Zu dem Statement sah sich Arte offenbar gezwungen, weil der Protest gegen die Nichtausstrahlung der Dokumentation immer weitere Kreise zieht. Nachdem sich bereits namhafte Antisemitismus-Experten wie die Historiker Götz Aly und Michael Wolffsohn öffentlich für die Freigabe des Films ausgesprochen hatten, schloss sich dieser Aufforderung am Mittwoch auch der Zentralrat der Juden in Deutschland an.
Den Autoren muss die von Arte nun nachgereichte Begründung jedoch wie ein Hohn erscheinen. Denn ursprünglich hatten sie und die zuständige WDR-Redakteurin Sabine Rollberg, die den Film Ende vergangenen Jahres abgenommen hatte, bevor er zur Begutachtung an die Arte-Zentrale in Straßburg ging, von dort ganz andere Töne vernommen. Da hieß es etwa, der Film sei "einseitig pro-israelisch" und gieße angesichts der Terrorismusgefahr in Frankreich "Öl ins Feuer" – wohl, weil sie die antisemitischen Inhalte des in propalästinensischen Kreisen grassierenden "Antizionismus" aufzeigt und damit islamistische Extremisten aufbringen könnte. Als bedarf es eines Anlasses, um Islamisten zum Terror bewegen zu können. Und angesichts der einseitig pro-palästinensischen Berichte hätte ein einziger pro-israelischer Bericht sicher nicht geschadet und der Zuschauer hätte sich selbst ein Urteil bilden können.
Dass der Blick auf die Geschichte und Gegenwart des Nahost-Konflikts in dem Film tatsächlich breiten Raum einnimmt, hat freilich inhaltlich zwingende Gründe. Denn der Judenhass von heute, der sich etwa im Sommer 2014 bei Protestdemonstrationen in Deutschland gegen die israelischen Luftangriffe auf Stellungen der Hamas in Gaza in Parolen wie "Hamas, Hamas, Juden ins Gas" auf schockierende Weise äußerte, stützt sich weitestgehend auf Propagandalügen über Israel. Diese ausführlich zu widerlegen, sahen die Autoren Hafner und Schröder daher als wichtige Aufgabe an.
Dies umso mehr, als sich manche böswillige Legende über die Entstehung des jüdischen Staates und sein Verhältnis zu den Palästinensern längst zu einer auch im gesellschaftlichen Mainstream tief verwurzelten Vorurteilsstruktur verfestigt hat. Das gilt etwa für die Behauptung, der Staat Israel gründe auf der systematischen Vertreibung der palästinensischen Bevölkerung, wenn nicht gar einem "Völkermord", oder Israel betreibe gegenüber seinen arabischen Bürgern und den Palästinensern im Westjordanland eine Politik der "Apartheid". Begriffe, die sogar namhafte deutsche Politiker, namentlich der amtierenden SPD-Außenminister Sigmar Gabriel, verwendet.
Einer der aktuell am häufigsten wiederholten Vorwürfe gegen den jüdischen Staat lautet, aufgrund seiner Blockade des Gazastreifens lebten die Menschen dort "wie in einem Freiluftgefängnis", zusammengepfercht in totaler Isolation und bitterstem Elend. Um das zu überprüfen, reisten die Autoren eigens nach Gaza. Niemand, am allerwenigsten die israelischen Behörden, hinderte sie an der Einreise. Was sie dort vorfanden, widerspricht dem von der Pro-Palästinenserlobby verbreiteten Horrorbild und den daraus abgeleiteten, in westlichen Medien häufig wiederholten Klischees eklatant.
So ist die durchschnittliche Lebenserwartung in Gaza mit 74 Jahren höher als in 127 anderen Staaten der Erde, die Kindersterblichkeit ist niedriger als in 97 anderen Staaten. Und Paris ist viermal dichter besiedelt als Gaza. Statt einer Trümmerwüste fanden die Autoren eine Stadt vor, die an viele andere Städte in islamischen Ländern erinnert und vor allem unter der Korruption der totalitären Hamas leidet. Manche ihrer führenden Funktionäre leisten sich prunkvolle private Villenneubauten. Wohin eigentlich die Milliarden von internationalen – fast ausschließlich westlichen – Hilfsgeldern fließen, die seit Jahren nach Gaza gepumpt werden, und wieviel davon bei der tatsächlich bedürftigen Bevölkerung ankommt, ist die logische Anschlussfrage.
