Dienstag, 24. Mai 2022

"Einmal Sushi mit Ketchup, bitte!"

von Mirjam Lübke...

Sollte man einmal die Gelegenheit haben, in Osaka traditionelles Sushi zu essen, dann empfiehlt es sich kaum, ein Tütchen Ketchup aus der Tasche zu holen um es über den köstlichen Röllchen zu entleeren. Die Japaner stellen die besten Küchenmesser der Welt her, der Koch könnte aufgrund gekränkter Ehre zu einem davon greifen. Oder er schickt als Gruß aus der Küche ein Häppchen Kugelfisch, welches der Azubi im ersten Lehrjahr gerade filetiert hat. In koscheren Restaurants gibt es zwar keinen Kugelfisch, aber ebenfalls einige No-Gos: Auf Kräuterbutter zum Steak wartet man vergeblich und auch die Bestellung von Ei mit Speck dürfte ins Leere laufen. Seitdem ich in Amsterdam einmal beim Inder Lamm gegessen habe, weiß ich, was "scharf" bedeutet. Um mir keine Blöße zu geben, aß ich tränenüberströmt, aber mit Todesverachtung zuende - der Kellner war so höflich, mich mit ausreichend Brot zu versorgen.


Andere Küchen, andere Sitten - und als Gast empfiehlt es sich, entweder von vornhinein zu verzichten oder die Sache tapfer durchzuziehen. Notfalls muss man eine exotische Allergie ins Spiel bringen, um sich höflich aus der Affäre zu ziehen. Aber daheim, am heimischen Herd möchte ich dann doch gern selbst entscheiden, was ich essen will: Sushi mit Erdbeermarmelade, Chili con Carne mit Mais oder schlabberweiche italienische Nudeln mit drei Pfund Parmesan - mein Bauch, meine Regeln! Den Koch in Osaka wird es nicht stören, es sind nicht seine Töpfe und Teller, die ich entweihe. 

Aber die Kulturredaktion mancher Tageszeitung interessiert es, flankiert von zahlreichen Aktivisten. Die Diskussion um "kulturelle Aneignung" geistert nun schon eine Weile durch die Medien, erst ging es um Frisuren und Kleidung, jetzt ums Essen. Die "Rassentrennung" nimmt wieder Fahrt auf, nur diesmal unter anderen Vorzeichen. Wobei ich mich stets frage, wen, außer ein paar Puristen es stört, wenn ich morgen beschließe, Kimono zu tragen oder die Kochtopffrisur der südamerikanischen Guarani. Wo sollte das auch enden? Schon seit dem Mittelalter erreichen Deutschland exotische Stoffe aus Nordafrika. Und bei unseren Lebensmitteln gibt es einige Beispiele gelungener Integration. Kartoffeln und die deutsche Küche lieben sich heiß und inniglich. 

In den letzten Jahren wurde hart daran gearbeitet, uns Migration als Bereicherung zu verkaufen. Wir sollen über gestiegene Kriminalitätsraten und Clanbildung in den Großstädten hinwegsehen. Den Zustand in deutschen Schulen, in die zwar kein gutverdienender Grüner seine eigenen Kinder schicken mag ("wegen der Förderungschancen") - in denen deutsche Kinder aber in der Minderheit sind. Was uns immer noch mit der Einwanderung versöhnt hat, ist das Stückchen Urlaub in der Gastronomie. Mir erschien es so, als sei Zuwanderung für viele Grüne und Linke ein einziges Folklorefest mit netter Musik und Volkstänzen. Jetzt nehmen sie uns auch noch das. 

Ab in die Eintönigkeit! Dürfen Deutsche jetzt nur noch Eisbein mit Knödeln essen (um dann danach dafür auch noch verspottet zu werden?). Nichts gegen Knödel, die liebe ich heiß und fettig, aber Essensapartheid braucht nun wirklich niemand. Im propagierten "bunt" ist keine Flexibilität vorgesehen, alles soll sich hübsch an seinem Platz aufhalten, damit man genau weiß, wie viel Rederecht und Buntheit jedem zusteht. Denn eins steht ebenso fest - die ganz straffen Regeln gelten natürlich nur für Weiße. Die sind offenbar toleranter: Sollte irgendwo in Kenia ein Afrikaner die Idee haben, eine Bratwurstbude aufzumachen, würde das keinen Deutschen stören - warum auch? Wenn er dann noch eine deutsche Fahne an die Braterei hängt, würden Touristen begeisterte Selfies an die Lieben in Frankfurt und Bochum schicken. 

Die No-Go-Areas in Deutschland haben hingegen gar nichts mehr Buntes an sich, schon vor ein paar Jahren fiel mir auf, dass es nirgends so wenig multikulturell zugeht wie etwa in Duisburg-Marxloh, es sei denn, man betrachtet zwei oder drei deutsche Discounter als Farbklecks. Andere Migranten, so etwa Italiener oder Chinesen, sind längst weg, weil sie sich lieber in die deutsche Gesellschaft integrieren als in eine islamisch dominierte. Auch die eher westlich geprägten Türken zieht es weiter in den Norden Richtung Niederrhein. Marxloh ist nicht bunt, sondern ergraut - es wirkt zunehmend verwahrlost. 

Ob ein Journalist der Zeit oder eine grüne Politikerin hier auf Dauer leben wollte? Eine Zeitlang könnte man es sich eventuell als eine Art Bohème schönreden, wo alles "herrlich authentisch" ist - was dem Bewohner einer modernen türkischen Großstadt wohl ein irritiertes Kopfschütteln abnötigen würde. Denn es ist schon merkwürdig, wie man das schäbige Äußere eines solchen Stadtteils mit der eigenen Migrationsromantik in Einklang bringen kann. Es sei denn, man akzeptiert es als gegeben, dass Migranten grundsätzlich in einer solchen Umgebung leben möchten. Aber spätestens, wenn die Planung einer Familie ansteht, ziehen unsere Folkloristen dann weiter - sie können es sich schließlich leisten. 

Und dann wissen sie genau, was gut und richtig ist, schließlich sind sie kurzfristig in die exotische Welt abgetaucht. Da fühlt man sich doch gleich dem unerfahrenen Nachbarn gegenüber ein bisschen überlegen - und wenn es nur um die Zubereitung einer indischen Reispfanne zum Abendessen geht. Oder jemand eine Scheibe Ananas auf seinen Toast legt, was der hawaiianische Schamane, den man auf der letzten Rucksacktour kennengelernt selbstverständlich nie tun würde. Ab jetzt gibt es sicherheitshalber nur noch Haferflocken mit Trockenpflaumen zu essen, da kann dann nichts mehr schief gehen.




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