Mittwoch, 22. Februar 2023

Munition: Die hohe Kunst der Logistik...

von Thomas Heck...

Deutschland hat die nationale Verteidigung seit Jahren extrem vernachlässigt. Die Befähigungslücken sind so klaffend, dass man sich fragen muss, was haben die mit den unzähligen Milliarden Euros angestellt, dass wenig substanzielles vorhanden ist? Denn Verteidigungsfähigkeit ist nicht ausschließlich die Bereitstellung moderner Waffensysteme, an denen es im Westen weiß Gott nicht fehlt, wie die Erfahrungen im Ukraine-Krieg gezeigt haben. Denn Russland fürchtet sehr wohl die direkte Konfrontation mit westlichen Kampf- und Schützenpanzern, die sich bislang in allen Konflikten weltweit den russischen Modellen als überlegen erwiesen haben.

Nein, es sind Fragen der Logistik, die schon immer kriegsentscheidend waren. Deutschland hat den 2. Weltkrieg (Gottseidank) nicht verloren, weil seine Waffensystem nicht überlegen waren, denn das waren sie, sondern weil Deutschland in Sachen Massenproduktion und vor allem Logistik unterlagen war. Und das trotz Umstellung der Wirtschaft auf eine Kriegswirtschaft.

Nun sind wir davon sicher noch weit entfernt, müssen aber realisieren, dass Kriege in Europa wieder wahrscheinlicher geworden sind. Und dies hat Auswirkungen auf logistische Anforderungen. In der Ukraine verschiesst die Artillerie die Munition schneller, als sie geliefert werden kann.

Der Einmarsch Russlands in die Ukraine am 24. Februar 2022 war für einen großen Teil der Welt, nicht zuletzt für Westeuropa, ein Weckruf und die Erkenntnis, dass ein hochintensiver Krieg in Europa weniger unwahrscheinlich ist, als man bisher angenommen hatte. Diese Erkenntnis hat zu einem intensiven Nachdenken über die Finanzierung von Streitkräften und die militärische Einsatzbereitschaft geführt. Ein erheblicher Teil dieser Diskussion galt der Logistik. Konkret der Munitionsproduktion und -versorgung im Krieg, worauf auch dieser Beitrag eingehen. Dabei gilt zu bedenken, dass die im Beitrag aufgeführten Argumente auch auf allen anderen Versorgungsgüter – von Ersatzteilen für Gefechtsfahrzeuge bis zum Toilettenpapier für die Truppe – übertragbar sind, auch wenn sich der vorliegende Artikel auf die Thematik der Munitionslogistik konzentriert.

"Game"-Changer HIMARS


Ein Großteil der vergangenen und aktuellen Diskussionen über die Munitionslogistik beschränkt sich auf Lagerbestände. Häufig anzutreffende Fragen sind: Wie viel von welcher Art von Munition benötigen die NATO und die Staaten, um für einen möglichen Krieg in Europa gerüstet zu sein? Und wie sieht es mit der Versorgungssicherheit aus, d.h. wie kann diese Munition unter Berücksichtigung der europäischen (und weltweiten) Kapazitäten der Verteidigungsindustrie und der Lagerbestände der verbündeten Staaten nachbeschafft werden?

Zur Beantwortung dieser Fragen spielen drei Faktoren eine wesentliche Rolle: Die vorhandenen Bestände (wie viel haben wir derzeit auf Lager), die erwartete Verbrauchsrate im Kriegsfall (wie viel brauchen wir pro Tag/Woche/Monat) und in welchem Tempo können wir mit Nachschub aus der Industrie oder von verbündeten Nationen rechnen?

