von Thomas Heck...
Ob zur Kita, zur Demo oder vom Sommerfest nach Hause: Der Brandenburger Linkspartei-Abgeordnete Norbert Müller hat den Fahrdienst des Bundestags wohl schamlos ausgenutzt. Müller sah sich offenbar im Recht, doch seine Bundestagsfraktion ist nun sauer auf ihn - und Müller muss auf die Autos verzichten.
Er ließ sich seit Ende 2014 Dutzende Male kostenlos herumkutschieren: Der Potsdamer Linken-Bundestagsabgeordnete Norbert Müller muss sich wegen allzu großzügiger Nutzung des Parlamentsfahrdienstes rechtfertigen. Denn Müller nutzte Dienstfahrzeuge nicht nur im Stadtgebiet von Berlin, wie es eigentlich gedacht ist – sondern fast 70 Mal auch für Fahrten außerhalb der Stadt, vor allem in seine Brandenburger Heimat und den dortigen Wahlkreis. Müller hatte die Fälle selbst eingeräumt. Er veröffentlichte eine Liste seiner Fahrten im Internet, hier ein paar Beispiele im Wortlaut:
- "06./07.05.2015: Fahrten von zu Hause zum Reichstagsgebäude und zurück (GDL-Streik die ganze Woche)"
- "13.08.2015: 11.00 Uhr von Rathaus Ludwigsfelde nach Proschim/Lausitz (Sommertour Landesgruppe)"
- "05.07.2016: nach 21.00 Uhr von Beach Mitte (Berlin), Sommerfest der Fraktion DIE LINKE im Bundestag nach Hause"
- "02.06.2016: 14.30 vom Büro nach Hause (Kind musste spontan aus Kita abgeholt werden)"
In den meisten der 60 Fälle ließ sich Müller entweder in seine Heimat bringen oder von dort abholen – und glaubte sich offenbar im Recht. „Die Ausübung des Mandates bringt es mit sich, dass Abgeordnete regelmäßig Termine wahrnehmen müssen, die entweder sehr spät am Abend oder sehr früh am Morgen stattfinden, sodass eine Ab- und Anreise mit dem ÖPNV nicht oder nur sehr eingeschränkt möglich ist“, versuchte sich Müller auf seiner Homepage zu erklären. „Die Bundestagsfraktion der Linken stellt daher, wie andere Fraktionen auch, den Fahrservice für die Abgeordneten zur Verfügung“, so seine Worte.
Doch damit sitzt Müller einem gehörigen Irrtum auf, wie die parlamentarische Geschäftsführerin der Linksfraktion, Petra Sitte, im Gespräch mit FOCUS Online klarmacht: „Wenn ein Fraktionskollege von außerhalb Berlins kommend morgens um 7.30 Uhr auf der Matte stehen muss, dann soll er die öffentlichen Verkehrsmittel oder meinetwegen ein Taxi nehmen. Der Parlamentsfahrdienst ist dafür nicht gedacht“, sagt sie. „Das war das Problem bei Norbert Müller. Dass er offenbar davon ausging, dass es normal wäre, den Fahrdienst für solche Zwecke zu nutzen.“
Einige der 60 Fahrten seien zwar in Ordnung gewesen – andere waren es nicht, so Sitte. Müller habe sich offenbar auch zu einigen Veranstaltungen fahren lassen, die der Arbeit in seinem Wahlkreis dienten. „Auch dafür sind die Fahrzeuge in Berlin nicht gedacht.“ So steht es auch auf der Homepage des Bundestags: Fahrten in Ausübung des Mandats - zum Beispiel im Wahlkreis - müssen Abgeordnete demnach selbst aus der "schmalen" Kostenpauschale bezahlen.
„Für Ziele außerhalb von Berlin hat jede Fraktion täglich zwei Fahrten zur Verfügung“, erklärt Sitte weiter. „Das sind meistens Termine, bei denen die Fraktion vertreten wird.“ Der Fahrtdienst außerhalb Berlins sei daher in der Regel für die Fraktionsführung gedacht – und nicht für normale Abgeordnete wie Müller.
Wie konnte es dann überhaupt zu Müllers Nutzung des Fahrdienstes kommen? Der Fehler liegt im System. „Wenn ein Abgeordneter aus der Linksfraktion den Fahrdienst für außerhalb Berlin buchen will, muss sein Antrag dafür kein klassisches Genehmigungsverfahren durchlaufen“, gibt Sitte zu. Das heißt: Jeder Linken-Abgeordnete kann den Fahrtdienst für außerhalb Berlin einfach buchen – und braucht dafür keine gesonderte Genehmigung durch die Fraktion. Das nutzte Müller offenbar aus.
Die parlamentarische Geschäftsführerin der Linksfraktion verteidigt die gängige Praxis jedoch. „Von den anderen Abgeordneten gab es keine derartigen Bestellungen wie von Norbert Müller. Ein Großteil der Fraktion hat den Fahrdienst außerhalb Berlins sogar noch nie genutzt. Daher sahen wir nie Anlass, an der Genehmigungspraxis etwas zu ändern“, so Sitte.
In der Fraktion soll nun teils Wut darüber herrschen, dass Müller den Fahrtdienst sogar deutlich öfter in Anspruch nahm als etwa Fraktionschef Dietmar Bartsch. Sie selbst sei erst im September darauf aufmerksam gemacht worden, dass Müller den Parlamentsfahrdienst intensiv nutzen soll, sagt Sitte. „Ich habe mir anschließend zuarbeiten lassen, ob das wirklich der Fall war und sofort gesagt: Das wird nicht fortgesetzt.“
Müller selbst schreibt auf seiner Homepage, dass er als junger Vater Verantwortung für seine Kinder übernehmen wolle – und aufgrund der häufigen Termine am späten Abend deswegen „wohl auch in Zukunft“ auf die Nutzung des Fahrdienstes angewiesen sein werde.
Die parlamentarische Geschäftsführerin Sitte macht ihm nun einen Strich durch die Rechnung. „Es gibt keine weitere Bereitstellung von Fahrzeugen für Norbert Müller“, sagt sie.