Mittwoch, 16. Mai 2018

Quo vadis Bundeswehr? Wozu überhaupt Streitkräfte?

von Thomas Heck...

Einfach ist es nicht für Ursula von der Leyen. Verantwortliche für die Verteidigung müssen immer auch Meister/in der Selbstverteidigung sein. Und immer kämpfen. Nicht zuletzt um mehr Geld. Dass die Kanzlerin Leyen beim Finanzminister raushaut, ist bei Weitem nicht sicher. Dass die Truppe sich hinter ihr versammelt, auch nicht. Bisher sind es Gerüchte, Hinweise, aber wenn es mehr ist, wird es sich bald weisen: Es soll eine Kündigungswelle bei der Bundeswehr geben, also vermehrt Anträge auf Entlassung. Grund ist demnach die aktuelle Sicherheitslage in Europa, vor allem die wachsende Konfrontation zwischen dem Westen und Russland. Die krisenhafte Lage in Nahost tut ihr Übriges. Da wird es zunehmend eine Herausforderung, junge Menschen für den Dienst an der Waffe zu gewinnen. Ob sich Ursula von der Leyen ihr Amt so schwierig vorgestellt hat?

Die Bundeswehr bietet im 5. Jahr unter der Führung der "Verteidigungsministerin" Ursula von der Leyen ein Bild des Schreckens, dass man sich schon fragen muss, warum Merkel zur Belohnung die Katastrophenministerin in der Verlängerung geschickt hat. Wobei es aber auch egal ist, haben doch 25 Jahre Reform unsere Bundeswehr dahingehend modifiziert, dass sie nicht mehr einsatzbereit ist. Wenn die Absicht darin bestand, die deutsche Kriegsmaschinerie zu zerstören, und zwar auf eine staatstragende Art und Weise, dann wurde das Manöver erfolgreich zum Abschluss gebracht. 


Schiffe, Flugzeuge und Panzer sind nicht einsatzbereit, dafür werden Uniformen für Schwangere eingeführt, Kindergärten eingerichtet, ein neuer Traditionserlass auf die Truppe losgelassen. Alles Maßnahmen, die einen vermeintlich dunklen Geist in der Truppe erhellen sollen, der am ehesten einem dubiosen Franco A. entspricht, der bis Sinnbild für einen angeblichen Extremismus in der Truppe steht, der bislang aber noch nicht strafrechtlich bewehrt wurde. Oder ist der Prozess im allgemeinen Getöse des Alltags etwa untergegangen?

Nun sind auch die Stückzahlen des Wehrmaterials eines Landes von der wirtschaftlichen Bedeutung nahezu unwürdig. Während die Türkei über gut 2.500 Kampfpanzer verfügt, sogar das klamme Griechenland sich über 1.300 Kampfpanzer leistet, dümpelt Deutschland mit 225 Kampfpanzer in Soll-Stärke vor sich hin, davon ein Großteil nicht einsatzbereit. Ein Land wie Israel mit einem erheblichen geringeren Verteidigungsbudget schafft es nahezu 4.500 Panzer einsatzbereit zu halten. 


Es gilt sich mal genauer zu überlegen, was man eigentlich mit dieser Bundeswehr erreichen will. Denn von Streitkräften, die in der Lage wären, Krieg zu führen, ist Deutschland weit entfernt. Wenn Deutschland über einsatzbereite Streitkräfte fabuliert, meint es mehr ein funktionierendes Sanitätswesen, funktionierende Logistik im Einsatzland und Ausbildung für dortige Einheiten. Darüber hinaus kann es mehr als Selbstschutz und Selbstverteidigung nicht aufbieten. Für ein Abschreckungspotential gegenüber Russland reicht es schon lange nicht mehr, weshalb russische Klagen über die aggressive NATO auf dem Baltikum nahezu eine Lächerlichkeit anhaftet.

Wir haben also eine Bundeswehr, aber keine Streitkräfte mehr. Wenn das das politische Ziel war, hätte man es der Bevölkerung aber auch mitteilen müssen, wobei Deutschland jetzt die Armee hat, die es vermutlich immer wollte. Nämlich eine, die man nicht einsetzen kann. Um jetzt noch ganz sicher zu gehen, müsste der nächste Schritt die Abschaffung der Rüstungsindustrie sein. Und auch hier sind die Weichen bereits gestellt.

Warum unterhalten Länder Armeen? Kernaufgabe eines Staatswesens ist die Gewährleistung der Sicherheit seiner Bürger. Was in archaischen Strukturen von Familie, Clan und Stamm Aufgabe aller war, jeder Bauer, Jäger oder Handwerker gleichzeitig Krieger sein musste, ist im modernen Staat arbeitsteilig organisiert, mit eigenen Berufsgruppen für die Wahrung der Sicherheit. Im Inneren die Polizei und die Justiz, für die äußere Sicherheit Streitkräfte.

Streitkräfte zu unterhalten und auszustatten ist absolute Kernaufgabe staatlichen Handelns, historisch aufgrund der Dringlichkeit des eigenen physischen Überlebens noch vor anderen Staatsaufgaben wie Bildung, Gesundheit und Alterssicherung angesiedelt. Dieser Aussage würden heute nur große Teile der Bevölkerung nicht mehr zustimmen, weil die Frage von Streitkräften nicht mehr eine Frage des unmittelbaren Überlebens in der Auseinandersetzung mit einem tödlichen Feind gegenüber ist.


Im Gegensatz zu einem Land wie Israel, welches von Todfeinden umgeben ist und wo die Existenz fähiger Streitkräfte eine Frage des Überlebens ist, ist Deutschland in einer vermeintlich anderen Position, lässt sich aber auch von anderen Mächten beschützen. Wobei in der Mehrheit der Bevölkerung und auch in der Politik die Meinung vorherrscht, dass Frieden eher das Ergebnis von Friedenswillen ist, denn das Ergebnis funktionierender Abschreckung. Dass eine solches Denken Auswirkungen auf den Zustand der Streitkräfte hat, verwundert dabei nicht. Verwunderlich ist jedoch, wie wenig Verständnis Deutschland für Staaten hat, die bis heute um ihr Überleben ringen müssen. So steht Israel regelmäßig am Pranger deutscher Politik, deutscher Medien und kommt in der öffentlichen Meinung schlechter weg, als das terroristische Gegenüber.

Der Zustand der Streitkräfte, deren Gefechtswert kaum über einen symbolischen Wert hinausragt, ist eine direkte Folge, obwohl die politische Funktion von Streitkräften über den reinen Symbolwert weit hinausgeht. Ein Land, welches die eigene Sicherheit nicht selbständig gewährleisten kann oder will, ist auf Allianzen und Bündnisse angewiesen. Eigene leistungsfähige Streitkräfte sind ein Beleg, dass man es mit den Verpflichtungen in einer Allianz ernst meint und nicht auf Kosten anderer in den Genuss garantierter Sicherheit kommen zu wollen.

Aus diesem Grunde sollte US-amerikanische Kritik am geringen Wehretat Deutschlands nicht auf die leichte Schulter genommen werden, denn warum soll die Schutzmacht uns schützen, wenn wir es nicht selbst ernst nehmen? So ist die Kritik Trump gerechtfertigt und sollte nicht abgetan werden. Gerade Deutschland, welches sich die multilaterale Einbindung seiner selbst quasi zur Staatsräson erhoben hat, sollte darauf achten, seine Streitkräfte effizient und einsatzbereit zu halten. Doch das Gegenteil ist heute Fall. Da könne Deutschland gerne von europäischen Streitkräften fabulieren, deutsche einsatzbereite U-Boote, Panzer und Kampfflugzeuge gehören dennoch dazu.

Die wichtigste politische Funktion von Streitkräften aber ist, dass sie Instrument zur Erlangung und zum Schutz des Ordnungsmodells, dem sich ein Land verpflichtet fühlt. Wer in einer Friedensordnung leben will, in der die offene Gesellschaft, Rechtsstaatlichkeit, politische Partizipation, Minderheitenschutz, Menschenrechte, offene Märkte, Freizügigkeit und Eigentumsrechte die Norm sind, oder einfach gesagt, wer in Freiheit leben will, wird diese Ordnung nach innen und außen verteidigen müssen. Freiheit ohne Wehrhaftigkeit ist eine Illusion. Und Deutschland ist auf dem Wege, die innere Ordnung zu verlieren. 

Deutschland ist als eines der globalisiertesten Länder der Welt, dessen Wohlstand von stetigen und sicheren Rohstoffimporten und Warenexport abhängig ist, auf das Funktionieren einer Weltordnung, bestehend aus offenen Marktzugängen, freien Seewege, regionalen Konflikteindämmungen und Sanktionen bei Fehlverhalten, existentiell angewiesen. Worauf müssen also deutsche Streitkräfte vorbereitet sein?

Es steht allerdings zu befürchten, dass eine realistische und ernsthafte Antwort auf diese Frage uns Deutschen derzeit nicht möglich ist, wenn schon bei der Diskussion um das Zwei-Prozent-Ziel bei den Verteidigungsausgaben ein kollektiver Nervenzusammenbruch zu befürchten ist und keiner in der Lage ist, die Kosten zu beziffern, die entstehen, wenn Deutschland plötzlich ohne den Schutz der USA dastehen würde. Zwei Prozent würden dann bei weitem nicht ausreichen, wenn die "Subventionen" von Sicherheit durch die USA für Deutschland plötzlich von Deutschland alleine zu stemmen wäre. Umso fataler ist in diesem Zusammenhang auch der Umgang Merkels mit US-Präsident Trump.

Wie steht es also um die strategische Ausrichtung Deutschlands? Gibt es diese überhaupt? Richtig ist, dass Deutschland zur Zeit vermutlich kein Krieg droht. Aber keiner erkennt, dass der vom Westen unter der Führung der USA abgesicherter Ordnungsrahmen, in dem wir unseren Nachkriegswohlstand aufbauen und ausweiten konnten, akut in Gefahr ist, dass Europa nicht mal in unmittelbarer Nachbarschaft zur Schaffung und Durchsetzung von Ordnung in der Lage ist, die Brandherde in der Ukraine, auf dem Balkan, in Nordafrika und im Nahen Osten zeigen das. Wir wollen die strategische Absicht Russlands zur Destabilisierung Europas nicht erkennen, die die Spaltung der EU und der NATO zum Ziel hat. Wir haben keine Antwort auf die chinesische Seidenstraßenstrategie, deren langfristiges Ziel es ist, Europa zum tributpflichtigen Anhängsel einer eurasischen Landmasse zu machen. Wir haben auch keine Antwort, wenn die USA sich von Europa abwenden würden und könnte nicht deren Aufgaben für unsere Sicherheit übernehmen.

Ohne eine viel breitere strategische Ausrichtung werden die Antworten auf die Frage "Wozu Streiträfte?" weiter so gegeben werden, wie im vergangenen Jahrhundert. Mit der Folge, dass die Bundeswehr heute da steht, wo sie steht. Deutschland hat eine Bundeswehr, aber keine Streitkräfte.  

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