Wie in einem vorhergehenden Artikel („Munitionsproduktion für Handwaffen im postnuklearen Zeitalter“ von Scott E. Willason und Thomas L. Nielsen, veröffentlicht im Wehrtechnischen Report Soldat & Technik 2023) dargelegt, haben viele Nationen nach dem Ende des Kalten Krieges die nationale Munitionsproduktion aufgegeben, da der erheblich geringere Bedarf an Munition eine nationale Produktion als unwirtschaftlich erscheinen ließ. Der „Trickle-Down“-Effekt für die europäische Munitionsindustrie war ein Mangel an Entwicklung, Erweiterung und Aufrechterhaltung von Fähigkeiten aufgrund des reduzierten Kundenstamms (zum Teil auch aufgrund relativ restriktiver europäischer Exportkontrollgesetze, die den Export beschränkten). Wenn die europäische Munitionsproduktion nicht wiederbelebt wird, und zwar sowohl in Bezug auf die Kapazitäten als auch auf die Fähigkeiten, wird dies den dritten oben genannten Faktor (Nachschub aus der Industrie) ernsthaft beeinträchtigen. Gleichzeitig und aus denselben Gründen wird die Versorgung durch verbündete Staaten immer unwahrscheinlicher, insbesondere im Falle eines größeren Krieges, da die genannten verbündeten Staaten a) ihre nationalen Bestände ebenfalls reduziert haben und b) diese Bestände nun selbst dringend benötigen. Damit gewinnt die Frage nach dem aktuellen Umfang und dem künftigen Bedarf an nationalen Beständen an Bedeutung.

Die NATO selbst hat sich bereits seit Jahren vor der Invasion in der Ukraine darum bemüht, die Frage der Lagerbestände durch die Arbeit ihres „Stockpile Planning Committee“ (SPC) in einen formelleren Rahmen zu stellen. Das SPC hat sich um die Formalisierung und Harmonisierung der Versorgungs- und Vorratsplanung bemüht, um zumindest ein gewisses Maß an Übereinstimmung in der Frage zu erzielen, wie zu bestimmen ist, was eine „ausreichende“ Vorratsmenge ist, wie diese Menge aussieht und wie sie am besten erreicht werden kann.

Die Höhe der Lagerbestände ist zwar ein wesentlicher Bestandteil jeglicher Diskussionen und Planungen im Bereich der Munitionslogistik, aber sie ist nicht das A und O. Man könnte sogar argumentieren, wie es in diesem Artikel getan wird, dass die oben genannten Fragen der Lagerbestände und der Versorgungssicherheit die letzten Fragen sind, die wir stellen müssen, so wichtig sie auch sind.

Das Argument ist, dass ein Großteil der vergangenen und aktuellen logistischen Planung das Thema sozusagen „vom falschen Ende her“ betrachtet hat. Wir sollten dort ansetzen, wo die Munition gebraucht wird: An der Front.

Die Front

Es dürfte niemanden überraschen, dass an der vordersten Front Munition für Artillerie, Infanterie, Panzer, Flugabwehr und eine Vielzahl anderer Waffensysteme benötigt wird. Die Erfahrungen aus dem Krieg in der Ukraine haben die Bedeutung der Rohr- und Raketenartillerie noch einmal deutlich gemacht, so dass wir sie im Folgenden als Beispiel heranziehen werden.

Aus ukrainischen Daten geht hervor, dass der Verbrauch von Rohrartilleriemunition während schwerer, schneller Kämpfe bei etwa 300-400 Schuss pro Rohr und Tag lag.

Im Gegensatz dazu enthält der alte US-amerikanische Vorschrift FM 101-10-1/2 „STAFF OFFICERS‘ FIELD MANUAL; ORGANIZATIONAL, TECHNICAL, AND LOGISTICAL DATA PLANNING FACTORS“ andere Planungsdaten für Munitionsmengen, wobei zu betonen ist, dass dieses Feldhandbuch von den US-Streitkräften nicht mehr für die Logistikplanung verwendet wird. Abgesehen davon enthält die Tabelle P-16 des Handbuchs Munitionsmengen pro Waffe (Plattform) und Tag für Planungszwecke. Für die 155-mm-Haubitze M109, die Teil einer mechanisierten Division ist, beträgt die Basismenge in der Operationsart Verteidigung 203 Schuss pro Haubitze für den ersten Kampftag und 207 Schuss pro Tag für die darauffolgenden Tage.

