von Mirjam Lübke...
»Feindbild Frau« lautete am Dienstag der Titel einer Dokumentation auf ARTE, die ich mir trotz gewisser Vorahnungen dann doch einmal ansah. Im Mittelpunkt des Films standen Frauen, die als Politikerinnen, Journalistinnen oder Autorinnen im Licht der Öffentlichkeit stehen und aus diesem Grunde häufig mit Hasskommentaren überschüttet werden. So weit, so plausibel – denn was da auf die Damen herunterprasselte, konnte einem schon den Atem stocken lassen. »Unflätigkeit« trifft den Nagel nicht ganz auf den Kopf, denn das meiste ging weit über anzügliche Bemerkungen hinaus.
Vergewaltigungsfantasien in aller Ausführlichkeit, Morddrohungen und übelste sexuelle Beleidigungen wechselten sich ab. Man konnte sich lebhaft vorstellen, wie vom Leben frustrierte Männlein hier ihre Wut auf die Ungerechtigkeit des Lebens im Allgemeinen und auf den weiblichen Teil der Menschheit im Besonderen in die Tastatur rotzten. Mein Mitleid hielte sich arg in Grenzen, würde ein Gericht die Herren zu einer saftigen Geldstrafe verurteilen. Das würde sie zwar noch frustrierter machen – aber ihnen hoffentlich auch eine Lehre sein, mit ihrem Fust zukünftig klüger umzugehen.
Bedenklich an der Dokumentation waren daher auch nicht die Berichte über die Erlebnisse der Frauen, sondern die Schlussfolgerungen daraus. Aus einem juristischen Problem – der ohne Frage üblen Beleidigung von Frauen – wurde wieder einmal ein gesamtgesellschaftliches gemacht, mit den üblichen Schuldzuweisungen und Rufen nach mehr Kontrolle in den sozialen Medien. »Meinungsfreiheit einschränken, um Meinungsfreiheit zu erhalten«, so lautet die Patentlösung für jegliche Missstimmung in der Öffentlichkeit, egal, ob es um Frauenfeindlichkeit, Rassismus oder auch die Corona-Maßnahmen geht. Es mag sinnvoll sein, ein Fahrrad durch ein massives Schloss sicher anzuketten, damit es nicht gestohlen wird, aber Meinungen an die Kette zu legen, hat sich schon immer als Rutschbahn in den Totalitarismus erwiesen. Wo wollte man da auch anfangen? Die Äußerungen »Frauen haben in der Politik nichts zu suchen« oder »Frauen haben von diesen Themen keine Ahnung« mögen mich persönlich auf die Palme treiben, allerdings müsste ich mich auch fragen, ob ich in der Politik tatsächlich am richtigen Platz wäre, wenn ich damit nicht ohne Hilfe durch Zensoren zurechtkäme, die mich künstlich in Watte packen.
»Wasch mich, aber mach mich nicht nass« lautete in den letzten Wochen oft die Verteidigungsstrategie öffentlich kritisierter Politikerinnen, die einerseits nicht als Frau in traditioneller Rolle gesehen werden wollen, aber sich genau auf diese zurückziehen, wenn ihnen Fehler im Amt vorgeworfen werden – und sei es noch so angebracht. Anne Spiegel wurde plötzlich zur treusorgenden Ehefrau, als man ihr vorwarf, trotz der Katastrophe im Ahrtal in Urlaub gefahren zu sein. Auch Christine Lambrecht reagierte nach dem Hubschrauber-Skandal um ihren Sohn ähnlich – sie bat um Verständnis, weil sie ihn so selten treffen könne. Die Damen, die vorher recht kaltschnäuzig zu ihren eigenen Gunsten entschieden hatten, gaben sich wenig reuig, sondern bedauerten sich erst einmal selbst, weil sie nun »frauenfeindlicher Hetze« ausgesetzt seien. Das schafft nicht gerade Sympathien für Frauen in der Politik, die genau, wie es auch von ihren männlichen Kollegen erwartet wird, eine gewisse Krisenfestigkeit an den Tag legen sollten. Mit den vielgepriesenen weiblichen »soft skills« hat dies ebenfalls wenig zu tun – diese sollen schließlich dem gesamten Team zugutekommen. Da stellt sich unwillkürlich die Frage, wie die weiblichen Abgeordneten früherer Generationen mit dem Druck zurechtkamen, dem sie täglich ausgesetzt waren – sie wirken allesamt weitaus souveräner als die Damen, die heute an vorderster Front stehen.
