Freitag, 1. September 2017

Schara Al Arab mitten in Berlin

von Thomas Heck...

Ab morgen sendet das ZDF die Sendung Die Berliner Sonnenallee aus der Reihe Mein Land, Dein Land. Es zeigt den Niedergang einer Berliner Straße, der Sonnenallee im ehemaligen Arbeiterbezirk Neukölln, die heute eher einer Hauptverkehrsstraße in Libanon oder in Syrien ähnelt, denn einer Straße in Europa. Arabische Geschäfte neben arabischen Geschäften. Von außen teilweise für Deutsche nicht mehr erkennbar, was der Geschäftszweck ist, alles in arabischer Sprache. 


Was in der ZDF-Reportage etwas verträumt-romantisch rüberkommt, ist für die alteingessenen Bewohner ein Alptraum. Ob die Straße den Umbau in eine arabische Straße verkraften wird, muss sich noch erweisen, ertönt es aus dem Off. Gefragt hat die Bewohner keiner. So wie uns insgesamt niemand gefragt hat, ob wir den Umbau Deutschlands zum Flüchtlingslager der Welt wollen oder nicht.

So schreibt das ZDF: Es riecht nach Heimat und ist doch in Berlin - die Sonnenallee im Bezirk Neukölln ist zur "Schara Al Arab", zur arabischen Straße, geworden. Viele Migranten finden hier ihren ersten Anlaufpunkt.


Friseursalons reihen sich an Geschäfte mit orientalischen Backwaren und Schaufenstern mit üppig verzierten Hochzeitsgewändern. Arabische Satzmelodien mischen sich mit dem Lärm der dicht befahrenen Straße, ein Gewirr aus lauten Stimmen, Hupen und Polizeisirenen.

Aber wenn Imat um sieben Uhr morgens seine Konditorei aufschließt, dann ist es ruhig in der Sonnenallee. Vor mehr als 20 Jahren kam er nach Deutschland, geflüchtet vor dem Bürgerkrieg im Libanon. Er macht in Berlin das, was er im Libanon gelernt hat: Zuckerwaren. Das sind klebrig süße Pistazien, Mandeln und anderes Nussgebäck, in kleine, fingerdicke Portionen geschnitten, die gewaltige Kalorienmengen in sich verbergen und einen hohen Suchtfaktor mit sich bringen. 

In seiner arabischen Konditorei sieht es aus wie im Vorderen Orient, aber es gibt auch Obsttörtchen für die deutsche Kundschaft. Im Laden arbeitet die ganze Familie mit, Sohn, Schwiegersohn, Neffe, und auch zwei geflüchtete Syrer hat er in der Backstube beschäftigt. Imat hilft gern, er weiß, wie schwer es ist, in einem Land anzukommen, ohne eine Ahnung von dessen Kultur zu haben. 

Die Zuckerbäckerei ist ein Anlaufpunkt für viele in der Sonnenallee. Für Flüchtlinge, die eine Wohnung suchen, für die Inhaberin des Brautkleiderladens, die sich Baklava zum Tee kauft, für syrische Familien, die schon lange hier leben und Heimatliches essen möchten.

Auch der türkischstämmige Kommissar kommt – nach einigen Festnahmen von Drogendealern und dem sich anschließen Papierkram – gelegentlich in die Konditorei. Er kann nur die kleinen Dealer auf den Straßen rund um die Sonnenallee festnehmen, an die Hintermänner kommt man schlecht ran. Viel zu oft werden sie schon bald wieder freigelassen. Die Neuköllner Bürgermeisterin Franziska Giffey fordert mehr Polizei und Ordnungskräfte rund um die Sonnenallee. Eigentlich, sagt sie, müsste die Polizei rund um die Uhr Präsenz zeigen. Aber dafür fehlen die Mittel.

Trotzdem ist sie stolz auf die Sonnenallee. Viele Geschäfte arabischer Einzelhändler florieren. Manche wurden erst vor kurzem von syrischen Geflüchteten eröffnet. Sie arbeiten hart und zeigen, dass man dem deutschen Staat nicht auf der Tasche liegen muss. Sie strengen sich an, die deutsche Sprache zu lernen und schicken ihre Kinder in die Schule. So könne Integration gelingen.

Aber nicht alle Anwohner der Sonnenallee sind da so optimistisch. Johanna, die in einer Seitenstraße der Sonnenallee wohnt, sieht die Veränderung kritisch. Vor einigen Jahren hatte die Stadtführerin bei ihren Touren den Kiez noch als multikulturellen Schmelztiegel angepriesen. Nun warnt sie vor naiver Beschönigung der Situation. Die Ausbreitung der muslimischen Kultur vor ihrer Haustür würde das gefährden, was die Frauenbewegung mühsam erkämpft habe – der Geist der Freiheit und des Selbstbestimmungsrechts würde von einer selbstherrlichen Machokultur verdrängt. 

Die Sonnenallee ist eine Straße die polarisiert. Der Film führt in das Innenleben der Straße, die zu den interessantesten Orten Deutschlands gehört. Denn hier zeigt sich, ob Integration gelingen kann.

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