Sonntag, 29. Mai 2022

Was wir von denen Grünen lernen können...

von Mirjam Lübke...

Ein wenig bewundere ich die Grünen - vor allem die Frauen unter ihnen - dafür: An ihnen gleitet jede Kritik ab wie ein Spiegelei aus einer gut geölten Pfanne. Mit einem Standardrepertoire aus immer gleichen Satzbausteinen wird sie sogleich zurückgeschmettert und dem Kritiker zugleich ein schlechtes Gewissen eingepflanzt. Besonders ergiebig dabei ist der Vorwurf der Frauenfeindlichkeit, der beim Publikum immer gut ankommt. Dass man eine ihrer Damen einfach deshalb kritisiert, weil sie keinerlei nennenswerte Leistungen vorzuweisen hat, kommt ihnen erst gar nicht in den Sinn. Wenn es nicht so üble Konsequenzen für unser Land und die Reputation von Frauen in der Politik hätte, müsste man so viel Selbstvertrauen bewundern: Allerdings müssten wir wohl auf die politische Gleichberechtigung heute noch warten, wenn damals statt Elisabeth Selbert Grünen-Jungstar Emilia Fester im Komitee zur Niederlegung des Grundgesetzes gesessen hätte: Dem Rest der Delegierten wäre das Zutrauen in weibliche Politiker wohl dauerhaft abhanden gekommen. 


Immerhin: Bei den Grünen herrscht ein gewisser Zusammenhalt, zumindest nach außen hin. Distanzeritis, wie sie in den sogenannten bürgerlichen Kreisen zum eigenen Statuserhalt gern praktiziert wird, kennen die Grünen nicht, man zeigt Solidarität mit gebeutelten Mitstreitern. Für das Folgende möchte ich mich schon präventiv bei allen Papageienfreunden entschuldigen, aber Festers erster Auftritt erinnerte mich an einen aufgeregten Kakadu, der als Maskottchen auf der Schulter eines Piratenkapitäns sitzt und seine einstudierten Sätze zum Besten gibt: "Kielholen! Alle Ungeimpften kielholen, ihr Süßwassermatrosen!" 

Vielleicht sollte man am Rednerpult des Bundestages eine Sitzstange für einen dieser possierlichen Vögel anbringen, verglichen mit der Diät, welche Fräulein Fester jeden Monat erhält, wären ein paar Beutel Sonnenblumenkerne deutlich günstiger zu haben. Aber ich bin auch ein wenig neidisch: Das Selbstbewusstsein hätte ich in ihrem Alter gern besessen, aber auch den Rückhalt, den sie in den sozialen Medien bei ihren Leuten genießt. Als von Selbstzweifeln geplagter Mensch steht man angesichts der lehrbuchhaften Personifizierung des Dunning-Kruger-Effekts oft vollkommen ratlos da und fragt sich: "Wie kommen die damit durch? Die Dämlichkeit ist doch nicht zu übersehen!"

Es ist die Selbstsicherheit, welche die Basis beeindruckt, aber auch der Zusammenhalt. Es mag sein, dass die grünen Damen sich hinter den Kulissen gegenseitig die Augen auskratzen - ich weiß es nicht - aber sie vermögen es, ihren Leuten das Gefühl zu vermitteln, nicht "allein auf weiter Flur für die Sache zu streiten". Auch wenn wir über Inhalte und Personal nur den Kopf schütteln können, sollte es uns als Angehörigen des rechten oder konservativen Spektrums doch möglich sein, ein wenig von diesem Zusammenhalt zu lernen, zumal wir doch eigentlich die klügeren und erfahreneren Köpfe in unseren Reihen haben. Ähnlich sieht es auch mit den Inhalten aus: Wenn die Grünen eine Idee haben, die sie durchsetzen wollen, kennen sie keinerlei Zögerlichkeit. Dann rasiert das neue Windrad eben die Rosensträucher in deinem Vorgarten ab - die Ideologie heiligt die Mittel! Während wir noch darum kämpfen, an der Debatte überhaupt beteiligt zu werden, setzen sie schon alle Hebel in Bewegung, um ihre Ideen in die Tat umzusetzen, wobei jeder Gedanke an die negativen Auswirkungen dieses Tuns erfolgreich ausgeblendet wird. 

Was haben wir dem entgegenzusetzen? Vor allem bürgerlich-konservative Politiker lassen oft bei der Durchsetzung eines Ziels einen gewissen Pragmatismus vermissen. Es verhält sich bei ihnen so, als würde ein General einen Feldzug planen und vorher die Facebook-Seiten aller beteiligten Soldaten prüfen, ob sie einmal einen unpassenden Scherz gepostet haben. Dabei schaut unser Feldherr wohlgemerkt nicht darauf, ob der Beitrag ihm selbst missfällt, sondern malt sich die Reaktionen des Gegners darauf aus: Könnte dieser dieser etwas gegen den Soldaten einzuwenden haben? Es versteht sich von selbst, dass eine derart durchgeplante Truppe schon überrannt worden wäre, bevor sie ihr erstes Zelt aufgebaut hätte. Zumal sie der anderen Seite bereits die Arbeit abgenommen hat, nach passenden Angriffspunkten zu suchen. 

Man will nicht mit den falschen Leuten gesehen werden. Das wäre in Ordnung, wenn dahinter echte innere Überzeugung steht, ein Wagenburgkomplex, der jegliche interne Kurskorrektur verhindert, ist ebenso falsch. Es geht vielmehr um jene Fälle, wo etwa zwischen Werteunion und AfD Übereinstimmung besteht, etwa in Fragen der Grenzsicherung. Da würde sich sogar der durchaus tapfere Hans-Georg Maaßen eher den großen Zeh abhacken, bevor er zumindest ein temporäres Zweckbündnis eingeht. Die Angst um den eigenen Ruf treibt diese Menschen vor sich her, nicht etwa die Furcht, ihre Werte zu verraten. Politische Gegner können diese Angst nahezu riechen, sie müssen nun nichts anderes mehr tun, als mediale Markierungen zu setzen, den Rest erledigt der Konservative selbst, teilweise sogar gründlicher: "Selbst die eigene Blase will nichts mit XY zu tun haben!", lautet die nach außen gerichtete Botschaft. 

Ähnlich handelte nun die AfD in Niedersachsen, als sie ihrer eigenen Jugendorganisation die Zusammenarbeit aufkündigte. Nach ihrem Wahldebakel wurde eifrig nach Schuldigen gesucht - natürlich nicht in der eigenen Kerntruppe - und wie üblich musste zunächst einmal die Ost-AfD als Verursacher herhalten, obwohl man im Westen von deren Wahlergebnissen nur träumen kann. Warum es nun die eigene Parteijugend getroffen hat, kann man nur spekulieren: War das ein kleines Wohlwollensgeschenk an den Verfassungsschutz? Joana Cotar, stets auf Bürgerlichkeit bedacht wie einst Jörg Meuthen, freute sich offen über die Entscheidung und ließ auf Twitter einen Stein der Erleichterung von ihrem Herzen plumpsen. An der Radikalität der Jungen Alternative kann das wohl kaum gelegen haben, mir ist jedenfalls nichts von Käseigeln mit Hakenkreuz-Fähnchen bei JA-Treffen bekannt. Auch hier gilt, dass andere Parteien zu ihrer Jugend stehen, weil als Faustregel gilt, dass diese sich ein bisschen austoben muss, bevor sie in der politischen Realität ankommt. Die Jusos proklamieren auf ihrem Parteitag schon einmal den Sozialismus - keinen stört es. Ein Vertreter der jungen Grünen startet in den sozialen Medien eine Umfrage, ob man Nazis töten dürfe - es juckt niemanden, obwohl deutlich ist, dass der junge Mann hier nicht etwa den schon toten Hitler gemeint hat, sondern alles rechts der eigenen Partei. 

Gewiss sollten wir uns nicht demselben ideologischen Starrsinn hingeben, der die Linken und Grünen antreibt. Aber es kann nicht schaden, ihre Strategien zu durchleuchten, und sich gegebenenfalls etwas davon anzuschauen, vor allem, was die Einigkeit nach außen angeht. Wer sich nicht selbst wertschätzt, sondern stets auf die Erwartungen von außen schielt, handelt wie ein Autofahrer, der Gas- und Bremspedal gleichzeitig heruntertritt. Wirklich voran kommt man so nicht.


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