Zu Wort kamen dann tatsächlich Anne Spiegel und Claudia Roth. Claudia Roth hält wohl tatsächlich regelmäßige Lesungen ab, in denen sie einem geneigten Publikum ihre Hasspost vorstellt. Man muss schon von einer gewissen Sensationslust getrieben sein, sich dies über längere Zeit anzuhören, denn was die Schreiber von sich geben, zeugt von vielen einsamen Stunden mit Gewaltpornos vor dem heimischen Fernseher. Ist das wirklich repräsentativ für unsere Gesellschaft? Im realen Leben sind mir noch wenig Männer begegnet, die sich derart widerlich betragen hätten – die wenigen Exemplare, die mir über den Weg liefen, litten eindeutig unter einem schweren psychischen Schaden. Doch, wir ahnen es, Schuld an diesem Frauenhass sollen »die Rechten« tragen.
Prompt erschien Björn Höcke auf dem Bildschirm, mit seinem berühmten Zitat über die Suche nach der verlorenen Männlichkeit. Auch wenn es mich nicht sonderlich verwundert hat, ihn unter den Sündenböcken wiederzufinden – wie könnte es anders sein – rätsele ich bis heute daran herum, was die Suche nach Männlichkeit mit Hassbotschaften an Frauen zu tun hat. Ein in sich ruhender Mann hat sicherlich besseres zu tun, als Claudia Roth zu beschimpfen – es sei denn, es wäre wegen des Unsinns, den sie politisch von sich gibt. Die Hassbriefschreiber aber benehmen sich gerade nicht »männlich« im guten Sinne des Wortes, da sie wie Lurche in ihrem Sumpf sitzen und Angst haben, aus der Deckung zu kommen. Offene Konfrontation ist ihnen fremd – und laufen sie einmal Amok, dann verstecken sie sich hinter ihrer Waffe und dem Überraschungsmoment. Ein solches Verhalten ist auch mit Sicherheit an keine politische Richtung gebunden und auch nicht »männlich«. Björn Höckes Videoausschnitt schicke ich übrigens gern als kleinen Fingerzeig an Herren, die mir gegenüber den starken Max machen, aber dann unter einem Schnupfen zusammenbrechen. Egal, ob sie rechts oder links sind.
Seltsamerweise versteiften sich die in Frankreich befragten Frauen längst nicht so sehr auf die »rechts-links«-Frage, sondern berichteten auch von Übergriffen durch Kollegen der eigenen Partei, in der Beleidigungen genutzt wurden, um die Konkurrenz aus dem Feld zu schlagen. Da glaubt man, mit jemandem an einem Strang zu ziehen, weil man die gleichen politischen Ziele teilt, doch plötzlich erweist sich dieser Mensch als übelster Macho. Während bei Claudia Roth das »Böse« aus der politischen Konkurrenz im Vordergrund stand, schien es den französischen Frauen tatsächlich viel mehr um ein besseres Miteinander anzukommen. Persönlich erschien mir das weitaus plausibler, denn diese Erfahrung habe ich leider auch schon machen müssen: Die Herabsetzung durch Männer etwa, welche sich nicht damit abfinden konnten, dass ich bei »männlichen« Themen mehr Fachkenntnis besaß. Umgekehrt jedoch lernte ich auch viele Kollegen kennen, die gerade das an einer Frau zu schätzen wussten – weil sie selbst kompetent und an einem Wissensaustausch interessiert waren.
»Hass gegen Frauen« ist sicherlich ein wichtiges Thema, aber die einseitige Behandlung stellte sich als sehr ermüdend heraus. Die Fixierung auf »die Rechten« schrie einmal wieder nach gebündelter Propaganda, die Herleitung von Frauenhass aus einem konservativen Bild von Männlichkeit ebenso. Kulturell bedingter Frauenhass wurde hingegen komplett ausgeblendet, denn allein der Hinweis darauf ist – wir ahnen es - »rechts«. Selbstredend wurden auch die Hassmails linker Männer an konservative Frauen (und Männer) nicht erwähnt. Der von ARTE gedrehte Teil der Dokumentation hätte trotz eingestreuter linker Pädagogik durchaus interessant werden können, aber das ZDF hat es geschafft, mit seinem Anteil den Film zu ruinieren. Und das lag nicht nur an dem penetranten Auftritt von Claudia Roth. Vielmehr wurde ich den Eindruck nicht los, dass uns hier wieder einmal unter dem Vorwand, eine Gruppe zu schützen, Meinungsbeschränkungen untergejubelt werden sollten. Es hat schon einen Grund, warum Claudia Roth ihre Hasspost so sehr öffentlich zelebriert. Eine Handvoll Idioten wird uns so als gesellschaftliches Problem verkauft, damit man der Allgemeinheit noch ein Stück Freiheit stehlen kann. Genau das ist nämlich der rote Faden, der sich durch alle diese Maßnahmen zieht und uns langsam die Luft abschnürt.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen