Mittwoch, 30. Januar 2019

Als Jude unter Antisemiten...

von Thomas Heck...

Wenn ein Jude die nach Ansicht der etablierten Parteien antisemitische Partei AfD im Bundestag besucht und offensichtlich gut gelaunt ist, dann sollte man sich fragen, ob die AfD so antisemitisch ist, wie die etablierten Parteien das sehen (wollen). Oder ob der Antisemitismusvorwurf nicht doch eher vorgeschoben ist, um im Diskurs mit dem neuen politischen Gegner von rechts bestehen zu können. Charlotte Knobloch dürfte angesichts solcher Bilder platzen.



Henryk M. Broders Rede vor der AfD-Bundestagsfraktion

Die AfD-Fraktion im Bundestag hatte Broder am 29. Januar zu einem Vortrag eingeladen. „Trotz der Bedenken meines Anwalts und meiner Frau“, so Broder, habe er die Einladung angenommen. Eine Dokumentation der Rede.





von Henryk M. Broder 

Vorbemerkung: Vor meiner Rede ist ein Foto entstanden, auf dem zu sehen ist, wie Alice Weidel, Vorsitzende der AfD-Bundestagsfraktion, mich umarmt. Dieses Bild ist von der AfD in den sozialen Medien verbreitet worden. Es wäre richtig gewesen, sich der Umarmung zu entziehen. Als Journalist sollte man auf Distanz zu Politikern und Politikerinnen achten. Es gibt freilich keinen Grund, aus dieser Umarmung weiter gehende Schlüsse zu ziehen. Ich bitte um Entschuldigung und gelobe, bei der nächsten Gelegenheit vorsichtiger zu sein.

Guten Abend, meine Damen und Herren, vielen Dank für die Einladung.

Ich war schon öfter im Bundestag, zuletzt bei einer Sitzung des Petitionsausschusses. Aber ich habe noch nie vor einer Fraktion gesprochen. Meine erste Wahl wären die Grünen gewesen. Ich wäre dafür sogar mit dem Rad oder einem Ruderboot hergekommen. Aber so weit sind die Grünen noch nicht, dass sie einen wie mich einladen würden. Dazu müsste ich erst einmal anfangen, meinen Müll zu trennen, sparsam zu heizen und weniger Wasser zu verbrauchen. Das tue ich nicht.

Ich glaube nicht einmal daran, dass es einen Klimawandel gibt, weil es noch keinen Tag in der Geschichte gegeben hat, an dem sich das Klima nicht gewandelt hätte. Klimawandel ist so neu wie die ewige Abfolge von Winter, Frühjahr, Sommer und Herbst. Neu ist nur, dass das Klima zum Fetisch der Aufgeklärten geworden ist, die weder an Jesus noch an Moses oder Mohammed glauben. Dazu hat bereits der britische Schriftsteller Edgar Keith Chesterton, der Erfinder von Pater Brown, das Richtige gesagt: „Seit die Menschen nicht mehr an Gott glauben, glauben sie nicht an nichts, sie glauben allen möglichen Unsinn.“

Der weltweite Hype um eine 16-jährige Schwedin, die sich für eine Wiedergängerin von Jeanne d’Arc hält, hat das in diesen Tagen wieder bewiesen.

Aber das nur nebenbei, zum Aufwärmen. Zurück an den Anfang. So, wie ich mich frage, warum Sie mich und nicht Richard David Precht eingeladen haben, so fragen Sie sich, warum ich die Einladung angenommen habe.

Die Sache ist ganz einfach. Sie wollten sehen, ob jemand, der so gut wie ich schreiben kann, ebenso gut reden kann – in der Höhle oder auch Hölle der braun getupften Löwen, in der Schlangengrube der Reaktion, im Darkroom der Geschichte. Und außerdem wollen Sie wissen, ob ich wirklich so sympathisch bin, wie ich im Fernsehen immer rüberkomme.

Einige von Ihnen mögen vielleicht noch nie einen leibhaftigen Juden in natura gesehen haben und warten nun darauf, dass sich der Raum mit dem Geruch von Knoblauch und Schwefel füllt.

Ich dagegen mache gerne etwas, das ich noch nie gemacht habe. Vor Kurzem war ich zum ersten Mal in meinem Leben auf einer Kreuzfahrt – und es hat mir gut gefallen. Auf meiner To-do-Liste, die ich gerne vor meinem 75. Geburtstag abarbeiten möchte, stehen noch:

Der Besuch in einem Swinger-Club, die Reise zum Mittelpunkt der Erde und eine Fahrt mit der Transsibirischen Eisenbahn mit Florian Silbereisen als meinem persönlichen Butler.

