Mittwoch, 9. März 2022

Wenn Grüne über Leichen gehen...

von Thomas Heck...

Wenn grüne Politiker politisch agieren, geht es selten um Umwelt, selten um das Wohl der Bürger in ihrem Land. Es geht um die Macht in diesem Land. Dessen muss man sich immer gegenwärtig sein, wenn das politischen Handeln grüner Politiker zu beurteilen ist. So geht es Annalena Baerbock nicht um Frieden für die Ukraine, wie es der Friedensbewegung sowieso nie um Frieden ging, sondern ausschließlich um die Schwächung des Westens. 

Super-Minister Robert Habeck geht es nicht um die Versorgungssicherheit des Landes oder gar um die Bezahlbarkeit von Energie in jeglicher Form, denn die derzeit hohen Preise von Treibstoff, Gas und Strom haben recht wenig mit dem Krieg in der Ukraine oder mit der Preisentwicklung am Rohöl- oder Gasmarkt zu tun. Sie sind direkte Folge einer gewollten Politik, die über Steuern Energie für den Bürger teurer machen wollte. Die Preise an den Tankstellen in Österreich, Tschechien oder Polen beweisen es: Wo ein politischer Wille gegeben ist, ist auch ein Weg, den Bürger zu entlasten. Auch bei Kartoffelminister Cem Özdemir steht nicht das Tierwohl oder die Versorgungssicherheit Deutschlands mit Nahrungsmitteln im Vordergrund. Der Bürger soll abgezockt werden. 

Was man noch mit Umwelt, Nachhaltigkeit oder Klima begründen könnte, wird bei der heutigen grünen Familienministerin Anne Spiegel endgültig zur Menschenverachtung, wenn man die Kaltschnäuzigkeit betrachtet, mit der die damalige Umweltministerin in Rheinland-Pfalz, Menschen absaufen ließ und letztlich den Tod von 134 Menschen direkt zu verantworten hat. Denn den Grünen geht es nicht um den Bürger oder sein Wohl. Es ging ausschließlich um Erlangung politischer Macht und deren Erhalt.  

SMS-Protokolle der Flutnacht: Während Flut wütete, sorgte sich Grünen-Ministerin ums Image. In Rheinland-Pfalz starben 134 Menschen bei der Flutkatastrophe. Mit in der Regierungsverantwortung war damals die heutige Bundesfamilienministerin Anne Spiegel. FOCUS Online liegen nun SMS-Protokolle vor, die belegen, wie kaltschnäuzig die Grüne und ihre Getreuen über das humanitäre Drama hinweggingen.


Am Freitag wird Anne Spiegel an ihre alte Wirkungsstätte nach Mainz zurückkehren. Im Untersuchungsausschuss des rheinland-pfälzischen Landtags soll die heutige Bundesfamilienministerin über ihr Krisenmanagement in der Flutnacht vom 14. auf den 15. Juli 2021 im Ahrtal berichten.

Die Grünen-Politikerin amtierte damals noch als Umweltressortchefin im Ampel-Kabinett von Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD). Die bisherigen Nachforschungen der Parlamentarier nebst den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Koblenz legen nahe, dass ihr Haus sowie das untergeordnete Landesamt für Umwelt (LfU) völlig versagt haben. Das LfU meldete zeitweilig viel zu niedrige Pegelstände, so dass Feuerwehren und der Krisenstab im zentralen Landkreis Ahrweiler von einer entspannten Hochwasserlage ausgingen. Kurz vor 17 Uhr am 14. Juli hatte das Ministerium noch eine Pressemeldung herausgegeben, dass nicht mit einem Extremhochwasser zu rechnen sei. Da starben bereits die ersten Menschen am Campingplatz Stahlhütte an der Oberahr, im Eifelort Schuld drohten die ersten Häuser wegzubrechen.

SMS-Protokolle belegen Kaltschnäuzigkeit

FOCUS Online liegen nun SMS-Protokolle vor, die belegen, wie kaltschnäuzig die Umweltministerin und ihre Getreuen über das humanitäre Drama hinweggingen. Zugleich wird deutlich, dass Anne Spiegel und ihr Innenressort-Kollege Roger Lewentz (SPD) an jenem Unglückstag keine Ahnung hatten, wie die Flutwelle sich im Ahrtal ihren Weg bahnte. 

"Pfeif auf die Opfer, was wird sonst aus mir...



Nur eine Stunde nach der fatalen Hochwasser-Entwarnung aus dem Hause Spiegel ruderte ihr Staatssekretär um 18 Uhr am 14. Juli in einer Handy-Nachricht an die Pressesprecherin zurück. Die Pressemitteilung habe sich überholt, hieß es. „Wir haben ein Extremereignis an der Ahr. Dort wurde ein Campingplatz aus der Luft evakuiert“, so die Nachricht.

