von Thomas Heck...
Ich hatte schon nicht mehr damit gerechnet, dass die Berliner Wiederholungswahl stattfinden kann, weil die Klage von Abgeordneten der Berliner Regierungsparteien beim Bundesverfassungsgericht mit einem Eilantrag die Wiederholungswahl stoppen wollten. Da hatten es sich einige schon auf ihren hochdotierten Abgeordnetensitzen ziemlich bequem gemacht. Eine höchst lästige Neuwahl, die vielleicht noch die Machtverhältnisse in der Staat ändern könnte, passte da so gar nicht ins Konzept. Der Wähler sollte also bei seiner Stimmabgabe vielleicht mit berücksichtigen, welche Abgeordneten des Berliner Abgeordnetenhauses welcher Fraktion an der Klage beteiligt waren: SPD, Linkspartei, Grüne.
Nun hat das Bundesverfassungsgericht für die Berliner Wiederholungswahl grünes Licht gegeben. Unter Vorbehalt. Was in einem Nebensatz fast unterging ist nicht ohne politische Brisanz. Denn nur dem Eilantrag wurde nicht stattgegeben, die Verfassungsbeschwerde bleibt weiterhin bei Gericht anhängig. Der zuständige Senat beim Bundesverfassungsgericht wird nach der Wahl eine endgültige Entscheidung treffen. Ein Schelm der Böses dabei denkt, öffnet es doch einer nachträglichen Manipulation der Wahl Tür und Tor. Es ist davon auszugehen, dass der Wahlausgang sehr wohl Einfluss auf das Gericht haben wird. Wird rot-rot-grün bestätigt, wird wohl die Klage abgewiesen werden. Doch man stelle sich nur vor, eine AfD würde, rein theoretisch, die Wahl für sich entscheiden. Glaubt hier irgendjemand ernsthaft, auch in diesem Fall würde die Wahl Bestand haben? Ich bin überzeugt, das Gericht würde der Klage dann stattgeben. Vielleicht kann deswegen eine Bettina Jarasch von den Grünen eine "Kamikaze-Wahlkampf" führen, wie es der Berliner Kurier formulierte, weil sie weiß, dass es mit Unterstützung des Bundesverfassungsgericht schon gutgehen wird. Was wie ein schlechte Verschwörungstheorie klingt, könnte jedoch morgen schon Wahrheit werden.
Wie dem auch sei. Letztlich hat man der Demokratie einen Bärendienst erwiesen. Gerade in einer Zeit, wo das Vertrauen der Bürger in die demokratischen Institutionen des Staates tief erschüttert ist, ist das Offenhalten einer Hintertür für Korrekturen nach der Wahl, und über nichts anderes reden wir hier, einer Demokratie unwürdig. Hätte ich nicht bereits meine Stimme abgegeben, würde ich mir den Gang zur Wahlurne am Wahltag ersparen. Und so werden viel denken. Allein deshalb muss man am klaren Verstand des Bundesverfassungsgerichts zweifeln. Wie konnten die nur eine so unkluge Entscheidung treffen?
Die Diskussionen um die Wiederholung der Abgeordnetenhauswahl könnten nach Einschätzung der Berliner Politologin Julia Reuschenbach das Vertrauen in die Demokratie beeinträchtigen. Die Begleitumstände seien geeignet, Wählerinnen und Wähler zu verunsichern, zu irritieren und womöglich nicht nur von der Wahl abzuhalten, sondern auch das Vertrauen in die Demokratie und ihre Institutionen zu beschädigen, sagte Reuschenbach am Mittwoch im RBB-Inforadio. Die Politologin von der Freien Universität Berlin rechnet damit, dass die Wahlbeteiligung am 12. Februar in jedem Fall niedriger sein wird als 2021, schon weil es diesmal parallel keine Bundestagswahl gibt.
Aber auch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom Dienstag, keine Verschiebung der Wahl anzuordnen und erst hinterher genau zu prüfen, ob die komplette Wiederholung der Pannen-Wahl von 2021 verfassungsgemäß war, könne Folgen haben. Es könne gut sein, dass jetzt einige der Wahl auch wegen der Restunsicherheit fernblieben, dass die Wahl trotzdem am Ende nicht zählen könnte, sagte Reuschenbach. Gerade junge Menschen, die 2021 das erste Mal gewählt hätten und jetzt gleich ein zweites Mal wählen gehen dürften, seien womöglich irritiert davon.
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