Samstag, 30. März 2019

Nicht zur Schule gehen ist noch keine Leistung... es ist Populismus

von Thomas Heck...

Wenn Freitags jugendliche Klima-Rebellen auf die Straße gehen, die glauben, dass nur ein völlig anderes Wirtschaftssystem die Erderwärmung bremsen kann ist dies zunächst einmal keine Leistung, es nervt und besonders intelligent es auch nicht.  So wird u.a. einen Reduzierung der emittierten Treibhausgase bis 2030 auf Null gefordert. Und das ohne entsprechende Backup-System. Woher der Strom  kommen soll, wenn die Sonne nicht scheint oder der Wind nicht weht, verraten uns die Schulschwänzer nicht. Vermutlich springt dann ein AKW in Polen, Tschechien, Österreich und Frankreich ein, so wie heute schon regelmäßig, sofern unsere Nachbarn uns bis nicht vom Stromnetz genommen haben, weil Spannungsschwankungen den ganzen europäischen Stromverbund in den Wahnsinn getrieben haben werden. Denn bei den Protesten geht es genauso wenig um die Umwelt, wie es bei den Ostermärschen um Frieden geht.


Aber Fundamentalopposition fühlt sich gut an, ist aber auch chancenlos. Wenn der Klimaschutz Wohlstand vernichtet, wird er keine Mehrheiten finden. Und von irgendwelchen Bälgern, die außer der selbständigen Einrichtung ihres Smartphone noch gar nichts auf die Reihe bekommen hat, brauchen wir uns als Wirtschaftsnation, die auch Verantwortung für Millionen Arbeitsplätze hat, auch nicht über sozialistische feuchte Träume belehren zu lassen. Zumal hier auch eine zunehmende Instrumentalisierung durch politische Gruppen erkennbar ist, die schon Pennäler aus Grundschulen zu den Protesten schleppt und deren linksgrünen Lehrer als Anheizer die Parolen hinausschreien. 


Dennoch verfolgen Politiker und Medien die Klimademonstrationen mit so viel Sympathie, als sei es heutzutage erste Kinderpflicht, dem Unterricht freitags fernzubleiben. Das erstaunt, und zwar nicht nur, weil Angela Merkel Kundgebungen lobt, die ihre eigene Klimapolitik attackieren. Doch ist ein typischer Opportunist aus der Ostzone. Vor allem vertritt die Bewegung Ziele, die, umwehte sie nicht die romantische Aura eines Kinderkreuzzuges für die gute Sache, als zu radikal abgelehnt würden. Die Utopie ist das Vorrecht der Jugend. Jugend ist Leidenschaft. Wer das so konstatiert, ist jedoch nicht weit vom Paternalismus entfernt. Die Demonstranten verdienen, ernst genommen zu werden – auch durch Kritik, findet auch die NZZ in einem bemerkenswerten Kommentar, den Sie so in deutschen Gazetten nicht finden.

Die in der Schweiz «Klimastreik» genannten Demonstrationen fordern, dass die Staaten ihre Treibhausgasemissionen bis zum Jahr 2030 auf null reduzieren, und zwar ohne technische Kompensationen. Der österreichische Ableger der weltweiten Bewegung (wie in Deutschland heisst er «Fridays for Future») verlangt obendrein mehr Umverteilung, höhere Sozialleistungen und zusätzliche Ausgaben für Bildung und Gesundheit. In Zürich tönte es aus den Reihen der Manifestanten in bester spätmarxistischer Diktion, die Klimabewegung kämpfe gegen die Hegemonie des Neoliberalismus und für eine strukturelle Abkehr vom «profitorientierten Wirtschaftssystem». Also für die Abschaffung der Marktwirtschaft. Kleiner macht man es nicht, wenn man die Welt retten muss.

Das erinnert an die Anfänge der Grünen, als die Anhänger kommunistischer Splitterparteien die Umweltbewegung für sich entdeckten, um dem Kapitalismus doch noch den Garaus zu machen. Ihr theoretisches Rüstzeug erhalten die schwedische Aktivistin Greta Thunberg und ihre Mitstreiter heute von Wissenschaftern, die schon seit Jahren für Wachstumsverzicht und den Übergang zu einer staatlich gelenkten Klima-Wirtschaft eintreten. So heisst es in einem zur Unterstützung der Jugendlichen herausgegebenen Manifest («Scientists for Future»): «Wir verändern unsere Ernährungs-, Mobilitäts- und Konsummuster grundlegend.»


Was passiert aber, wenn die Bürger nicht freiwillig auf SUV und Flugreisen in die Karibik verzichten? Seit der Verabschiedung der Klimakonvention am Uno-Umweltgipfel 1992 in Rio wurden die Autos immer grösser und leistungsstärker. Mit der Bereitschaft zum Konsumverzicht ist es offenkundig nicht allzu weit her. In Indien und China ist überdies eine Mittelschicht entstanden, die ihren kapitalistischen Traum mit einer deutschen Limousine und einem Ausflug aufs Jungfraujoch leben will. Muss man deswegen alle Öko-Schlafmützen gewaltsam aufrütteln oder, wenn man sich eine Zwangsbeglückung doch nicht vorstellen mag, die Maximalstrategie für gescheitert erklären.

Ohnehin ist es nicht sehr wahrscheinlich, dass sich China und Indien einem kategorischen Klima-Imperativ anschliessen würden. Die Europäer werden indes kaum seelenruhig zuschauen, sollten sie infolge einer kompromisslosen Politik ins Hintertreffen geraten. Ein Totalumbau der Wirtschaft brächte vermutlich erhebliche Arbeitsplatzverluste mit sich. Wenn etwa die Autoindustrie an den Herausforderungen scheitert, müssten sich die bei den Zulieferern in Süddeutschland und der Schweiz beschäftigten Eltern ernsthafte Gedanken machen, wie sie ihren schwärmerischen Sprösslingen künftig noch Handy und Sneakers finanzieren könnten. Auch Europa wird auf seinen Wohlstand nicht verzichten, und der ist ohne Wachstum nicht zu haben.