Ein Besuch bei Ihnen stand nicht auf meiner Liste, ich habe die Einladung trotzdem gerne angenommen, wann bekommt ein Jude schon die Gelegenheit, in einem Raum voller Nazis, Neo-Nazis, Krypto-Nazis und Para-Nazis aufzutreten?

Hinzu kommt noch: Ich mache nur das, was uns allen der Bundespräsident vor Kurzem geraten hat. Wir sollten aufeinander zugehen, uns besser kennenlernen, uns miteinander unterhalten, um den Zusammenhalt dieser Gesellschaft zu stärken.

Genau das mache ich. Ich bin ein Brückenbauer, ein Versöhner, ich trete für eine bunte, offene und tolerante Gesellschaft ein, in der niemand ausgegrenzt wird. Ich beurteile die Menschen in meiner Umgebung nicht nach Herkunft, Hautfarbe oder Religion, sondern danach, ob sie – grob gesprochen – auch andere Meinungen als die eigenen gelten lassen. Ich bin tolerant bis an die Grenze der Selbstverleugnung, nur gegenüber einer Gruppe von Menschen will ich nicht tolerant sein: gegenüber den Intoleranten, die sich selbst zum Maß aller Dinge erheben und mir entweder ewiges Leben im Paradies versprechen, wenn ich ihnen folge, oder einen Logenplatz in der Hölle, wenn ich mich ihnen verweigere.

Das, meine Damen und Herren, war die Einführung. Nun folgt der Hauptteil.

Die Idee war, dass wir uns über Political Correctness unterhalten, obwohl keiner weiß, was der Begriff konkret bedeutet. Er ist eine leere Kiste, in die jeder reinlegen kann, was er für unangebracht, böse, beleidigend oder gefährlich hält, alles, was den „sozialen Frieden“ bedrohen könnte, wobei dies – der soziale Friede – wiederum etwas ist, das nicht dem Frieden dient, sondern die Meinungsfreiheit bedroht.

Dass wir keine „Negerküsse“ mehr kaufen können und dass der Sarotti-Mohr in „Sarotti – Magier der Sinne“ umbenannt wurde, damit kann ich gut leben. Schlimmer, viel schlimmer finde ich, dass man in einigen holländischen Supermärkten keine „Jodenkoeken“ (Judenkuchen) mehr findet, eine Spezialität aus Mürbeteig, die Ende des 19. Jahrhunderts von einem jüdischen Bäcker erfunden wurde. Die „Jodenkoeken“ heißen jetzt „Dutch Cookies“ und werden unter diesem Namen bis nach China exportiert. Das mag politically correct sein, ich nenne es trotzdem eine kulturelle Enteignung. Ich will meine Jodenkoeken wiederhaben!

In Deutschland wird dieses herrliche Produkt nicht vertrieben, was wohl mit dem Namen zu tun hat. Es müsste umbenannt werden, politically correct, in „Juden- und Jüdinnen-Kuchen“, und das wäre dann eine Lachnummer.

Aber auch das ist nur eine Petitesse am Rande des PC-Feldes. Was ich dagegen unsäglich und intolerabel finde, ist eine Äußerung von Kardinal Marx, dem Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz. Er sagte neulich bei einer Diskussion in Berlin, man sollte den Begriff „christliches Europa“ nicht verwenden, denn er sei „ausgrenzend“. Noch ärgerlicher als die Äußerung des Kardinals war, dass ihm niemand widersprach und niemand sagte, wofür diese Äußerung steht: für eine präventive Unterwerfung.

Nun könnte es mir als Juden egal sein, wie ein Kardinal Europa definiert und welche semantischen Übungen er unternimmt, um nicht in den Verdacht zu geraten, er würde „ausgrenzen“.

Juden in Europa fürchten einen wachsenden Antisemitismus. Laut einer aktuellen Umfragen glauben 89 Prozent der Befragten, dass der Antisemitismus in ihrem Land seit 2013 zugenommen hat. 