Dass es bereits weitaus schlimmer aussah, wusste man nicht. Die Rückfrage der Pressestelle, auch per SMS: „Müssen wir jetzt was machen?“ Antwort Staatssekretär Erwin Manz: „Heute nicht.“ Bei Fragen zu Pegelständen solle man bitte auf das Landesumweltamt verweisen. Dass man dort meist völlig veraltete Daten vom Deutschen Wetterdienst herausgab und später dann auch wichtige Messstationen ausfielen, schien den Verantwortlichen nicht bewusst zu sein. Vom späten Nachmittag bis in die Nacht tobte die Flut das Ahrtal hinunter. Viele Anwohner wurden vermisst, die ersten Toten geborgen.

„Anne braucht eine glaubwürdige Rolle“

Am Morgen darauf schickte eine Mitarbeiterin an den damaligen Pressechef Dietmar Brück eine SMS, dass die Lage durch den Starkregen verdammt ernst sei. Da müsse man schnell reagieren. Brück antwortete einem großen Verteiler, unter anderem auch an Ministerin Anne Spiegel. „Die Starkregen-Katastrophe wird das beherrschende Thema dieser und nächster Woche sein. Anne braucht eine glaubwürdige Rolle.“ Dann machte der Presse-Mann der Grünen Vorschläge: Den Part der Anteilnahme übernehme Regierungschefin Dreyer. Das grüne Umweltministerium aber sollte über die Hochwasserlage und Warnungen informieren. Warnungen, die während der Flutkatastrophe allerdings weitgehend ausgeblieben waren. 

Zugleich sollte Ministerin Spiegel medienwirksame Ortstermine durchführen: „Anne bei Reparaturarbeiten, bei Hochwasserschutzprojekten, dort wo neue Gefahren drohen, Besuch mit Journalisten bei Hochwassermeldezentren.“ Während sich die Horrormeldungen über das Ausmaß der Naturgewalten häufen, dachte Brück schon weiter. Politisch müsse man aufpassen, dass der Koalitionspartner SPD, angeführt von der Ministerpräsidentin und deren Innenminister, nicht mit einem Fünf-Punkte-Plan, wie man künftig mit Stark-Regen umgeht, alleine politisch davon preschen. „Da müssen wir dazu; und selber überlegen“, so seine SMS.

„Das Blame-Game könnte sofort losgehen“

Der Pressesprecher war offenkundig fokussiert darauf, dass seine Ministerin eine gute Figur abgibt. So schlug er Folgendes vor: „Annes Rolle muss meines Erachtens immer mit einer konkreten Rolle oder Zuständigkeit verbunden sein, es darf nicht nach politischer Instrumentalisierung aussehen.“ Das Mitgefühl für die Opfer, das Drama – all dies kam in den Nachrichten kaum zum Tragen. Vielmehr beschäftigte sich die Grünen-Spitze in Rheinland-Pfalz schon am Morgen nach der Katastrophe mit machttaktischen Überlegungen. Um 8.07 Uhr stimmte Ministerin Spiegel dem Grünen-Pressechef zu.

Die Spitzenpolitikerin sinnierte darüber, wie man die Schuld an dem Flutdesaster von sich lenken und etwaige Attacken durch den sozialdemokratischen Koalitionspartner abfedern könnte. Spiegels Aussagen machten deutlich, dass die Regierungsspitze in Mainz genau wusste, dass vieles in der Flutnacht schief gelaufen war: „Lieber Dietmar, dass deckt sich mit meinen Überlegungen, plus: das Blame-Game (Schuldzuweisungen Anm. der Red.) könnte sofort losgehen, wir brauchen ein Wording, dass wir rechtzeitig gewarnt haben, ich im Kabinett.“ Zudem wollte die Ministerin herausstreichen, dass „ohne unsere Präventions- und Vorsorgemaßnahmen alles noch viel schlimmer geworden wäre etc.“

Ministerin trieb Sorge vor dem Kabinettskollegen 

Dabei trieb die Grünen-Politikerin vor allem die Sorge um, dass SPD-Innenminister Roger Lewentz ihr in die Parade fahren könnte. „Ich traue es Roger zu, dass er sagt, die Katastrophe hätte verhindert werden können oder wäre nicht so schlimm, wenn wir als Umweltministerium früher gewarnt hätten und dass es an uns liegt, weil wir die Situation unterschätzt hätten.“ Spiegel schlug vor, einen „Mini-Krisenstab zusammenzutrommeln und uns die Themen vorzunehmen, um handlungsfähig zu sein“.