Im Ostblock kursierte der Witz, die Betriebe täten so, als würden sie die Ziele des Fünfjahrplanes erfüllen, und das Politbüro tue so, als glaube es das. Mit den Klimaforschern und den Politikern verhält es sich ähnlich. Die Wissenschafter warnen in düsteren Farben vor der nahenden Katastrophe, und die Regierungen tun so, als liessen sie sich davon beeindrucken. Sie formulieren hochgesteckte Ziele, die dann nicht oder nur unzureichend umgesetzt werden. So verringerte sich der Ausstoss von Treibhausgasen in der Schweiz von 1990 bis 2016 um 10 Prozent. Bis 2020 sollen es jedoch 20 Prozent sein, was völlig illusorisch ist. Nicht einmal eine Revision des CO2-Gesetzes brachte das Parlament in Bern zustande. Mit ein wenig Realitätssinn ist unschwer zu erkennen, dass ein brachiales «alles oder nichts» geradewegs in eine Sackgasse führt.

Die quasireligiöse Begeisterung moderner Klimakreuzzüge ist keine Alternative zu einer pragmatischen Politik, die auf europäische Alleingänge verzichtet und stattdessen auf global verbindliche Normen setzt. Das ist natürlich mühsam und nicht halb so faszinierend wie Weltuntergangsszenarien: Von den vier grössten CO2-Emittenten hat nur Europa gemäss Berechnungen des «Global Carbon Project» 2018 einen minimalen Rückgang erreicht. In China resultierte ein Plus von 5, in Indien gar eines von 6 und in den USA eines von 3 Prozent. Ohne eine Beteiligung dieser drei Länder wird das Ziel, die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, niemals erreicht.

Zum Scheitern verdammt ist ein grün verbrämter Antikapitalismus, der einen mehr oder minder umfassenden Verzicht auf die marktwirtschaftliche Produktionsweise herbeizwingen will. Der Ostblock mit Planwirtschaft und Fünfjahrplänen ist nicht zufällig untergegangen. Auch die Erderwärmung wird sich nur mit den Mitteln des Markts bremsen lassen. Wie wenig staatlicher Dirigismus zu erreichen vermag, illustriert die deutsche Klimapolitik. Mit hohen Zuschüssen werden dort die erneuerbaren Energien gefördert, Photovoltaikanlagen installiert und Windparks errichtet.

Seit dem Jahr 2005 ist in Deutschland der CO2-Ausstoss im Verkehr noch gewachsen, in der Industrie blieb er konstant. Nur die Emissionen der Haushalte schrumpften leicht. Dafür hat sich der Strompreis für Unternehmen fast verdoppelt; die Konsumenten zahlen heute zwei Drittel mehr. Die Folge ist eine schleichende Deindustrialisierung. Energieintensive Produktion wird ins Ausland verlagert. Aussichtsreiche technische Lösungen wie die Verpressung von CO2 im Boden kommen nicht über das Versuchsstadium hinaus, weil die Regierung vor dem Widerstand der Bürger gegen unterirdische Gaslager kapituliert hat.

Und der nächste Aberwitz befindet sich bereits in Planung. Obwohl der genehmigte Braunkohle-Tagebau zur Mitte des Jahrhunderts zur Neige geht, setzte Berlin ein künstliches Ausstiegsdatum für das Jahr 2038. Damit dies sozialverträglich vonstattengeht, sind milliardenschwere Beihilfen vorgesehen. Sie werden sogar den berüchtigten Kohlepfennig, die Steinkohle-Subventionen der letzten Jahrzehnte, in den Schatten stellen.

Die Schweiz verfolgt eine nur um Nuancen klügere Strategie. Zwar vermied sie ein hartes Datum für den Verzicht auf die Atomenergie. Gehen die Meiler aber vom Netz, macht man sich vom Stromimport aus dem Ausland abhängig, sofern nicht teure Reservekapazitäten geschaffen werden. Zugleich steigt das Risiko eines Blackouts, wenn im Winter weniger Strom produziert als in Europa nachgefragt wird. Seit bald dreissig Jahren, seit sich die Politik ernsthaft mit der Erderwärmung beschäftigt, gelingt es keinem der beiden Länder, eine kohärente Energiepolitik zu formulieren. Weil alle Parteien hierfür Verantwortung tragen, redet niemand gerne darüber. Lieber applaudiert man den Jugendlichen mit ihren unerfüllbaren Forderungen. Dies ist nichts anderes als Populismus.

Dabei existieren marktwirtschaftliche Instrumente, die man konsequenter nutzen muss. Der EU-Handel mit Emissionsrechten ist ein mächtiger Mechanismus, weil er die Luftverschmutzung teuer macht. Eine Tonne Treibhausgas lässt sich so zu Kosten einsparen, die einen Fünfzigstel dessen betragen, was durch die deutsche Subventionitis vergeudet wird. Die bürgerlichen Kräfte haben es versäumt, sich für einen marktorientierten Klimaschutz zu engagieren – aus Desinteresse in der Schweiz oder weil sie wie in Deutschland hinter dem dirigistischen Zeitgeist herlaufen. In der Politik ist es aber wie im richtigen Leben. Die eigenen Versäumnisse holen einen immer ein: als Demonstrationen oder an den Wahlurnen.





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