die zur Zeit der Bekanntgabe der Schließung Mitte September im Heim lebten, haben laut Lilian Rimkus bis zum Jahresende das Heim verlassen müssen. Der anderen Hälfte sei bis Ende 2023 gekündigt worden. Allen Bewohnern sei angeboten worden, sofort in andere Pflegeeinrichtungen der Johannesstift Diakonie umzuziehen. „Dies wurde zu unserem großen Bedauern nur begrenzt wahrgenommen, hauptsächlich wegen der dadurch entstehenden fehlenden räumlichen Nähe zu Angehörigen.“ Zudem unterstütze der Sozialdienst alle Bewohner auch bei der Suche nach Einrichtungen andere Anbieter.
 
Knapp die Hälfte der 110 Bewohner, die zur Zeit der Bekanntgabe der Schließung Mitte September im Heim lebten, haben laut Lilian Rimkus bis zum Jahresende das Heim verlassen müssen.


Angehöriger entsetzt: Pflegebedürftige Senioren vor vollendete Tatsachen gestellt

Der Angehörige des Mieters aus dem Seniorenwohnheim des Paul Gerhardt Stifts, der FOCUS online auf den Fall aufmerksam gemacht hatte, zeigt sich irritiert über das Gebaren der evangelischen Einrichtungen, auch wenn sein Familienangehöriger von den Schließungen nicht betroffen ist.

Sicher könne man verschiedener Meinung sein, was ein „höheres ethisch-moralisches Gut“ sei: „hochbetagten, pflegebedürftigen Mitbürgern im wohlverdienten Lebensabend medizinisch und pflegerisch zur Seite zu stehen oder wegen Hunger und Bürgerkrieg aus ihrer Heimat Geflohenen zu helfen“.

Dass aber ausgerechnet religiöse Stifte der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-Schlesische Oberlausitz keine gemeinsame Lösung gefunden hätten und „pflegebedürftige Senioren vor die Tür setzen, die ihr ganzes Leben lang immer brav Kirchensteuer gezahlt und Kollekten gegeben haben, ist keine schöne Angelegenheit“, sagt der Angehörige.


Im Drama um die Umwandlung des Pflegeheims der Johannesstift Diakonie (JSD) in ein Flüchtlingsheim meldet sich jetzt das Landesamt für Flüchtlinge (LAF) zu Wort!

Am Montag wurde bekannt, dass das Paul Gerhardt Stift (PGS) auf seinem Gelände an der Müllerstraße in Wedding seit Mitte Februar ein Pflegeheim der JSD zur Unterbringung von Flüchtlingen nutzt.

Gegenüber B.Z. hieß es vom Paul Gerhard Stift: „Die Umnutzung des Pflegeheimes war keine wirtschaftliche Entscheidung, (…) sondern rührt aus den Bedarfen des Landesamts für Flüchtlinge.“

Klingt, als habe die Flüchtlingsbehörde beim PGS um Plätze gefragt.

Das dementiert das Flüchtlingsamt. LAF-Sprecher Sascha Langenbach zur B.Z.: „Wir sind nicht mit einer Bitte an das PGS herangetreten. Sie sind auf uns zugekommen.“ Vor vier Wochen habe die kirchliche Einrichtung das LAF kontaktiert und Plätze zur Unterbringung von Flüchtlingen angeboten.

„Da wir das Containerdorf für Flüchtlinge in Reinickendorf schließen müssen, haben wir das Angebot natürlich gerne angenommen“, sagt Langenbach. In dem Gebäude an der Müllerstraße seien seit dem 15. Februar ukrainische Flüchtlinge untergebracht, für bis zu 125 sei Platz.

Das Paul Gerhard Stift äußerte sich auf B.Z.-Anfrage nicht. Das Pflegeheim war seit 2006 von der Johannesstift Diakonie betrieben worden, die das Gebäude vom PGS angemietet hatte. Doch 2021 kam es zur Beendigung des Vertrages zwischen PGS und Diakonie bis Ende 2023 wegen Unstimmigkeit bezüglich der Mieterhöhungen.

„Darauf wurde vom PGS der Wunsch geäußert, das Gelände an der Müllerstraße künftig für eigene Aktivitäten zu nutzen“, sagt Johannesstift-Sprecherin Lilian Rimkus.





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