Bis heute ist nicht überliefert, dass die Ministerin oder ihr Haus während der Flut in besonderer Art und Weise durch probates Krisenmanagement aufgefallen ist. Als ihr Staatssekretär Erwin Manz am frühen Abend des 14. Juli vom Landesumweltamt eine neue Warnmeldung über einen Pegelhöchststand in Altenahr erhielt, informierte er seine Chefin per Mail. Bis heute bleibt unklar, warum die Ministerin nicht die gesamte Landesregierung über das Jahrhunderthochwasser alarmierte. Vielmehr agierte die Regierungsspitze die ganze Katastrophennacht über im Blindflug. Die Bilanz: 134 Menschen starben in Rheinland-Pfalz, fast 700 Menschen wurden verletzt. Tausende verloren ihr Heim.




 

Montag, 7. März 2022

Karl Lauterbach in der Sinnkrise...

von Mirjam Lübke...

Das größte Opfer bringt in der Ukraine-Krise eindeutig Karl Lauterbach. Um es einmal in linker Diktion zu sagen: "Putin hat Corona relativiert!" Nur um Haaresbreite dahinter reiht sich Jasmina Kuhnke ein, die auf der letzten Buchmesse - so sie jene besucht hätte - sicherlich weitaus gravierendere Leiden erduldet haben würde als es je ein Bürger Kiews nachvollziehen könnte. Während Karl Lauterbach darunter leidet, dass die Deutschen plötzlich schlimmere Katastrophen für sich entdeckt haben als Corona, denken unsere "Antirassismus-Experten" darüber nach, warum man angeblich so viel netter zu Flüchtlingen aus der Ukraine ist als zu jenen aus den Regionen unterhalb Ägyptens. Kurzum, die Krise sägt sowohl den Lauterbachs als auch den Kuhnkes den Ast ab, auf dem ihre gefühlte gesellschaftliche Bedeutung sitzt. 



Im Gegensatz zur Zurücksetzung, die der normale Bürger empfindet, wenn einmal wieder für alle anderen Belange Aufmerksamkeit und Geld vorhanden sind als etwa für Schulen, Straßenbeläge oder auch solche Nichtigkeiten wie das Gesundheitswesen, ist die Nichtbeachtung unserer Kämpfer für das Gute selbstverständlich bedeutsam. Denn während man der Bevölkerung unter dem Applaus der "großen Denker" dieses Landes getrost Futterneid unterstellen und sie zum Verzicht erziehen darf, ist der Leidneid der Lauterbachs und Kuhnkes durch die gute Sache geadelt. Ihnen egoistische Motive zu unterstellen, wäre nachgerade verwerflich, querdenkerisch und rassistisch. Immerhin hat Karl Lauterbach die Bedrohungslage durch Putin inzwischen auf das gleiche Level wie die Pandemie hochgestuft - da sage noch einmal jemand, er wäre nicht bereit, ein Stück vom Kuchen für andere abzuschneiden. 

Man könnte nun den Fehler machen, dieses Gehabe zu albern zu finden, um ihm eine Bühne zu bieten. Das setzte aber ein Reservoir an Bodenständigkeit und gesundem Menschenverstand voraus, das bei den Leithammeln unserer Gesellschaft noch vorhanden wäre und für einen vernünftigen Umgang mit solcherlei Situationen sorgte. Man würde Lauterbach, Kuhnke und Co. zwar zuhören, aber daraufhin abwägen, wie vordringlich ihre Forderungen gerade sind. In einer gesunden Demokratie muss jeder seine Ideen einbringen können, auch wenn es die Rente für Außerirdische ist - aber auch bereit sein, ein "Nein" zu ertragen, wenn es ihm nicht gelingt, eine Mehrheit davon zu überzeugen. 

Bekanntlich funktionieren diese Mechanismen aber bei uns nicht mehr, denn gewisse Themen befördern einen von Null auf Hundert in die Prioritätsleitung von Medien und Politik. Trotz der Ukraine-Krise und scheinbarer Lockerungen, die in Wirklichkeit nur auf eine vorherige Maßnahme zurückführen, ist Corona noch Teil der Regierungsagenda und Deutschland die letzte Bastion der allgemeinen Impfpflicht, über die am 18. März entschieden werden soll. Rechtzeitig warnt Christian Drosten uns alle noch einmal vor der nächsten "Supermutante", von der er zwar weiß, dass der Impfstoff dagegen wirkt, aber nur spekulieren kann, welche Auswirkungen der Killerkeime auf den Menschen haben werden. Mit etwas bösem Willen könnte man annehmen, er habe ein Abo mit Wuhan geschlossen. Zweimal im Jahr ein neues Virus und fünfzehn Kilo Reisnudeln. Gebühr bezahlt Empfänger.

Aber auch auf den Vorwurf, ukrainische Flüchtlinge würden in Deutschland besser behandelt als jene aus Afrika, stimmt sich die Presse schon ein und greift auf Narrative zurück, die bereits 2015 angewandt wurden. Einmal ganz abgesehen davon, dass Deutschland seitdem tatsächlich einen Großteil der Migranten aufgenommen hat und unser Land offenbar aufgrund seines in Europa einzigartigen Hilfspakets attraktiv bleibt, kann man in den Medien nun den Eindruck gewinnen, das gesamte Gesundheitswesen der Ukraine würde von Afrikanern getragen: Es seien hauptsächlich Medizinstudenten, die hier anlanden. Das ist nicht nur unglaubwürdig, man darf sich dann wohl auch fragen, wieso die jungen Herren nun nicht in der Ukraine als Sanitäter verbleiben. Noch nicht einmal das ZDF hat bisher jemanden für eine Betroffenheitsgeschichte vor die Kamera schleifen können, obwohl sie das Narrativ mittragen und sicherlich mit Begeisterung dabei wären. 

Wäre ich ein Biest, würde ich hinter der Empörung der Cheblis und Kuhnkes auch ein Stück Stutenbissigkeit vermuten, denn die tatsächlichen Flüchtlinge aus der Ukraine sind Frauen und Kinder. Da kommt Konkurrenz auf den Markt. Und wer könnte es uns verdenken, wenn wir mit Sympathie darauf reagieren, dass die ukrainischen Männer sich an die alte Seemannsregel "Frauen und Kinder zuerst" halten? Während Gäste aus anderen Regionen der Welt zwar von ihrer Männlichkeit sehr überzeugt sind, aber daraus den Schluss ziehen, man dürfe Weib und Kind ruhig in Armut und Kugelhagel zurücklassen? Statt ihre Familien in Sicherheit zu bringen, verbreiten sie bei uns lediglich ihr Frauenbild. Natürlich kann man das nicht über jeden einzelnen sagen, aber es ist eine deutliche Tendenz da. Und auch wenn Haltungsmenschen allein beim Gedanken daran Ausschlag bekommen, die hier ankommenden Ukrainer sind uns kulturell einfach näher. Da beißen Umerziehungsversuche auf Granit - das ist ganz normal so. 

Die "Verlierer" der Ukraine-Krise in Deutschland - sie haben noch längst nicht aufgegeben und verfolgen ihre Ziele im Windschatten des Krieges munter weiter. Man sollte sie deshalb im Auge behalten.



Sonntag, 6. März 2022

Putin droht eine herbe Niederlage...

von Yuval Noah Harari...

Ukraine Es ist möglich, dass Russland das ganze Land erobert. Trotzdem droht dem russischen Präsidenten eine schwere Niederlage. Warum erklärt der israelische Star-Historiker Yuval Noah Harari

Schon vor der russischen Invasion trainierte die ukrainische Bevölkerung


Weniger als eine Woche nach Beginn des Krieges wird zunehmend wahrscheinlich, dass der russische Präsident Wladimir Putin auf eine historische Niederlage zusteuert. Selbst wenn er alle Kämpfe gewinnt, wird er den Krieg verlieren. Putins Traum vom Wiederaufbau des russischen Reiches basierte immer auf der Vorstellung, dass die Ukraine keine echte Nation sei, dass die Ukrainer:innen kein echtes Volk seien und die Einwohner:innen der ukrainischen Städte Kiew, Charkiw und Lwiw sich danach sehnen, von Moskau regiert zu werden. Diese Lüge hat der russische Despot so oft erzählt, dass er sie anscheinend selbst glaubt.

Als Putin die Invasion der Ukraine plante, konnte er auf viele bekannte Tatsachen zählen. Er wusste, dass Russland der Ukraine militärisch haushoch überlegen ist. Er wusste, dass die Nato keine Truppen schicken würde, um der Ukraine zu helfen. Er wusste, dass die europäische Abhängigkeit von russischem Öl und Gas Länder wie Deutschland zögern lassen würde, harte Sanktionen aufzulegen. Basierend auf diesen bekannten Tatsachen war sein Plan, die Ukraine mit Wucht und schnell anzugreifen, die Regierung zu vertreiben, stattdessen in Kiew eine Marionettenregierung einzusetzen und den ohnmächtigen Zornesausbruch des Westens – in Form von Sanktionen – auszusitzen.