Obwohl die US-Mengen niedriger sind als die in der Ukraine beobachteten, sollte berücksichtigt werden, dass die sowjetische (und vermutlich auch die heutige russische und ukrainische) Militärdoktrin extrem „artillerielastig“ war und ist. In der sowjetischen Doktrin war die Artillerie das wichtigste Mittel zur Vernichtung des Feindes, wobei Infanterie und Panzer die Artillerie bei dieser Aufgabe unterstützten, indem sie feindliche Einheiten angriffen und „festsetzten“, so dass sie von der Raketen- und Rohrartillerie angegriffen und zerstört werden konnten. Dies ist in vielerlei Hinsicht das Gegenteil der westlichen/NATO-Doktrin, bei der die Artillerie zur Unterstützung von Infanterie und Panzern eingesetzt wird, während letztere den Feind bekämpfen und vernichten. Naturgemäß wird die sowjetische/russische/ukrainische Doktrin daher zu einem höheren Verbrauch an Artilleriemunition führen.

Die hier vorgelegten Zahlen sollten daher nur als Mittel zur Veranschaulichung der in diesem Artikel dargelegten Punkte betrachtet werden – nicht als realistischer Versuch, den tatsächlichen Verbrauch oder den Bedarf an Lagerbeständen zu berechnen oder vorherzusagen. Auch wenn westliche/NATO-Waffensysteme ihren russischen Pendants in Bezug auf Reichweite, Genauigkeit und Wirkung im Allgemeinen qualitativ überlegen sind, kann davon ausgegangen werden, dass die von einer westlichen/NATO-Streitmacht nicht verbrauchte Artilleriemunition trotzdem verbraucht wird, nur in Form einer anderen Munitionsart (Flugzeugbomben, Panzergeschosse oder andere), so dass der logistische Aufwand mehr oder weniger gleich bleibt.

Außerdem beziehen sich die Zahlen aus dem Ukraine-Krieg speziell auf schwere und hochintensive Gefechte, was nicht jeden Tag und an jedem Frontabschnitt der Fall sein wird.

Nebenbei bemerkt und als zweiter Kontrapunkt zeigen die Erfahrungen der USA mit den Munitionsverbräuchen während der Operationen „Desert Storm“ und „Iraqi Freedom“, dass die Munitionsverbräuche deutlich unter dem liegen, was gemäß FM 101-10-1/2 vorgesehen war (dies ist einer der Gründe, warum der FM nicht mehr für die logistische Planung verwendet wird).

Aber selbst unter Berücksichtigung dieser Vorbehalte hat der Krieg in der Ukraine zwischen zwei nahezu gleichwertigen Gegnern deutlich gezeigt, dass erhebliche Mengen an Munition benötigt werden. Und diese Munition muss irgendwoher kommen.

Die dänische Regierung hat beschlossen, die erst im Zulauf befindlichen 8×8-Radhaubitzen vom Typ CAESAR nicht weiter wie geplant in die dänischen Streitkräfte einzuführen, sondern alle bereits ausgelieferten und noch anstehenden Systeme an die Ukraine zu spenden. 


Am Beispiel eines der kleineren NATO-Staaten hat Dänemark vor wenigen Jahren 19 CAESAR-Haubitzen des französischen Rüstungskonzerns Nexter erworben, die mittlerweile alle an die Ukraine verschenkt wurden. Wenn wir den niedrigeren Verbrauchswert der Ukraine zugrunde legen, benötigt jede Haubitze bei schweren Kämpfen 300 Schuss pro Tag, was insgesamt 5.700 Schuss Artilleriemunition (Granaten, Treibladungen, Zünder und Zündmittel) pro Tag ausmacht. Wiederholen wir das einfach: Fünftausendsiebenhundert vollständige Schüsse. Pro Tag. Und das ist nur die Berechnung für eine der kleineren NATO-Nationen.