Auf den ersten Blick mag eine solche Äußerung von Demut zeugen, tatsächlich ist das Gegenteil der Fall. Aus ihr sprechen Hochmut und Heuchelei. „Seht her, wie tolerant wir sind! Wir beanspruchen nicht einmal unsere Geschichte für uns!“

Niemand auszugrenzen mag eine noble Idee sein. Sie rast nur an der Wirklichkeit vorbei. Ich bin noch nie zu einer Eucharistie-Feier eingeladen worden. Werde ich ausgegrenzt? Eine Bewerbung von mir um einen Platz im Dschungelcamp wurde nicht einmal beantwortet. Ein klarer Fall von Ausgrenzung. Und was ist mit den vielen Prälaten, Vikaren, Kaplanen und Diakonen in der katholischen Kirche, die es nicht zum Kardinal geschafft haben? Wie müssen die unter der Ausgrenzung leiden? Von den Frauen nicht zu reden, die keine Chance haben, in den Kreis der Kardinäle aufgenommen zu werden.

Auch in der Natur findet ständig Ausgrenzung statt. Ein Hamster hat keine Wahl, auch wenn er lieber als Gazelle unterwegs wäre, man muss Mitleid mit allen Giraffen haben, die von einem Leben als Delphine träumen, kann ihnen aber nicht helfen.

Politische Korrektheit setzt da ein, wo die Realität endet, bei den inzwischen über 70 Gender-Optionen, bei der ziemlich witzigen Behauptung, Mann und Frau seien keine biologischen Tatschen, sondern „soziale Konstrukte“, die jedem Menschen die Wahl lassen, ob er ein Mann oder eine Frau sein möchte oder heute das und morgen das.

Wobei es einem Skandal gleichkommt, dass der „Mensch“ ein maskulines Wesen ist, für das es kein feminines Pendant gibt.

Während wir hier so nett zusammensitzen, werden bestimmt bereits ein Dutzend Doktorarbeiten über dieses Problem geschrieben und wie man/frau ihm abhelfen könnte.

Um Missverständnissen vorzubeugen, will ich dazu sagen, dass ich kein prinzipieller Gegner der Political Correctness bin, wenn damit gemeint ist, dass es Dinge gibt, die man nicht tun darf und nicht propagieren sollte.

Allerdings: Dieser Raum des Sagbaren und Machbaren unterliegt einem ständigen Wandel. Ich halte es für gut und richtig, dass Homosexualität entkriminalisiert und Vergewaltigung in der Ehe von einem Privileg des Ehemannes zu einer Straftat degradiert wurde. Ich halte es für gut und richtig, dass Kinderehen verboten bleiben, ohne Rücksicht auf den kulturellen Hintergrund der beteiligten Familien. Ich bin für eine Verschärfung des Tatbestands „Kindesmissbrauch“, um auch solche Fälle verfolgen zu können wie den der bereits erwähnten Greta aus Schweden, die von den Klimarettern zur Ikone ihrer Bewegung erkoren wurde.

Ich finde es auch richtig, dass ich – wenn ich jemand einen „Antisemiten“ nenne – diesen Vorwurf belegen muss, was angesichts des Bildungs- beziehungsweise Unbildungsgrades deutscher Richter nicht ganz einfach ist, für die der Holocaust das Maß der Dinge ist und alles drunter unter Ordnungswidrigkeiten fällt.

Und wenn jemand eine Politikerin, die er nicht mag, eine „Nazi-Schlampe“ nennt, dann müsste auch das belegt und nicht durch den Freifahrtschein der Satire belohnt werden. Hier gibt es noch einen erheblichen Lernbedarf der Justiz.

Aber es geht nicht nur um Gesetze, die natürlich verschieden ausgelegt werden können, was man den „Ermessensspielraum“ nennt, der seinerseits zu Urteilen führt, die kein „gerecht und billig“ denkender Mensch nachvollziehen kann. Es geht auch um etwas, das unsere PC-mäßig unverdorbenen Eltern in die Worte „Das tut man nicht“ fassten. Man legt die Füße nicht auf den Tisch, man rülpst nicht beim Essen, und man nennt die zwölf schlimmsten Jahre der deutschen Geschichte nicht einen „Vogelschiss“.

Das ist nicht nur aus der Sicht der Nazi-Opfer – der Juden, der Zigeuner, der Homosexuellen, der Widerstandskämpfer, der Deserteure – eine schwere Sünde. Es muss auch ein No-Go für jeden Deutschen sein, der kein Jude, kein Zigeuner, nicht schwul ist und keine Angehörigen hat, die von den Nazis verfolgt wurden.