Doch dieser Plan enthielt eine große Unbekannte. Wie die USA im Irak und die Sowjetunion in Afghanistan gelernt haben, ist es viel einfacher, ein Land zu erobern, als es zu halten. Putin wusste, dass er die Macht hat, die Ukraine zu erobern. Aber würde die ukrainische Bevölkerung Moskaus Marionettenregime einfach akzeptieren? Putin setzte darauf, dass die Menschen in der Ukraine genau das tun würden. Wie er jedem, der bereit war zuzuhören, immer wieder erzählte, ist die Ukraine schließlich keine richtige Nation und die Ukrainer:innen sind kein echtes Volk. 2014 setzte die Bevölkerung der Krim den russischen Invasoren kaum Widerstand entgegen. Warum sollte das 2022 anders sein?

Putin hat Russland und Ukraine zu Feinden gemacht

Mit jedem weiteren Tag wird deutlicher, dass Putins Wette nicht aufgeht. Die ukrainische Bevölkerung leistet mit aller Kraft Widerstand und gewinnt damit die Bewunderung der ganzen Welt – und den Krieg. Viele dunkle Tage stehen an. Vielleicht schafft es Russland noch, die ganze Ukraine zu erobern. Aber um den Krieg zu gewinnen, müsste Russland die Ukraine unter Kontrolle halten, und das geht nur, wenn die ukrainische Bevölkerung es zulässt. Doch genau das wird zunehmend unwahrscheinlich.

Jeder zerstörte russische Panzer, jeder getötete russische Soldat lässt den Mut der Ukrainer:innen zum Widerstand wachsen. Und jeder getötete Ukrainer verstärkt ihren Hass. Hass ist das hässlichste aller Gefühle. Aber für unterdrückte Nationen ist Hass ein versteckter Trumpf. Tief im Herzen vergraben, kann er über Generationen Widerstand aufrechterhalten. Für die Erneuerung des russischen Reichs braucht Putin einen relativ unblutigen Sieg, der zu einem relativ hassfreien Frieden führt. Je mehr ukrainisches Blut er vergießt, desto stärker stellt Putin sicher, dass sein Traum nie in Erfüllung geht. Auf dem Totenschein des russischen Imperiums wird nicht Michail Gorbatschows Name stehen, sondern Putins. Gorbatschow ließ Russ:innen und Ukrainer:innen sich wie Geschwister fühlen; Putin hat sie zu Feinden gemacht und dafür gesorgt, dass die ukrainische Nation sich fortan in Opposition zu Russland definiert.

Nationen basieren letztlich auf Geschichten. Jeder Tag, der vergeht, bringt weitere Geschichten, die die ukrainische Bevölkerung nicht nur in den vor ihr liegenden dunklen Tagen erzählen wird, sondern noch in den kommenden Jahrzehnten und Generationen. Der Präsident, der sich weigerte, aus der Hauptstadt zu fliehen, und den USA sagte, er brauche Munition, keine Mitfahrgelegenheit; die Soldaten auf der Schlangeninsel, die einem russischen Kriegsschiff auf die Aufforderung, sich zu ergeben, „Fickt euch!“ antworteten; Zivilisten, die versuchen, russische Panzer aufzuhalten, indem sie sich in den Weg setzen. Das ist der Stoff, aus dem Nationen gemacht werden. Langfristig zählen diese Geschichten mehr als Panzer.

Geschichten aus der Ukraine machen vielen Mut

All das sollte der russische Despot so gut wie jeder andere wissen. Als Kind wuchs er mit den Geschichten über die russische Tapferkeit bei der Belagerung von Leningrad auf. Jetzt schafft er weitere solcher Geschichten, nur dass er selbst die Rolle Hitlers spielt.

Dabei stärken die Geschichten von ukrainischer Tapferkeit nicht nur die Entschlossenheit der Ukrainer:innen, sondern die der ganzen Welt. Sie ermutigen die Regierungen der europäischen Länder, die US-Regierung, ja sogar die unterdrückten Bürger:innen Russlands. Wenn Menschen in der Ukraine es wagen, mit bloßen Händen Panzer aufzuhalten, kann die deutsche Regierung es wagen, der Lieferung von Anti-Panzer-Raketen zuzustimmen, die US-Regierung kann es wagen, Russland von Swift auszuschließen, und russische Bürger:innen können es wagen, für ihre Ablehnung dieses sinnlosen Krieges zu demonstrieren.