Frontnahe Munitionsversorgung

Die Versorgung der Front mit Munition erfolgt in der Regel von temporären oder semi-permanenten Versorgungspunkten im rückwärtigen Bereich, oder einer Reihe von ihnen. Wie die Erfahrungen in der Ukraine gezeigt haben, müssen diese nahe genug an der Frontlinie liegen, um die dortigen Waffensysteme und Soldaten zuverlässig und rechtzeitig versorgen zu können, gleichzeitig aber weit genug von der Frontlinie entfernt sein, um hoffentlich nicht für den Großteil der feindlichen Waffensysteme erreichbar zu sein.

Diese Situation deutet auch stark darauf hin, dass der Transport der Munition von diesen rückwärtigen Versorgungspunkten zu den Waffensystemen, die sie benötigen, zumindest teilweise Gebiete durchqueren muss, die in Reichweite feindlicher Waffen liegen, sowohl unter direktem als auch indirektem Beschuss. Dies kann nicht nur eine unmittelbare Gefahr für die Transporte selbst darstellen, sondern auch bedeuten, dass ein Großteil der Infrastruktur in diesem Gebiet teilweise oder vollständig zerstört wurde. Dies bedeutet auch, dass die Transportmittel geschützt (gepanzert) und geländegängig sein müssen.

Wechselladersysteme wie der MULTI erleichtern die frontnahe Munitionsversorgung. 


Eine schnelle Überschlagsrechnung zeigt, dass ein geschützter geländegängiger Lkw mit einer Kapazität von 15 t ca. 225 komplette Geschosse für 155-mm-Haubitzen (Granaten, Treibladungen, Zünder und Zündkapseln) transportieren kann. Um beim Beispiel der dänischen Artillerie zu bleiben, bedeutet dies, dass wir bei schweren Kämpfen 25 LKW-Ladungen Artilleriemunition pro Tag benötigen. Verfügt die Nation(en) über diese Transportkapazität und -fähigkeit, die ausschließlich der Artillerie zur Verfügung stehen? Wenn nicht, ist es zumindest für den akuten Gefechtstag unerheblich, wie viel Munition in den nationalen Lagerbeständen vorhanden ist.

Nachschub für die rückwärtigen Versorgungspunkte

Damit die rückwärtigen Versorgungspunkte die an der Front kämpfende Truppe mit je 20 LKW-Ladungen Rohrartilleriemunition pro Tag versorgen können, muss diese Munition natürlich dort vorhanden sein. Das bedeutet, dass die erforderlichen Munitionsmengen zu den rückwärtigen Versorgungspunkten transportiert werden müssen, in der Regel aus nationalen Lagereinrichtungen und Depots.

Der Transport der Munition aus den nationalen Lagern zu dem/den rückwärtigen Versorgungspunkt(en) wird in den meisten Fällen mit „nichtmilitärischen“ Transportmitteln durchgeführt, d. h. selbst wenn die Transporte von den Streitkräften durchgeführt werden, werden die eigentlichen Transportmittel höchstwahrscheinlich zivile Lastwagen oder Züge und bei größeren Mengen über längere Entfernungen auch Containerschiffe sein. In vielen Situationen wird dieser Teil des logistischen Transports außerhalb der Reichweite feindlicher Waffen stattfinden. Dennoch kann er durch feindliche Luftangriffe oder – beim Seetransport – durch feindliche Kriegsschiffe, einschließlich U-Boote, gefährdet werden. In den letzten beiden großen Kriegen in Europa erforderte der Versuch, feindliche Lieferungen während des Seetransports (über den Atlantik oder den Ärmelkanal) abzufangen und zu verhindern, dass sie abgefangen werden, erhebliche Anstrengungen auf allen Seiten des Konflikts (im Zweiten Weltkrieg gingen beispielsweise 3.500 alliierte Handelsschiffe, 175 alliierte Kriegsschiffe, 783 deutsche U-Boote und 47 deutsche Kriegsschiffe direkt oder indirekt durch diese Anstrengungen verloren).

