von Mirjam Lübke...
Ach Marie-Agnes! Die verbale Panzerhaubitze unter den deutschen Politikern wird plötzlich sehr sensibel, wenn ihr Unfreundliches entgegenschallt. Während ihre Kollegin relativ gelassen auf die sogenannten AfD-Chatleaks reagieren, feuert Frau Strack-Zimmermann unverzüglich eine volle Breitseite auf die Opposition ab. Offensichtlich haben die Teilnehmer dieser Chats gleich ihre Parteiausweise und Mitgliedsnummern mitgeliefert, so dass sich Frau Strack-Zimmermann ihrer Sache sicher sein kann: Hier sind blaue Unholde am Werk, die so furchtbare Dinge tun, wie Philipp Amthor zu fragen, wann er endlich eingeschult wird. Ein Beispiel eklatanter Menschenverachtung.
Da sitzen AfD-Wähler vor ihren Rechnern, knabbern an ihrem rassistischen Toast Hawaii und während sie schon den nächsten Wandertag zum Obersalzberg planen, setzen sie noch schnell einen Kommentar bei Telegram ab, der aus Britta Hasselmann Frau Hass-Elmann macht. Das kann selbst einer gestandenen Frau aus dem Vorstand von Rheinmetall Tränen der Demütigung in die Augen treiben. Kein Wunder, dass Marie-Agnes sich für den Export schwerer Waffen in die Ukraine einsetzt. Die werden dort jetzt erst einmal gegen die Russen getestet und anschließend vor den Häusern potenzieller Chatgruppen-Teilnehmer aufgestellt. Ein falsches Wort und es kracht - aber gewaltig!
Eigentlich sollte man sich über derlei verbale Granaten von Seiten der knallharten FDP-Marie gar nicht mehr aufregen, sie legt sonst gern noch eine Schippe drauf. Nur mit dem ukrainischen Botschafter Andrej Melnijk kann sie gut, nachdem sie mit ihm Kaffee getrunken hat. Das rät sie seinen Gegnern ebenfalls - der arme Mann wird eine kräftige Magenschleimhautentzündung bekommen. So viele Gegner, so viele Tassen Kaffee. Nun beträgt sich Melnijk tatsächlich oft wie eine Abrissbirne, man scheint seelenverwandt. Wer Melnijk aushält, sollte grundsätzlich auch den Mut haben, etwa mit Alice Weidel einen Plausch zu halten - aber dazu reicht die Courage nicht.
Eigentlich müsste dieses ständige Etikettieren als "braun" und "Nazi" den Beteiligten selbst inzwischen lächerlich vorkommen. Wie weit rechts darf es denn noch sein? Selbst als Wanderer steht man jetzt im Verdacht, auf dem Hakenkreuz-Rundweg zu laufen. Wenn der Reinhardswald demnächst für Windkraftanlagen abgeholzt wird, ist das dann ein Teil des Kampfes gegen Rechts. Eigentlich müsste ein kollektives Gähnen anheben, sobald einmal wieder die Nazi-Keule geschwungen wird, aber in bestimmten Kreisen wirkt sie noch. Die ständigen Vergleiche dienen also der Erzeugung eines "Alle sagen das"-Gefühls, das durch regelmäßige Wiederholung lebendig gehalten wird. Selbst, wer diese Methode durchschaut, wird um seines "Rufes" willen vorsichtig, prominentestes Beispiel in der AfD selbst war wohl Jörg Meuthen, der es nicht mehr aushielt, als "Geächteter" zu leben. Das Schlimme daran: Man verliert den inneren Kompass dafür, welche Werte man tatsächlich vertreten möchte und welche man durch Beeinflussung von außen vertreten soll. Steter Tropfen höhlt den Stein - dann spielt man nicht mehr mit den "Schmuddelkindern". Seltsam, wir halten uns in dieser Beziehung für modern und "von Zwängen befreit" - aber gerade werden wieder gesellschaftliche Zwänge etabliert, die so eng sind wie ein Korsett im 19. Jahrhundert - und alle lassen sich mehr oder minder freiwillig einschnüren.
Umgekehrt neigen viele inzwischen dazu, auch Aussagen zu verteidigen, die sie früher widerlich gefunden hätten, die Zensurorgie weckt Rebellionsgelüste. So mag es tatsächlich einige Neonazis geben, die sich im Wald zuhause fühlen, aber es trifft eben auf die meisten Wanderer nicht zu. Frei nach Freud: Manchmal ist eine Zigarre einfach nur eine Zigarre - und der Wanderer einfach jemand, der die Natur liebt.
Was die Chatgruppen angeht: Menschen haben nun einmal das Bedürfnis, sich auch mal richtig auszukotzen, um sich danach besser zu fühlen. Die Fixierung auf angeblich toxische Sprache lässt unsere Wokoharam vollkommen vergessen, dass so etwas manchmal so wichtig ist wie der Gang zur Toilette: Was raus muss, muss raus. Zumal sie sich das Vergnügen ihren eigenen Gegnern gegenüber ungeniert selbst in der Öffentlichkeit gönnen - wie jemand, der seinen Tischnachbarn zum zivilisierten Essen mit Messer und Gabel auffordert, aber selbst mit den Fingern isst und dabei schmatzt und rülpst. Man sollte sich schon selbst an die Regeln halten, bevor man es von anderen einfordert - oder ihn in die braune Tonne stopft.
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