Samstag, 10. April 2021

Warum nicht mal ein Lockdown an den EU-Außengrenzen?

von Thomas Heck...

Während Deutschland der dritten Welle der Corona-Pandemie entgegentaumelt und Kanzlerin Merkel überlegt, wie sie den Föderalismus aushebeln kann, um endlich selbst alles regeln zu können, ohne die lästigen Bundesländer beteiligen zu müssen, ist an einer anderen Front alles beim Alten. Business as Usual an der Flüchtlingsfront. Da läuft alles trotz Corona überraschend rund.


Rund 100.000 Menschen haben in diesem Jahr bereits einen Asylantrag in der EU gestellt, die große Mehrheit ist illegal nach Europa gekommen. Trotz Corona-Krise arbeiten organisierte Schleuserbanden mit Hochdruck weiter. Und sie werden immer dreister. Manchmal sind sogar Polizisten aus EU-Ländern Teil der korrupten Netzwerke – wie in Italien. Das geht jedenfalls aus vertraulichen Lageberichten der EU-Kommission hervor, die WELT vorliegen.

Wie gehen die Kriminellen genau vor? Lesen Sie hier einige aktuelle Fälle zur Schleuserkriminalität in Europa aus den Monaten Februar und März:

Am 26. Februar entdeckten spanische Polizisten im Hafen von Melilla 41 illegale Migranten. Sie waren zumeist in Altglascontainern versteckt, die verschifft werden sollten. Den Polizisten war in einem der Container ein großer versiegelter Sack mit der Aufschrift „Giftige Asche“ aufgefallen. Sie öffneten den Sack und fanden darin einen Migranten. Anschließend durchsuchten die Polizisten die Altglascontainer und setzten dabei Suchhunde und Spezialmikrofone ein, die Herzschläge aufspüren konnten.

Immer häufiger bieten Schmuggler ihre Dienste auch öffentlich in sozialen Netzwerken an. So entdeckte die europäische Polizeibehörde Europol Ende Februar Annoncen auf Facebook, in denen Schleuser eine Route über Serbien nach Rumänien und anschließend Österreich offerierten. Konkret beinhaltet das Angebot eine Übernachtung, meistens in Budapest, und eine Schleuserbegleitung zu Fuß und mit Autos entlang der Route Szeged-Budapest-Wien. Die Buchung verlief über WhatsApp oder IMO-Chat, als Kontakt fungierte eine schwedische Nummer.

Ein neuer Trend: Angesichts der Corona-Pandemie ist der Transport in Privatwagen wegen häufigerer Kontrollen gefährlicher geworden. Darum steigen die Schmuggler verstärkt auf große Güterlastwagen um, die viele Migranten transportieren können und seltener kontrolliert werden. Mitte März hielten rumänische Polizisten vier Lastwagen auf dem Weg nach Schweden, Frankreich und Österreich an und fanden 25 Migranten, die in Schrankwänden hinter Metallprofilen, Gipsplatten und Keramiken versteckt waren.

Am 24. Februar verhafteten die Behörden in Italien 24 Verdächtige. Sie sollen Teil eines 90-köpfigen Netzwerks aus Italienern und Irakern sein, das irakische Kurden nach Italien schleuste. Darunter sind fünf Anwälte, zwei Polizisten aus dem Einwanderungsbüro der kalabresischen Provinzhauptstadt Crotone, ein Polizist der lokalen Polizeibehörde in Crotone und ein Angestellter aus der Stadtverwaltung für die Bearbeitung von Asylanträgen. Im Irak wurden falsche Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigungen ausgestellt. Anschließend flogen die illegalen Migranten mit einem regulären Touristenvisum nach Italien, wo sie die italienischen Polizisten „gegen hohe Summen von Geld und Geschenken“ in das offizielle Asylverfahren einschleusten.

20. März entdeckten spanische Polizisten in Algeciras einen Schmuggler, der zehn marokkanische Migranten auf einem Sportboot transportierte. Als der Menschenschleuser das Patroullienboot der Polizei bemerkte, zwang er die Migranten, ins Wasser zu springen und an Land zu schwimmen. Alle Personen wurden festgenommen.

Ende Februar ereignete sich laut EU-Dokument ein „desaströser Schleuserfall“ in Slowenien. Die slowenische Grenzpolizei fand in einem Lastwagen, der aus Bosnien-Herzegowina kam und von zwei Schleusern im Fahrerraum begleitet wurde, ein Schrankfach, das nur 2,50 Meter lang und 80 Zentimeter hoch war. Darin waren 13 irakische Migranten zusammengepfercht worden. „Die Migranten waren dehydriert und kurz vor dem Ersticken, einige hatten bereits das Bewusstsein verloren“, berichteten die zuständigen Behörden in Serbien nach Brüssel.

Ein türkischer Lastwagen, der auf dem Weg nach Tschechien war, wurde am 26. Februar am Grenzübergang Nadlac gestoppt. Im Frachtraum befanden sich neben einer Ladung nicht genannter Güter fünf afghanische Migranten, zwei Erwachsene und drei Minderjährige. Der Fahrer wusste aber nichts von den Migranten in seinem Lastwagen. Schleuser hatten die fünf Afghanen während eines Stopps auf einem Parkplatz in den Lastwagen hineingeschmuggelt und hinter der Fracht versteckt.

Die deutschen Behörden deckten zusammen mit Europol am 17. März ein Schmugglernetzwerk auf, deren Kunden an diesem Tag 80 Syrer, Ägypter und Türken waren. Die Schmuggler benutzten kleinere Lastentransporter und brachten die Migranten von der Türkei über Polen oder Tschechien nach Deutschland. Der Preis: zwischen 3500 und 12.000 Euro. Laut EU-Dokument war der Trick dieser Bande: „Sie benutzten Scouts, die als präventive Maßnahme vorausfuhren, um Polizeikontrollen vorzeitig zu identifizieren.“

Anfang März wurden 272 Migranten – die meisten kamen aus Bangladesch, Eritrea, Algerien und dem Sudan – von den italienischen Behörden gerettet. Dabei wurde eine Methode angewandt, die sich laut EU immer beliebter wird: Die Schmuggler setzen gezielt Migranten aus möglichst vielen Ländern in relativ neue Holzboote und instruieren sie, jenseits der Ölplattform im „Bouri Field“, etwa 120 Kilometer nördlich von der libyschen Küste, die Nummer von europäischen Rettungsdiensten anzurufen, die ihnen beim Ablegen der Boote mitgegeben wurden.



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