Obwohl sich die heutige Kriegsführung in vielerlei Hinsicht von der des Zweiten Weltkriegs unterscheidet, insbesondere im Hinblick auf die Verbreitung von Präzisionswaffen mit großer Reichweite, können dennoch einige Parallelen gezogen werden, einschließlich der Frage, ob die oben genannten Transporte von den nationalen Lagern zu den Nachschubstellen im rückwärtigen Bereich eskortiert werden müssen, sei es auf See, in der Luft oder an Land.

Wie bereits erwähnt, ist es unerheblich, wie viel Munition in den nationalen Beständen vorhanden ist, wenn die betreffende(n) Nation(en) nicht über die Fähigkeit und Kapazität verfügt (verfügen), die Versorgung der Versorgungspunkte im rückwärtigen Bereich aus den nationalen Lagern aufrechtzuerhalten, gegebenenfalls einschließlich der Fähigkeit und Kapazität, diese Versorgungstransporte zu eskortieren.

Für den Transport vom Depot an die Versorgungspunkte im rückwertigen Raum des Kampfgebietes ist oftmals der Rückgriff auf zivile Transportkapazitäten notwendig. 


Um beim Beispiel Dänemarks zu bleiben: Die dänische Marine verfügt derzeit nur über ein einziges spezielles Transportschiff, die HDMS Sleipner (benannt nach dem achtbeinigen Pferd des nordischen Gottes Odin). Die Sleipner hat eine Ladekapazität von 150 Tonnen. Eine grobe Berechnung zeigt, dass dies etwa 2.300 kompletten 155-mm-Artilleriegeschossen entspricht (wenn diese in den Frachtraum der Sleipner passen würden, was nicht bekannt ist). Wie unsere obigen Berechnungen zeigen, entspricht dies etwa 40 Prozent des geschätzten Tagesbedarfs an 155-mm-Munition! Die HDMS Absalon und Esbern Snare, die ursprünglich als „Flexible Support Ships“ in Dienst gestellt wurden, verfügen zweifellos über eine größere Ladekapazität sowie über Selbstverteidigungsfähigkeiten, doch wurden beide Schiffe im Jahr 2020 zu U-Boot-Fregatten umklassifiziert, und es ist höchst unwahrscheinlich, dass die dänische Marine eines oder beide dieser Schiffe von der U-Boot-Jagd abziehen würde, um sie als Transportschiffe einzusetzen. Die dänische Marine und andere haben natürlich die Möglichkeit, zusätzliche Transportkapazitäten von zivilen Schifffahrtsunternehmen zu mieten, und in vielen Fällen bestehen bereits Vereinbarungen für diesen Fall, aber das ändert nichts an der Tatsache, dass die Kapazitäten für diese Transporte vorhanden sein müssen, einschließlich der Kapazität, sie bei Bedarf zu eskortieren.

Der Platzbedarf

Nachdem wir nun die logistische Kette von der Front zurückverfolgt haben, befinden wir uns wieder zu Hause, bei den nationalen Lagereinrichtungen, sofern diese überhaupt existieren.

Im Rahmen des allgemeinen Truppenabbaus am Ende des Kalten Krieges haben viele Staaten ihre nationalen Munitionsbestände erheblich reduziert, entweder durch Demilitarisierung und Entsorgung oder durch Verwendung für Ausbildungszwecke. Infolgedessen standen viele Lagereinrichtungen leer, und um keine Haushaltsmittel für die Instandhaltung leerer Strukturen auszugeben, wurden viele dieser Einrichtungen stillgelegt. Im konkreten Fall der Munitionslager bedeutete dies auch, dass die um die Lager herum eingerichteten Sicherheitszonen, in denen das Bauen verboten war, um Mindestabstände zu den Munitionslagern einzuhalten, für die Bebauung geöffnet wurden und neue zivile Gebäude entstanden.

Das bedeutet, dass in vielen Fällen, selbst wenn die Infrastruktur des Lagers (Bunker, Bürogebäude, Straßen usw.) noch in brauchbarem Zustand vorhanden ist, es nicht einfach als Munitionslager wieder in Betrieb genommen werden kann, da die zivile Infrastruktur im Laufe der Jahre zugewachsen ist und die Sicherheitsabstände zur zivilen Infrastruktur folglich nicht eingehalten werden können.