Meine Damen und Herren, ich bin nicht hierhergekommen, um Ihnen eine Predigt zu halten oder Ihnen zu sagen, was Sie tun oder was Sie lassen sollten. Ich will Ihnen weder den Weg versperren noch Ihnen den Weg weisen. Oder allenfalls ein wenig.

Ich bin hier aus zwei Gründen. Erstens bin ich für Fair Play. Und der Umgang mit Ihrer Partei ist alles andere als fair. Als Ihr Bremer Kollege Magnitz niedergeschlagen wurde – weiß jemand, wie weit die Suche nach den Tätern inzwischen ist? –, haben zwar alle die Tat verurteilt, in manchen der Distanzierungen wurde aber auch darauf hingewiesen, dass diejenigen, die Wind säen, damit rechnen müssen, Sturm zu ernten. Wie Frauen, die eine gewisse Mitschuld haben, wenn sie sexuell belästigt werden, weil sie zu kurze Röcke tragen.

Das geht nicht, das ist einer Demokratie unwürdig, die auf dem Gedanken basiert, dass auch im weitesten Sinne „falsche“, also vom allgemeinen Konsens abweichende Haltungen und Meinungen geschützt werden. Die Grenzen des Erlaubten, ich habe darauf bereits hingewiesen, legt das Strafgesetzbuch fest. Das Recht auf freie Meinungsäußerung kennt keine „richtigen“ und keine „falschen“ Meinungen.

Es gilt auch für Geschmacklosigkeiten aller Art, wie den Griff in das Plumpsklo des SPD-Abgeordneten Johannes Kahrs vor einigen Wochen im Laufe einer Parlamentsdebatte. Sie erinnern sich. Er riet Ihnen, in den Spiegel zu schauen, damit Sie sehen, wie hässlich Sie sind. „Hass macht hässlich!“, rief er Ihnen zu mit der Unschuld eines Menschen, der selbst keinen Spiegel daheim hat.

Ich war sprachlos und wartete, vergeblich, auf einen Ordnungsruf des Parlamentspräsidenten. Von einer ähnlichen Qualität war der Beitrag eines Redakteurs der „Hamburger Morgenpost“, der seiner Fantasie freien Lauf ließ: „In einer gerechten Welt müsste man AfD-Fans das Wahlrecht entziehen. So, wie man Kindern Bauklötze wegnimmt, wenn sie randalieren.“

Die Frage, woran man AfD-Fans erkennt und wie eine solche Maßnahme mit den Regeln einer freien Wahl vereinbar wäre, wurde weder gestellt noch beantwortet.

Ein Einzelfall, aber doch ein charakteristischer.

Gestern, einen Tag nach dem Holocaust-Gedenktag, wurde im Deutschlandfunk der grüne Europa-Abgeordnete Michael Cramer interviewt – über den Klimawandel und die Schadstoffe in der Luft. Dabei sagte Cramer unter anderem Folgendes: „Dass man unterschiedliche Positionen hat, das gehört dazu. Es gibt Leute, die leugnen den Holocaust. Es gibt Leute, die leugnen, dass Feinstaub und Feinstaubpartikel und CO2 und Stickoxide gesundheitsschädlich sind, das gehört dazu.“

Ich versuche, mir vorzustellen, was in diesem Lande los wäre, wenn jemand von Ihnen so etwas gesagt hätte. Ich wäre unter den Ersten, die über Sie hergefallen wären.

Die einen leugnen den Holocaust, die anderen das Klima, was nicht nur faktisch eine idiotische Analogie ist. Wie schon erwähnt, müsste man von Klimawandelleugnern sprechen, genauer: von Menschen, die daran zweifeln, dass es einen menschengemachten Klimawandel gibt. Nun warte ich darauf, dass Klimaleugnung ebenso unter Strafe gestellt wird wie die Leugnung des Holocaust und freue mich schon auf die erste Verhandlung eines grünen Volksgerichts unter dem Vorsitz von Michael Cramer.

Meine Damen und Herren. Wir leben in einer Konsensdemokratie. Das mag nicht schlecht sein, ich bin aber überzeugt, dass nicht der Konsens, sondern der Dissens das Wesen der Demokratie ausmacht, wie wir es gerade in England erleben, wo die Premierministerin von ihrer eigenen Partei in die Enge getrieben wird. Was bei uns so undenkbar wäre wie die Übernahme der Bundeswehr durch die Heilsarmee.