Leider wird dieser Krieg wohl noch lange andauern. Aber die wichtigste Sache ist bereits entschieden. Die vergangenen Tage haben der ganzen Welt bewiesen, dass die Ukraine eine Nation ist, dass die Ukrainer:innen ein echtes Volk sind, und dass sie definitiv nicht unter der Herrschaft eines neuen russischen Reichs leben wollen. Die wichtigste offene Frage ist, wie lange es dauert, bis diese Botschaft durch die dicken Mauern des Kremls dringt.



Samstag, 5. März 2022

Deutschland zeigt Haltung! (Mal wieder...)

von Mirjam Lübke...

"Also, wir kaufen ja jetzt keine Brezeln mehr, diesem Hitler muss man es mal richtig zeigen!" - "Wir essen keinen Reis, dann werden die Chinesen Tibet sofort räumen!" - "Käse aus Frankreich, mon dieu! Bist du etwa für Chiracs Atombomben-Tests?" 


Zugegeben, nur das letzte Beispiel habe ich mit eigenen Ohren gehört, irgendwann in den Neunzigern, als Mitstudenten tatsächlich glaubten, so den französischen Präsidenten von seinen Nuklearversuchen abzubringen. Es hat auch etwas Rührendes, wenn Menschen in ihrer Machtlosigkeit voller Ernst solche Maßnahmen ergreifen, um "wenigstens etwas für den Frieden zu tun" - derzeit gibt es den Trend, aus Protest gegen Putin die Heizung abzudrehen, Stefanie macht es vor. Wenn die Dame unbedingt frieren möchte, wäre es aber wohl sinnvoller, eine Demo zu organisieren, dann kann man wenigstens einträchtig bibbern. Und mit anderen Menschen über seine Kriegsängste sprechen. Gemeinsam trägt man leichter daran - oder macht sich erst Recht gegenseitig kirre. Meine Mutter und ich trugen am Sonntag Putin noch nach, dass er uns 2014 die lange Donaufahrt versaut hat. Immerhin bis Ungarn sind wir gekommen. 

Da Deutschland nur etwa die Hälfte seines Gases aus Russland bezieht, muss sich die Dame zudem entscheiden, in welchem Schichtsystem sie frieren möchte. Vielleicht nicht gerade beim ARD-Brennpunkt zur Krise, sondern lieber nachts um drei, wenn man sich in seine dicke Daunendecke wickeln kann - der gute Wille zählt allemal. 

Diese Formen des "Haltungzeigens" schaden wenigstens niemandem. Vielleicht denkt Stefanie dann auch einmal darüber nach, dass es in Deutschland Menschen gibt, welche sich eine gut geheizte Wohnung schon seit Jahren wegen gestiegener Energiepreise nicht mehr leisten können oder als Luxus betrachten, den man sich nur gönnt, wenn Besuch kommt. Ganz ohne Putin und seine Ambitionen. 
Beschämend wird es allerdings, wenn die stramme Haltung an Menschen russischer Herkunft ausgetobt wird, die unter uns in Deutschland leben. Zum Glück haben sich die Franzosen nicht an Putins Seite gestellt, dann hieße es jetzt wieder "Jeder Schuss ein Russ', jeder Stoß ein Franzos'". Den Zupfkuchen hat es auch erwischt, er wird nun seines Russischseins beraubt. Eine Bäckereikette forderte ihre Filialen auf, neue Schilder in die Theken zu stellen. Wann wird aus "Russisch Ei" das "Oeuf Zelensky"? Oder ein Freiheitsei in Aspik? Russische Künstler sind plötzlich auch verdächtig - schließlich wissen unsere Kulturschaffenden nur zu gut, wie sie sich selbst in der Corona-Krise an unsere Regierung angebiedert haben, dann wird das bei Anna Netrebko wohl auch der Fall sein. Einem russischem Dirigenten wurde in München gekündigt, weil er sich nicht zur Ukraine-Krise geäußert hatte. Neutralität zählt als Zustimmung zum Bösen. 

Die Aufmerksamkeit dieser deutschen Bessermenschen folgt stets der gesellschaftlichen Mode und den Fernsehkameras. "Man darf nicht pauschalisieren", heißt es, wenn wieder einmal ein Attentat durch einen Angehörigen der Religion des Friedens stattfindet. "Das hat alles nichts mit seiner Religion zu tun!" Stimmt - nicht jeder Glaubensgenosse von Anis Amri ist ein potentieller Killer - aber warum soll dann plötzlich alles Russische Putin repräsentieren? Der Haltungsmensch sorgt sich grundsätzlich nur um Gerechtigkeit, wenn seine Leithammel es ihm vorkauen. Im Moment zeigt sich das besonders drastisch, weil die Gesellschaft durch die Corona-Krise generell auf ein Lagerdenken ausgerichtet ist: "Wer nicht für uns ist, ist gegen uns!"

