Freitag, 18. Mai 2018

Mehr Verräter als Whistleblower?

von Thomas Heck...

Es klingt wie aus einer korrupten Bananenrepublik und spielt doch mitten in Deutschland. Da winkt eine Bamf-Leiterin vermutlich tausenden von Asylverfahren durch, doch die Aufklärer werden versetzt, öffentlich verunglimpft und unglaubwürdig gemacht, um die Aufklärung skandalöser Vorfälle zu vertuschen. Da passt es wohl ganz gut, die Aufklärerin mal für den Penthouse posierte und auch zur Selbstdarstellung neigt, was man allerdings auch Claudia Roth vorwerfen könnte, bis auf den Auftritt im Penthouse, der uns allen gottlob erspart blieb. Doch hier sieht man, dass ein Whistleblower nur dann Schutz geniesst, wenn er nicht die heiklen Themen anspricht. Tausendfacher Asylmißbrauch, Rechtsbruch und Steuerverschwendung gehört jedenfalls zu den Themen, über die nicht gesprochen oder aufgeklärt werden darf. Wenn der Skandal vielleicht dann noch bis in höchste Regierungskreise reicht, dann erst recht. Und so wird man ganz schon schnell zum Verräter, obwohl man eigentlich ein Whistleblower ist.



Ein Asyl-Skandal setzt Horst Seehofer unter Druck. Nun soll es bei der Aufklärung der Affäre um die Bamf-Leiterin zu einer handfesten Auseinandersetzung gekommen sein.

Bremen/Berlin - Josefa Schmid ist die Bürgermeisterin der kleinen Gemeinde Kollnburg im Landkreis Regen. Die FDP-Politikerin versetzt seit Tagen Deutschland in Aufruhr. Täglich kommen neue Details ans Licht. Nun ein weiteres Kapitel.

Schmid sollte am Mittwoch bei den Behörden in Bremen als Zeugin aussagen. Ihre „Enthüllungen“ sollen aufgeklärt werden. Sie behauptet, dass die frühere Leiterin der Bremer Außenstelle des Bundesamts für Migration (Bamf) dazu beigetragen habe, dass zwischen 2013 und 2016 mindestens 1200 Asylbewerber womöglich zu Unrecht Schutz erhielten. Die Beschuldigte ist mittlerweile nicht mehr im Amt. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen sie sowie gegen fünf weitere Beschuldigte - darunter drei Rechtsanwälte und ein Dolmetscher. Es besteht der Verdacht der Bestechlichkeit und der bandenmäßigen Verleitung zur missbräuchlichen Asylantragsstellung.

Die Zeugenvernehmung Schmids, die gegen ihren Willen zurück zu ihrer vorherigen Dienststelle in Deggendorf versetzt wurde, sollte im Laufe des Tages an ihrem alten Arbeitsort in Bremen fortgesetzt werden. Doch dazu kam es nicht. Wie unsere Onlineredaktion erfahren hat, soll es nach Ankunft Schmids zum Eklat gekommen sein. Thomas B.*, ein hochrangiger Mitarbeiter der Bamf-Behörde in Bremen, soll ihre Unterlagen durchsucht und sogar versucht haben, ihren Koffer mit privaten Inhalten zu durchwühlen. Er begründete dies unserem Informanten nach damit, dass Schmid Beweismaterial für die Staatsanwaltschaft aus der Behörde schmuggeln wolle. Schmid ließ das nicht über sich ergehen, soll B. daran gehindert haben, indem sie ihm auf die Finger gehauen habe - im Beisein der Kriminalbeamten und der Staatsanwaltschaft. Schmid musste abziehen, die Zeugenvernehmung an anderer Stelle weitergeführt werden.

Eine Bamf-Sprecherin reagierte gegenüber unserer Redaktion: „Es kann bestätigt werden, dass es gestern einen Termin in der Außenstelle Bremen gegeben hat, um möglicherweise ermittlungsrelevante Unterlage an die Staatsanwaltschaft Bremen zu übergeben.“ Das Innenministerium und das BAMF würden die Ermittlungsarbeiten der Staatsanwaltschaft Bremen selbstverständlich bestmöglich unterstützen. „Aus diesem Grund wurde mit der Staatsanwaltschaft ein Termin vereinbart, der am 16.05.2018 zusammen mit Frau Schmid und in Begleitung von Mitarbeitern der Staatsanwaltschaft Bremen und der ZAKS (Zentrale Antikorruptionsstelle des MI Bremen) in der Außenstelle Bremen in Anwesenheit eines Mitarbeiters des Hauses stattfand. Der Staatsanwaltschaft wurden nach Betreten des zuvor versiegelten Büros die erbetenen Dokumente herausgegeben. Frau Schmid wurde Gelegenheit gegeben, persönliche Unterlagen aus dem Büro mitzunehmen.“

Zum Vorwurf der Durchsuchung von Schmid durch einen Bamf-Mitarbeiter, gab das Bundesamt keine Auskunft. Auch die Staatsanwaltschaft Bremen wollte zu möglichen Übergriffen auf Anfrage unserer Redaktion keine Auskunft geben. 

Asyl-Affäre setzt Seehofer unter Druck

Die Affäre entwickelt sich für Bundesinnenminister Horst Seehofer zu einem echten Problem. Auf die ersten Kontaktversuche Schmids soll Seehofer nicht reagiert haben. Zudem soll der CSU-Chef laut einem Medienbericht bereits Ende März einen Hinweis auf den Skandal in der Bremer Außenstelle des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bamf) erhalten haben. Das Redaktionsnetzwerk Deutschlandberichtet über eine SMS, welche die damalige Leiterin Josefa Schmid am 30. März an Seehofers private Handynummer geschickt haben soll. Während das Ministerium vorher erklärt hatte, man habe erst am 19. April davon erfahren. 

Die FDP forderte am Donnerstag einen Untersuchungsausschuss des Bundestags zu den Vorgängen in der Bremer Bamf-Außenstelle. Der Grünen-Abgeordnete Tobias Lindner rief Seehofer im Bundestag zu: „Tun Sie nicht so, als wären Sie der Chef-Aufklärer. Was wussten Sie und wann wussten Sie es?“

Seehofer nahm das Bamf gegen den Vorwurf der Unfähigkeit und Vertuschung in Schutz. „Dort wird heute eine gute Arbeit geleistet für unser Land in einem ganz wichtigen Bereich“, sagte er in seiner Parlamentsrede. Es sei falsch, das mögliche Fehlverhalten einiger Mitarbeiter allen Beschäftigten anzulasten. Gleichzeitig trat Seehofer dem Vorwurf entgegen, die Aufklärung in der Angelegenheit nicht entschieden genug vorangetrieben und eine Mitarbeiterin, die dazu beitragen wollte, strafversetzt zu haben.

Josefa Schmid hatte die Leitung der Bremer Außenstelle im Januar angetreten. Inzwischen musste sie ihren Posten wieder räumen. Obwohl sie sich juristisch gegen ihre Abberufung wehrt, führt die Nürnberger Bamf-Zentrale für die Versetzung „Fürsorge“-Gründe an.

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