Mittwoch, 14. April 2021

Muslime sind in Deutschland gleicher als andere...

von Thomas Heck...

Während die Regierung Merkel nochmal schnell die Zügel anzieht und dazu die Grenzen der Verfassung austestet, ist man im Umgang mit Migranten seltsam freizügig. Hier wird ganz offen mit zweierlei Maß gemessen. Mich wunderte ja schon vorher, dass der Lockdown nicht so wie letztes Jahr pünktlich zum Ramadan aufgehoben wurde. Dieses Jahr ist es etwas anders, dann aber doch nicht so anders, denn dafür wurde gesorgt.



Nachdem die besondere Gefährdung von Migranten in der Pandemie offenbar realisiert wurde, hat Jens Spahns Gesundheitsministerium einen Informationskanal speziell für Migranten ins Leben gerufen. Derweil sorgt ein Brief an Moscheegemeinden im Kreis Groß-Gerau für Aufregung.

Im Netz geht gerade ein Leak eines amtlichen Schreibens aus dem Büro für Integration des Landkreises Groß-Gerau viral. Dieses Schreiben, das TE vorliegt, ist auch deshalb so aufmerksamkeitsstark, weil hier Moscheegemeinden angesprochen wurden, um ihnen mitzuteilen, dass Corona-bedingte nächtliche Ausgangssperren nicht für die Teilnahme an Gottesdiensten zu besonderen religiösen Anlässen gelten.

Weiter empfiehlt dieses Schreiben, dass Gebetsteilnehmer eine Art religiösen Nachweis bei sich tragen sollen, „falls Kontrollen stattfinden“.

Kurios: Besagtes Büro für Integration empfiehlt den Imamen und Moscheen, selbst entsprechende Ausweise („eine Art Teilnahmekarten oder – bescheinigungen“) anzufertigen. Die Integrationsbeauftragte fordert die Imame weiter dazu auf, doch bitte mit den Gläubigen die Corona-Maßnahmen zu besprechen: „Zudem möchten wir noch einmal an Sie als Multiplikator*innen appellieren“. Hier hätte sie auch auf jene Imame aus Nordafrika erinnern können, die Corona für eine Strafe Gottes für die Ungläubigen halten und diese Botschaft weltweit verbreiten oder schon verbreitet haben (vgl. hier und hier). Groß-Gerau bietet den Moscheen in besagtem Schreiben abschließend noch kostenlose Tests vor den gemeinsamen Gottesdiensten an.

Warum ist das überhaupt besorgniserregend? Weil Migranten und Menschen mit Migrationshintergrund – das sind in Deutschland zu einem großen Teil Muslime – im Zusammenhang mit Corona überproportional die Intensivplätze in Krankenhäusern belegen. Die Gründe dafür kann man ansatzweise benennen: beengter Wohnraum, ausgeprägte Familienstrukturen und Kinderreichtum zum Beispiel. So berichtete das Familienministerium, dass „die 5,1 Millionen Kinder in Familien mit Migrationshintergrund (…) einen Anteil von 39 Prozent an allen Kindern“ ausmachen würden. Kinder mit überwiegend muslimisch-religiösem Hintergrund. Und weil diese Familien überproportional über eher bescheidene finanzielle Mittel verfügen, sind auch die Wohnungen oft beengter, ergo das gegenseitige Infektionsrisiko erhöht.

Die Suche nach Erklärungen sollte auch beim Bildungsniveau nicht halt machen. Denn auch das ist im Vergleich zur nicht eingewanderten Bevölkerung unterdurchschnittlich. So stellte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge fest: „Ausländische Schüler gehen seltener auf Realschulen oder Gymnasien als deutsche, dafür aber deutlich häufiger auf Hauptschulen und auf Förderschulen.“

Wie tabuisiert die Tatsache ist, dass Migranten auf Intensivstationen im Zusammenhang mit Corona-Infektionen überproportional vertreten sind, wie auch der Focus am Beispiel einer Kölner meldete, zeigte auch ein Übergriff auf die TE-Redaktion seitens des Portals Correctiv, dessen Macher von sich behaupten, Fakten zu prüfen und diese umstrittene Behauptung zum Geschäftsmodell erhoben haben. TE hat am 3.3.2021 berichtet:

„Lange dauerte es, bis die hochbrisante Nachricht aus einer Schaltkonferenz des RKI-Chefs mit Chefärzten an die Öffentlichkeit durchsickerte: Über 90 Prozent der Corona-Intensivpatienten sollen in einer Lungenklinik Migrationshintergrund haben, bundesweit weit über 50 Prozent.“ Quelle war eine Gesprächsrunde mit RKI-Chef Lothar Wieler, über die Bild zuerst berichtete. Offenbar, das soll aus dieser Runde mit Chefärzten hervorgegangen sein, werde der extrem hohe Anteil von Migranten an Corona-Patienten „in der Bundesregierung als Tabu empfunden“.

TE-Herausgeber Roland Tichy schrieb dazu: „Auch die Frage nach dem „Warum“ soll in der hochkarätigen Medizinerrunde diskutiert worden sein: Die Bundesregierung hätte Angst vor einer Rassismus-Debatte. Daher hätte man auch eine intensive Informationskampagne für Migranten unterlassen, um das zu unterbinden. Allerdings mit verheerenden wirtschaftlichen wie auch gesundheitlichen Folgen für Migranten und die Bevölkerung insgesamt.“ TE berief sich auf ein Gespräch, das tatsächlich stattgefunden hatte, vom Chef des RKI im Nachgang nicht geleugnet wurde und sich mit der Frage befasste, warum überproportional viele Migranten wegen Corona auf Intensivstationen liegen.

