Montag, 30. Mai 2022

Wenn der SPIEGEL vor der Blackout-Warnung warnt...

von Mirjam Lübke...

»Die AfD schürt Angst vor dem Strom-Blackout – warum?«, titelte der SPIEGEL vor ein paar Tagen. Man könnte der Redaktion eine kurze und knappe Antwort geben, etwa »Weil der Blackout nun einmal droht« oder »Habt ihr die Energiewende verschlafen?« - aber das interessiert die Journalisten nicht. Seitdem die Blackout-Gefahr von selbiger Energiewende ausgeht, ist sie zum Tabuthema geworden. Auch wenn selbst offizielle Behörden wie das Bundesamt für Katastrophenschutz in Werbespots ihr »Kochen ohne Strom«-Büchlein anpreisen und Ingenieure warnen, dass sie bei Leistungsabfällen nicht mehr mit dem Umschalten zwischen den Versorgern nachkommen – wenn die AfD das Thema aufgreift, muss die Absicht dahinter so finster sein wie Nordkorea bei Stromsperre. 



Ein düsteres Bild von Björn Höcke ziert den Artikel, es ist im Landtag aufgenommen und so nachbearbeitet, als sei der Blackout dort schon eingetreten und die Abgeordneten müssten bei Kerzenlicht ihrer Arbeit nachgehen. Der Spiegel manipuliert Bilder von Björn Höcke gern mit Licht und Schatten, auf dem Titelbild der Ausgabe »Der Dämokrat« machte ich ein gutes Dutzend dieser Bearbeitungen aus. Da das verwendete Bild mit der feschen Kurzhaarfrisur und im schicken Hemd vielleicht doch noch ein bisschen zu sehr nach James Bond aussieht, wird ihm auch gleich noch ein Zitat in den Mund gelegt: Man müsse dann eben den Asylbewerbern den Strom abdrehen. Weil der Rest des Artikels hinter der Bezahlschranke liegt, erfährt der jetzt schon empörte Leser allerdings nicht, dass die SPIEGEL-Redaktion den Satz aus irgendeiner Chatgruppe entnommen hat. Dort plant man angeblich schon Hackerangriffe auf das deutsche Stromnetz, um die düsteren Prophezeiungen der AfD zur Tatsache werden zu lassen. Doch einen Moment – da war doch was?

Vor zehn Jahren erschien Marc Elsbergs Thriller »Blackout – Morgen ist es zu spät« im deutschen Buchhandel und schlug medial ein wie eine Bombe. Der Inhalt des Romans dürfte mittlerweile einer breiten Öffentlichkeit bekannt sein: Es geht um den Hackerangriff auf das weltweite Stromnetz, welcher selbiges vollkommen lahmlegt. Damals waren auch in deutschen Haushalten die ersten »Smartmeter« installiert worden, welche die klassischen Stromzähler nach und nach ersetzen sollten. So ein »Smartmeter« hat es in sich, es stellt die direkte Verbindung eines Haushalts zum Stromanbieter her. Setzen sich die Pläne grüner Ideologen zur vollständigen Umstellung auf E-Mobilität durch, könnte mancher Besitzer eines stromgetriebenen Vehikels auch ohne Hackerangriff eine üble Überraschung erleben: Sollte es zu einer Energieflaute kommen, wäre es den Stadtwerken möglich, der Ladestation in der heimischen Garage einfach den Saft abdrehen. In Großbritannien ist das schon stundenweise Realität, aber auch in Deutschland liegen derartige Pläne in manchen Ministeriumsschubladen herum. Das sagt nicht die AfD, sondern der FOCUS, es nennt sich »Spitzenglättung«.

Als Elsbergs Thriller erschien, lagen Energiewende und Ukraine-Krise noch weit vor uns, aber das Thema »Hacker« lag auch damals im Trend der Zeit. Da die Medien bereits das Internet als Konkurrenten erkannt hatten und es opportun schien, die düsteren Machenschaften jenseits von Katzenvideos und Kosmetiktipps offenzulegen, erfolgte eine breitangelegte Berichterstattung über die möglichen Folgen eines Hackerangriffs auf das deutsche Netz. So informierte etwa das populärwissenschaftliche Magazin »nano« über den ständigen Wettlauf zwischen IT-Experten und Angreifern von außen, denn die Gefahr bestand durchaus, dass die Energieanbieter diesen Wettlauf eines Tages verlieren würden. 

Ingenieure und Mathematiker forderten die Verantwortlichen schon vor Jahren dazu auf, die elektronische Verwaltung des Netzes stärker zu dezentralisieren, um notfalls einzelne, von Schadsoftware betroffene »Cluster« zum Schutz des restlichen Netzes abkoppeln zu können. Geschehen ist in dieser Richtung nicht viel – Deutschland ist auch deshalb so oft Opfer von Hackerangriffen, weil es in Sachen IT-Sicherheit als Entwicklungsland gilt. 

Solange die Schuld für einen generellen Blackout noch bei den finsteren Gestalten im Darknet lag, konnte auch noch offen über die möglichen Folgen gesprochen werden, die Elsberg so drastisch beschreibt. In seinem Roman simuliert die Schadsoftware eine Überlastung des Stromnetzes, was zu einer europaweiten Notabschaltung aller Kraftwerke führt. Die Lichter gehen aus, die Infrastruktur bricht zusammen. Nachdem sich die Menschen in den ersten Tagen noch gegenseitig helfen, bricht bald der Kampf um Lebensmittelvorräte und Kraftstoff aus, nur wenige Glückliche verfügen über Dieselgeneratoren, die ihre Häuser noch eine Weile mit Strom versorgen. 

»Warum haben die Idioten die Kraftwerke nicht einfach wieder hochgefahren?«, mag sich mancher beim Lesen des Klappentextes gefragt haben. Auch das beschreibt Elsberg ausführlich: Zum Hochfahren der meisten Kraftwerkstypen braucht es erst einmal – man mag es kaum glauben – Strom! Lediglich Wasserkraftwerke können aus dem Stand wieder in Betrieb genommen werden, bei ihnen reicht eine Batterieladung für die Instrumente, den Rest erledigt die Kraft der Natur. Österreich ist in dieser Beziehung weitaus besser aufgestellt als Deutschland. 

Heute ist das Stromnetz doppelt gefährdet, denn die Gefahr durch Hacker ist längst nicht behoben. Sie müssen noch nicht einmal mehr ein komplexe Schadsoftware ins System einspeisen, sondern dieses einfach nur durch eine Vielzahl von automatisierten Anfragen lahmlegen. Hinzu kommt das durch die Energiewende geschwächte deutsche Netz, nachdem zum Ende des letzten Jahres gleich zehn Kohle- und drei Kernkraftwerke abgeschaltet wurden. »Zur Not kann man ja was aus dem europäischen Ausland dazukaufen«, hieß die naive Devise, die vor allem die Verbraucher teuer zu stehen kam. Kunden von Billiganbietern flogen gar aus ihren Verträgen und mussten mit den zuständigen Stadtwerken neue, weitaus teurere abschließen. Der Markt rächte sich am Alleingang der Deutschen. 

Da stehen wir nun, haben das Alte, Bewährte auf den Müll geworfen aber noch keinen brauchbaren Ersatz am Start, denn auch die Windräder, die unsere Landschaft mehr und mehr zupflastern, liefern ohne Speichermöglichkeit keine zuverlässige Grundlastversorgung. Im Übrigen werden auch sie von einer störungsanfälligen Software gesteuert, denn so ein Windrad ist sensibel, es mag weder zu viel noch zu wenig Wind, dann schaltet es sich ab oder dreht sich erst gar nicht. Noch können Frequenz- und Leistungsschwankungen im deutschen Stromnetz durch sogenannte »Redispatches« vermieden werden, das sind außerplanmäßige Umschaltvorgänge der Netzbetreiber. Schon im Jahr 2020 kostete das etwa 220 Millionen Euro, die auf die Verbraucher umverteilt werden. 

Unser Stromnetz ist durch die leichtfertige Energiewende zu einer empfindsamen Diva geworden, die gerne einmal in Ohnmacht fällt. Bisher ist es bei lokal auftretenden Blackouts geblieben, die oft durch Störungen in Umspannwerken entstanden, einmal in Dresden durch so etwas Alltägliches wie einen Folienballon, den man auf jeder Kirmes kaufen kann. Das reichte aber schon für einen stundenweisen Zusammenbruch der Infrastruktur und Verkehrschaos durch ausgefallene Ampeln. Man muss kein »Panikmacher« sein, um vor einem Blackout zu warnen, sondern sich nur ein wenig im Netz umschauen, dort findet man genug besorgniserregende Informationen aus seriösen Quellen, die einen freiwillig einen Notvorrat an Kerzen anlegen lassen. Die AfD-Thüringen hat nichts anderes getan, als diese Informationen für Verbraucher zusammenzufassen, inklusive einiger Tipps, wie man sich für den Notfall vorbereiten kann. Wenn die SPIEGEL-Redaktion sich nicht die Mühe macht, selbst umfassend zum Thema zu recherchieren – und das ist wirklich nicht schwierig – sollte sie ihre Verschwörungstheorien etwas sparsamer dosieren. Vielleicht müssen auch dort die Artikel dank der Energiewende eines Tages wieder bei Kerzenschein auf einer alten Schreibmaschine getippt und anschließend per Hand gedruckt werden? Das hätte zwar einen nostalgischen Reiz – würde aber manchen an moderne Elektronik gewöhnten Jungjournalisten einigermaßen überfordern.


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