Um ausreichend Munition lagern zu können (was natürlich stark von der Definition des Begriffs „ausreichend“ abhängt), müssen daher mit ziemlicher Sicherheit neue nationale Lagereinrichtungen mehr oder weniger von Grund auf gebaut werden.

In der „guten alten Zeit“ wurde als Richtwert für die Vorräte regelmäßig ein Vorrat von 30 Tagen genannt. Am Beispiel Dänemarks haben wir oben errechnet, dass für schwere Kämpfe etwa 5.700 Schuss Rohrartilleriemunition pro Tag benötigt würden. Wie bereits erwähnt, wird nicht jeder der 30 Tage ein „hochintensiver Kampf“ sein, aber dies sollte dennoch berücksichtigt werden.

Nehmen wir als Rechenbeispiel an, dass von den oben genannten 30 Tagen 10 Tage mit schweren Kampfhandlungen verbunden sind und für die restlichen 20 Tage nur 10 Prozent (570 Schuss pro Tag) der „schweren Kampftage“ benötigt werden, so ergibt sich für 30 Tage ein Gesamtbedarf an Artilleriemunition (Granaten, Treibladungen, Zünder und Zündhütchen) von 68.400 Schuss.

In einem Munitionslagerhaus der Bundeswehr werden die Artilleriegeschosse vor dem Weitertransport sicher gelagert. Insgesamt passen in so ein geschütztes Lagerhaus über 300 Geschosse mit einer Gesamtmasse von über 240 Tonnen.


Eine weitere grobe Berechnung ergibt, dass dafür etwa 2.000 m² Lagerfläche benötigt werden; dabei ist der Sicherheitsbereich um das Depot noch nicht berücksichtigt, in dem für hochexplosive Munition leicht ein Radius von 600 bis 1.000 m oder mehr erforderlich sein könnte.

Sind die Kapazitäten auf nationaler Ebene vorhanden, um die erforderlichen Munitionsmengen zu lagern? Und wenn nicht, wie schnell und zu welchen Kosten kann sie entwickelt werden?

Selbst wenn eine kleine NATO-Nation wie Dänemark die Mittel aufbrächte, um 68.400 komplette Schuss 155-mm-Artilleriemunition in Auftrag zu geben, würde dies nicht viel nützen, wenn keine Munitionslager zur Verfügung stünden, die diese Munition aufnehmen könnten. Und wir haben an dieser Stelle noch gar nicht über die Ressourcen gesprochen, die für die Wartung der Munition, die regelmäßige Entnahme von Proben der Treibladungen zur Überprüfung der Alterung, das Röntgen von Proben der HE-Granaten zur Überprüfung auf Risse und Hohlräume im Sprengstoff oder die Durchführung regelmäßiger Testschüsse erforderlich sind.

Schlussfolgerung

Um auf den ersten Absatz zurückzukommen: Bei den gegenwärtigen Diskussionen in der NATO und in den Staaten über die militärische Einsatzbereitschaft und die militärischen Fähigkeiten geht es bei der Erörterung von Munition in erster Linie um Lagerbestände und erforderliche Mengen. In diesem Artikel wird darauf hingewiesen, dass Diskussionen und Berechnungen von Munitionsmengen und Lagerbeständen durchaus relevant sind, aber sie müssen von einer Planung begleitet werden, die sicherstellt, dass die NATO und die Staaten auch über folgende Voraussetzungen verfügen:die erforderlichen Kapazitäten zur Lagerung der Munition auf nationaler Ebene die erforderlichen Kapazitäten für den Transport der Munition von den nationalen Lagern zu den Versorgungspunkten in den rückwärtigen Kampfgebieten die erforderlichen Kapazitäten für den Transport der Munition von den rückwärtigen Versorgungspunkten zu den Soldaten und Waffensystemen, die sie benötigen.

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