Jetzt geht Spahn in die Migranten-Aufklärungsoffensive

Weil nun aber spätestens nach der Focus-Meldung, die die Meldungen von TE stützt, die überproportionale Belegung von Intensivbetten durch COVID-kranke Migranten nicht mehr bestritten wird, geht Jens Spahn für die Bundesregierung und sein Gesundheitsministerium jetzt doch in die Offensive. Die in der geleakten Medizinerrunde geäußerte Angst der Bundesregierung vor dem Rassismus-Anwurf will Spahn augenscheinlich nicht mehr so stehen lassen.

Jens Spahn retweetet daher eine Meldung aus seinem Hause, die von einer neuen Kampagne der Aufklärung für Menschen mit Migrationshintergrund erzählt. Im Mittelpunkt steht ein Video-Format namens „Faktenlage“, welches in verschiedenen Sprachen „zu aktuellen relevanten #Corona-Themen, wie z.B. der #Impfkampagne oder dem #Testen“ unterrichten will. Auch „kuriose Falschmeldungen“ will man sich vornehmen. Hoffentlich auch jene über Corona als Strafe Gottes, welche Imame weltweit verbreitet haben.
Moderiert wird dieses neue Format für das Gesundheitsamt übrigens von Düzen Tekkal. Sie ist kurdische Jezidin und wie Tomas Spahn einmal für TE befand: „eine bemerkenswerte Frau.

Bemerkenswert ist allerdings auch, was Tekkal für das Gesundheitsministerium im Trailer/Opener für das neue Format „Faktenlage“ erzählt. Hier im O-Ton (in der deutschsprachigen Version) wiedergegeben:

„Deutschland ist ein Einwanderungsland. Und das nicht erst seit gestern. Eine pluralistische Gesellschaft, in der viele Sprachen gesprochen werden. Bund und Länder tun viel, um die Bevölkerung mit aktuellen verlässliche Informationen über Covid-19 und die Impfstrategie zu versorgen. Diese Informationen scheinen aber nicht alle Bevölkerungsgruppen im gleichen Maße zu erreichen. Denn es finden sich viele Migrantinnen und Migranten, die auf Intensivstationen mit schweren Krankheitssysmptomen eingeliefert werden. Aber wir sollten uns davor hüten, sie zu den Sündenböcken in der Pandemie zu machen.“

Viele Migranten, so Düzen Tekkal weiter, würden in Berufen arbeiten, bei denen es schwierig sei, Abstände einzuhalten.

Nichtsdestotrotz – und damit kommen wir zum Eingangs beschriebenen Brief an die Moscheegemeinden in Groß-Gerau zurück – halten Kommunen (wenn man davon ausgeht, dass Groß-Gerau kein Einzelfall ist) daran fest, den Moscheen ihre Zusammenkünfte nicht zu verhageln. Das wurde, nachdem der Brief in den sozialen Medien kursierte, als „als Sonderregelung für Muslime missverstanden“. Missverstanden?

Es ist eigentlich naheliegend, dies so zu verstehen, wenn gleichzeitig sehr viele kleine christliche Kirchen in der Provinz Zettelchen an ihre Pforten genagelt haben, dass aus Mangel an Personal zur Überwachung der Corona-Bestimungen die Kirche leider bis auf weiteres geschlossen bleiben müssen, beziehungsweise die Kirchen ausgerechnet an Ostern, dem höchsten Fest der Christen, auf Präsenzgottesdienste weitestgehend verzichten und stattdessen die EKD für „Ostern von zuhause“ wirbt und Gottesdienste als Livestream übertragen werden.

Gegenüber der FAZ sagte eine Sprecherin aus Groß-Gerau nun, mit dem Brief an die Moscheegemeinden setze der Kreis nur die gültige Allgemeinverfügung um, in der die „Teilnahme an Gottesdiensten zu besonderen religiösen Anlässen“ ausdrücklich als Ausnahme zur nächtlichen Ausgangssperre aufgeführt werde. Diese Regelung, heißt es weiter, „habe natürlich auch am christlichen Osterfest gegolten, allerdings hatten Kirchengemeinden auf nächtliche Gottesdienste verzichtet. Mit der Regelung werde der durch das Grundrecht geschützten Religionsfreiheit Rechnung getragen und keinesfalls eine Sondererlaubnis für eine Religionsgemeinschaft gewährt, so die Sprecherin.“

Die Integrationsbeauftragte von Groß-Gerau schreibt daher: „Wenn wir ein Gleichgewicht zwischen unserem sozialen Leben und den Maßnahmen finden, uns an die Reglen halten, könne wir die Pandemie erfolgreich bekämpfen. Lassen Sie uns gemeinsam handeln.“ Das ist mitreißend und motivierend aufgeschrieben. Sicher werden viele Imame diese Bitte in ihre Gebete vor versammelter Gemeinschaft mit aufnehmen. Vielleicht mögen Muslime einmal für TE berichten, wie solche Appelle in den Gemeinden ankommen, oder auch, was die so Angesprochenen von den Aufklärungsvideos aus dem Hause von Gesundheitsminister Spahn halten.



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