Ich bin also heute hier, um – wie würde es Anja Reschke sagen – „ein Zeichen“ zu setzen, für einen fairen Umgang mit dem politischen Gegner, ganz im Sinne unseres Bundespräsidenten. Und weil ich mir als mündiger Bürger dieser Republik nicht vorschreiben lasse, wo ich auftreten darf und wo nicht. Ich weiß natürlich, dass die AfD ein No-go-Gebiet ist, das man weiträumig umgehen sollte. Mehr und mehr wird es zur Routine, strittige Meinungsäußerungen mit den Worten anzufangen: „Ich bin kein Anhänger der AfD, aber …“ Aber was?

Die Haltung zur AfD ist eine Art politischer Lackmustest, so, wie es zu meiner Jugend die Haltung zur DDR war. Wer nicht „sogenannte DDR“ sagte, der musste ein Kommunist sein. Meine erste und einzige Vorladung zur politischen Polizei bekam ich noch vor dem Abitur. Ich hatte irgendwo in der DDR ein paar Broschüren bestellt, die unterwegs abgefangen wurden.

Als ich vor ein paar Tagen einem alten Freund sagte, dass ich heute bei Ihnen auftreten würde, machte er ein Gesicht, als hätte ich ihm gebeichtet, dass ich vom Handel mit Drogen lebe. „Du wirst doch nur instrumentalisiert“, sagte er, „weißt du es nicht?“

Natürlich weiß ich es. Und wissen Sie was? Es ist mir wurscht. Heutzutage instrumentalisiert jeder jeden. Die „Bild“ Helene Fischer, Helene Fischer Florian Silbereisen, Florian Silbereisen seine depperten Fans, die ihm nachreisen.

Und ich, ich werde jeden Tag instrumentalisiert. Als Beweis dafür, dass es wieder ein jüdisches Leben in Deutschland gibt, jüdische Gemeinden, jüdische Literatur- und Musiktage und immer mehr jüdische Cafés und Restaurants, da kommt es auf eine Instrumentalisierung mehr oder weniger nicht an.

Sie instrumentalisieren mich, und ich instrumentalisiere Sie. Ich probiere aus, wie weit ich gehen kann. Wenn es keinen Shitstorm gibt, ist es gut, wenn es einen gibt, ist es noch besser.

Und falls Sie jetzt wissen möchten, ob ich vorhabe, Sie zu wählen, kann ich nur sagen: Das hängt ganz von Ihnen ab. Ich bin ein Wechselwähler. Bei der letzten Bundestagswahl habe ich meine Stimme der Tierschutzpartei gegeben. Wenn Sie meine Stimme haben wollen, dann müssen Sie mich überzeugen. Ich finde es prima, dass Sie das Existenzrecht Israels bejahen, obwohl das eine Selbstverständlichkeit ist, wir diskutieren auch nicht über das Existenzrecht Belgiens. Aber das reicht mir nicht, ich erwarte mehr. Sie müssten Ihre Begeisterung für Russland und Putin dämpfen, Ihre USA-Allergie kurieren, Zweideutigkeiten in Bezug auf die deutsche Geschichte unterlassen und sowohl Ihren Mitgliedern wie Wählern klaren Wein darüber einschenken, dass Sie kein Depot für kontaminierte deutsche Devotionalien sind. Mag sein, dass Sie das einige Wähler kosten wird, aber das sollte es Ihnen wert sein. Klarheit vor Einheit!

Für politische Parteien gilt das Gleiche wie für guten Wein. Ein Tropfen Buttersäure verdirbt den Geschmack der ganzen Flasche.

Ich habe lange überlegt, wie ich diese kurze Rede beenden soll. Dramatisch oder entspannt? Mit einer guten Pointe oder einem schlechten Witz? Vielleicht mit dem Klassiker: Ich teile nicht Ihre Meinung, aber ich werde mich immer dafür einsetzen, dass Sie sie frei äußern dürfen … Das ist mir zu abgenutzt, außerdem ist die Quelle unklar. Es könnte von Voltaire oder von Rosa Luxemburg sein.

Also mache ich es kurz und schmerzlos: Vielen Dank für die Einladung. Ich hoffe, ich habe Sie nicht gelangweilt. Und ich wünsche Ihnen die Kraft und den Mut, sich selbst infrage zu stellen.

Schalom allerseits!




Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen