Montag, 25. September 2017

Wahlnachlese: Nach der Wahl ist vor der Wahl...

von Thomas Heck...

War das etwa langweilig gestern? Eine Wahl hat Deutschland durcheinandergewürfelt, was schon grundsätzlich deswegen zu begrüßen ist, werden doch verkrustete Strukturen aufgebrochen und das Parlament wieder für seine originäre Aufgabe, nämlich der Kontrolle der Regierung, gestärkt. Und noch eine Legislaturperiode mit einer Großen Koalition hätte auch der treueste Anhänger von Union und SPD nicht mehr gewollt. Sterben aus Langeweile wäre das Credo.


Wir haben gestern in der Elefantenrunde zwar eine Kanzlerin Merkel gesehen, der man ansah, dass sie froh war noch einmal mit einem blauen Auge davongekommen zu sein, die aber insgesamt beschädigt und stark lädiert aus dem Wahlergebnis herausgeht. Hier wird abzuwarten sein, ob ihr die Bildung einer Koalition mit FDP und Grünen gelingen wird, zwei großmäuligen Partnern, die aber selbstbewusst und gestärkt aus den Wahlen hervorgegangen, sich aber inhaltlich und menschlich spinnefeind sind und bleiben werden. Merkel wird sich noch an Kabinettssitzungen gemütliche Zeiten der Großen Koalition zurücksehnen, davon darf getrost ausgegangen werden. Vielleicht wären die Parteien gut beraten, ihre Wahlplakate in den Straßen unserer Städte noch etwas hängenzulassen. Neuwahlen sind nicht per se ausgeschlossen.

Die CSU hat in Bayern kräftig Federn gelassen. Seehofers halbherzige Versuche, Merkel zur Vernunft zu bringen, wurden als unglaubwürdig vom Wähler abgestraft. Ein starker und glaubwürdiger Seehofer hätte die Koalition platzen lassen. Wie die CSU nun angesichts der Koalitionsmöglichkeiten sich überhaupt über Wahlkampf profilieren kann, wenn Grüne Koalitionspartner werden, müssen die Strategen noch erarbeiten. Seehofer werden hierüber die Haare noch grauer werden.

Demokratie lebt vom Wechsel. Dies sagte eine europäische Politikerin einmal aus Überzeugung. Es war Angela Merkel, die man an ihre eigenen Worte und Taten wird messen müssen. 12 Jahre Merkel sind gefühlt mehr als genug. 

Das scheint ja auch die Sichtweise der SPD zu sein, die hoffentlich den Avancen Merkels, doch noch die Große Koalition fortzusetzen, widerstehen wird. Doch allzu süß ist es, den Nektar der Macht gekostet zu haben. Und allzu bitter ist die Arbeit in den SPD-Ortsvereinigungen von Würselen. Also doch besser an die Macht? Aber Demokratie lebt vom Wechsel. Über die Linkspartei verlier ich nichts. Für mich die eigentlichen Demokratiefeinde. Und für einen politischen Wechsel taugt die Linkspartei eh nicht.

Apropos Wechsel. Der neue Deutsche Bundestag wird ein ziemlich bunt zusammengewürfelter Haufen sein, da wird es laut knallen, rauchen und stinken. Die Zeit der Samthandschuhe ist vorbei. Gottseidank. Es bleibt zu hoffen, dass die neuen Abgeordneten der AfD sich mehr mit dem politischen Gegner und mit der Regierung beschäftigen werden, als mit sich selbst. Es bleibt nämlich abzuwarten, ob die AfD es schafft, sich nicht selbst zu zerfleischen. Die erste Pressekonferenz der AfD nach der Bundestagswahl begann jedenfalls mit einem Donnerschlag. Frauke Petry, Parteivorsitzende und eine von drei Direktkandidaten der AfD, die in den Deutschen Bundestag einziehen werden, gab bekannt, dass sie nicht der AfD-Fraktion angehören und ihr Direktmandant als parteilose Abgeordnete wahrnehmen werde. Ein Schritt, den sie seit Wochen schon plane und nun plötzlich am Tage nach der Wahl ihren überraschten Parteifreunden coram publico mitteilte. Da sitzt das Hemd auch näher als die Jacke und eine Bundestagsmandat ist auch pekuniär nicht zu verachten, nicht nur, wenn man aus der Privatinsolvenz kommt. Dennoch scheint sich auch für die AfD die alte Weisheit zu bestätigen, wonach die Steigerung Freund, Feind, Parteifreund offensichtlich parteiübergreifend Gültigkeit besitzt.

Es ist müßig, am Tage nach der Wahl einen Tipp abzugeben, in welche Richtung Deutschland marschieren wird. Aber eine möchte ich doch noch anmerken. Ist Ihnen eigentlich aufgefallen, dass es während des Wahlkampfs keinerlei Einflußnahme, keinerlei Kommentar oder Spitze für oder gegen eine Partei oder einen Kandidaten aus Washington vom US-Präsidenten Trump gab? Genau. Und so sollte es auch sein. Eine Lehre, die unsere Politiker aller Parteien noch lernen werden müssen.

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