Der kritische Blick auf die fragwürdigen Aktivitäten von UN- und EU-Institutionen sowie zahlreichen europäischen Hilfsorganisationen und NGOs, die sich der Solidarität mit den Palästinensern verschrieben haben, hat folgerichtig in der Dokumentation ebenfalls einen breiten Platz. Dass die Verhältnisse im Nahen Osten von den Autoren so ausführlich unter die Lupe genommen werden, ist keine Abschweifung vom Thema "Antisemitismus in Europa". Denn, so ihre These, der moderne europäische Antisemitismus nährt sich in erster Linie aus Gerüchten über den jüdischen Staat, in die uralte judenhasserische Stereotype neu eingekleidet werden.
Zugeben, das versuchen Hafner und Schröder mit zum Teil drastischen Mitteln zu untermauern. So schneiden sie gleich anfangs eine Sequenz aus einer Ansprache von Palästinenserpräsident Abbas vor dem Europäischen Parlament neben eine Hasstirade des NS-Judenhetzers Julius Streicher. Das mag wie ein allzu grober agitatorischer Klotz wirken. Doch was hatte Abbas im EU-Parlament tatsächlich gesagt?
Er verbreitete dort die erfundene Horrorgeschichte, ein führender israelischer Rabbiner habe kürzlich zur Vergiftung des Wassers der Palästinenser im Westjordanland aufgerufen. Und er rief aus, nach dem Ende der israelischen Besetzung palästinensischen Gebiets werde es weltweit keinen Terrorismus mehr geben. Das ist im Kern eine Variation der alten antisemitischen Stigmatisierung der Juden als Brunnenvergifter und Weltbrandstifter, ohne die der Frieden auf Erden ausbrechen würde. Dem damaligen EU-Parlamentspräsidenten Martin Schulz schien dies indes nicht aufzufallen. Er twitterte nach Abbas' Auftritt, er habe eine "inspirierende Rede" gehört.
Gewiss, manches an Hafners und Schröders Darstellung kann man als zu grobkörnig kritisieren. So wäre es vielleicht klüger gewesen, zum Thema "Nakba" – der angeblichen Vertreibung der Palästinenser – nicht nur einen israelischen Veteranen des Unabhängigkeitskriegs 1947/48 zu Wort kommen zu lassen, sondern etwa auch einen kritischen israelischen Historiker wie Benny Morris. Doch solche Einwände sind üblicherweise Gegenstand einer öffentlichen kritischen Diskussion und können niemals rechtfertigen, eine in hohem Maße aufklärerische Dokumentation im Giftschrank verschwinden zu lassen.
Zumal es in der laufenden Nahost-Berichterstattung der öffentlichen Medien von unrichtigen und verzerrenden Schuldzuweisungen an Israel zuweilen wimmelt. So drängt sich der Verdacht auf, dass die Verantwortlichen Hafners und Schröders Gegenstimme nicht zulassen wollen, weil sie an ihrer eigenen Vorurteilsstruktur rütteln.
Mittlerweile hat der Streit eine neue Wendung genommen. Der WDR, der sich zunächst für unzuständig erklärte hatte, gab nun in einem Pressestatement bekannt, er erwäge, den Film anstelle von Arte im eigenen Programm zu senden. Doch bestünden "handwerkliche Bedenken". Der Film enthalte "zahlreiche Ungenauigkeiten und Tatsachenbehauptungen, bei denen wir die Beleglage zunächst nachvollziehen müssen".
Die Autoren Hafner und Schröder packt bei diesen ihrer Ansicht nach vorgeschobenen Argumenten indes der Zorn. Schließlich habe der Sender nach der Ablehnung durch Arte Ende Januar fünf Monate Zeit gehabt, zu beanstandende Stellen mit ihnen zu besprechen und gegebenenfalls zu korrigieren. "In der WDR-Pressemeldung", sagt Sophie Hafner, "wird ein Auszug aus unserem Film als Beispiel genannt, das ohne Quellenangaben angeführt sein soll. Uns wurde nicht die Gelegenheit gegeben, uns dazu zu äußern."
Den Vorwurf, es fänden sich in der Dokumentation unbelegte Zahlen, weist sie zurück. Besonders schäbig erscheint es ihr und ihrem Koautor Schröder, dass der WDR, um besser dazustehen, eine verdiente Redakteurin öffentlich an den Pranger stellt, indem er erklärt, die redaktionelle Abnahme im WDR habe "offenbar nicht den üblichen in unserem Haus geltenden Standards" genügt.
Es wird Zeit, dieses unwürdige Lavieren zu beenden und der Öffentlichkeit endlich zu ermöglichen, sich selbst ein Bild von diesem wichtigen Film zu machen. Arte, dieser antisemitische Dreckssender, sollten den Film umgehend zeigen.