Wird hier den Russen unter uns das zum Verhängnis, was in Deutschland unter der Agenda der "Vergangenheitsbewältigung" läuft? Schließlich sind viele Haltungsmenschen mächtig stolz darauf, wie viel sie aus dem Nationalsozialismus gelernt haben, das sollen andere ihnen erst einmal nachmachen! Nur wen sie ins Herz geschlossen haben, der darf sich allerlei erlauben, da ist selbst die absurdeste Entschuldigung nur recht und billig. Schon deshalb allein ist die Befürchtung, sie würden "es auch wieder mit Juden machen" längst von der Realität eingeholt: Aus "Solidarität mit den Palästinensern" wird seit Jahren, auch mit Unterstützung der etablierten Parteien, zum Boykott israelischer Waren aufgerufen. Sogar die immer um Haltung bemühte evangelische Kirche unterstützt die BDS-Bewegung mehr oder minder offen. 

Nun ist Israel nicht Putins Russland, es ist selbst in der Situation, seine Existenz gegen eine feindlich gesinnte Umgebung behaupten zu müssen. Aber ist es nicht interessant, wie der Gerechtigkeitssinn der Haltungsmenschen stets alten Animositäten folgt? Man kann es heute nur besser vermarkten.



Hilfe! Deutschland ertrinkt im Wahnsinn!

von Mirjam Lübke...

Kann sich noch jemand an die Causa Gil Ofarim erinnern? Deren Klärung dann irgendwie im Sand verlaufen ist? Wenn er sich nicht so in Widersprüche verwickelt hätte, wäre ich geneigt gewesen, ihm zu glauben - auch wenn ich wegen eines Davidsterns noch nie Probleme hatte, in ein Hotel hineinzukommen. Allerdings löst dieses Schmuckstück bei besonders "politisch Aufgeklärten" den unwiderstehlichen Drang aus, dem Träger ein Bekenntnis abzunötigen - der Tonfall dabei ähnelt dem Verlauf einer Achterbahn. Man nimmt Anlauf, schraubt sich in schwindelerregende Höhen und saust anschließend mit Schwung in den Abgrund: "Finden Sie das etwa guuuut, was die mit den Palästinensern machen?"
Am liebsten würde man lapidar antworten "Klar, immer feste druff!", aber unterlässt es aus zwischenmenschlichem Anstand. Zu Wort käme man ohnehin nicht, denn der Bekenntnisjäger hat längst zu einer Tirade über das in seinen Augen Verwerfliche angehoben, die man kaum noch unterbrechen kann. Seine Meinung ist gestählt durch Tagesschau, Süddeutsche Zeitung und den Spiegel, dagegen kann man als normaler Mensch nicht anstinken, egal, ob es nun um den Gaza-Streifen, Corona-Maßnahmen oder aktuell um die Ukraine-Krise. Es könnte auch jedes andere beliebige Thema sein, denn im Grunde ist man nur eine Deponie für jene Aggressionen, die der Haltungscholeriker nicht am Objekt seines Zorns selbst auslassen kann.
 

Schon eine Begegnung pro Woche mit einem Bekenntnisjäger reicht aus, um sich wie durch den Wolf gedreht zu fühlen. Und wenn es nur deshalb so ist, weil man in seiner Überrumpelung einfach nicht die richtigen Worte gefunden hat und nun vor Wut in die Tischkante beißen möchte. In Deutschland haben wir es jedoch mit einem Massenphänomen zu tun - man stürzt sich von einer Empörung in die nächste, weil man ohne eine gewisse Grundspannung nicht auskommen kann. Triebfeder dabei ist aber nicht die Liebe zu einem Thema, sondern die Angst, selbst aus der Herde der Empörten ausgestoßen zu werden. Ein steinzeitlicher Reflex mischt sich mit linker Konditionierung - wenn es mir möglich wäre, würde ich eine bundesweite Schokoladeneis-Party starten, um die allgemeine Stimmung wenigstens ein bisschen zu heben. Aber ich habe Angst, dass dann die Veganer über mich herfallen. 

Zugegeben, in anderen Ländern ist man teilweise nicht weniger hysterisch. Wer schon die Lektüre von "Stolz und Vorurteil" nicht ertragen kann, weil Jane Austens Verwandter zwölften Grades eventuell jemanden kannte, der jemanden kannte, dessen Großonkel in kolonialistische Umtriebe verwickelt war, leidet derzeit natürlich unter Reizüberflutung. Auch in den USA und Kanada braucht es nur einen Empörten, der in einem Klassiker einen Stein des Anstoßes findet oder dem das Curry in der Mensa nicht so schmeckt wie das bei seinem Rucksacktrip durch Indien - schon sammelt sich ein Trupp hinter ihm, der nur auf die nächste Gelegenheit gewartet hat, einen Vernichtungsfeldzug gegen die schurkische Welt zu führen. Wenn diese Menschen doch einmal ihre überschüssige Energie nutzen würden, um etwas Sinnvolles zu tun, so etwa Deckchen zu häkeln oder Marmelade zu kochen!

Deutschland trabt derzeit diesem Trend mit besonderer Hingabe hinterher. Mittlerweile haben sich hierzulande alle einschlägigen Themen zu einem Gesinnungsklumpen verschmolzen, wie einem riesigen, blubbernden Käsefondue. Einmal nicht aufgepasst, und das Brotstück oder aber der Unvorsichtige verschwindet darin auf Nimmerwiedersehen. Bis in höchste politische Kreise steht unverrückbar fest, dass derjenige, der auch nur vom Käse nascht, auch den Rest des Topfinhalts verschlingen wird. Wer gegen die Corona-Maßnahmen spazieren geht, hat aus ihrer Sicht das Diffamierungs-Komplettpaket gekauft: Er muss Nazi, Antisemit, Rassist und neuerdings auch Putin-Versteher sein. Alles auf einmal, da kommt der ärgste Bond-Schurke nicht mit. Und die Tonangeber merken noch nicht einmal, in welche Widersprüche sie sich verwickeln, wenn sie einerseits ableugnen, es gäbe so etwas wie eine Kennzeichnung der Andersdenkenden, aber gleichzeitig am liebsten ein Etikett an jeden "Querdenker" anheften würden. Damit auch niemand übersehen wird. Hoffentlich teilen sie uns wenigstens weiße Perserkatzen zu. 

Dabei ist es schlichtweg die Übertragung eigener Verhaltensweisen auf die andere Seite, weil man individuelles Denken längst verlernt hat. Wenn die Verantwortlichen in Medien und Politik nicht so darauf aus wären, Existenzen zu vernichten, könnten sie einem fast leid tun. Aber wenn man sich vor Augen führt, wem sie selbst huldigen, wird einem Angst und Bange, sollte sich eine größere Menge dahinter versammeln.



Eine App für das Gute oder "Warum hat Herr Putin kein Lastenfahrrad?"

von Mirjam Lübke...

Was uns noch fehlt, ist eine "Wokeness-App" - erst einmal in einem Probelauf für das iPhone, das scheinbar jeder besonders engagierte Aktivist besitzt. Nichts gegen iPhones, die sind schon schick, werden aber teilweise unter Arbeitsbedingungen gefertigt, die Benutzer wie Jutta Dittfurth die ganze Nacht ins Kissen weinen lassen müssten. Aber egal: China ist weit weg und wurde auch von Greta Thunberg verschont, dem mittlerweile etwas in Vergessenheit geratenen personifizierten Gütesiegel für das Wahre, Gute und Schöne. 


Man könnte China sogar bei der Entwicklung einer solchen "Wokeness-App" um Rat bitten, in Anlehnung an deren Sozialpunkte-System. In der Premium-Version gibt es eine SmartWatch dazu, die permanent Puls, Blutdruck und -zucker überwacht, um verdächtige Gefühlsregungen unmittelbar aufzuspüren. Schaut man etwa der afrikanischen Migrantin eine Zehntelsekunde zu lang auf den Kopfputz - es sind schließlich wirklich beeindruckende Konstruktionen dabei - werden über das angeschlossene Online-Banking automatisch zehn Euro Spende an Seawatch e.V. überwiesen. Oder an Greenpeace, wenn das dem selbst erstellten Strafprofil für Mikroaggressionen eher entspricht. 

Viel wichtiger wäre es jedoch, den Nutzern erst einmal ein wenig Orientierungshilfe im Alltag zu geben. Schließlich kann man sich nie sicher sein, welches Thema gerade "trendet". Durch entsprechende Rückmeldungen an die App wären auch genaue Ortsangaben möglich: Während sich in "Lisas Latte-Lounge" noch heftig darüber empört wird, dass demnächst auch Ungeimpfte wieder ihre verseuchten Körper auf den Cocktailsesseln aus veganem Leder niederlassen dürfen, debattiert man in der Teestube der "Grünen Jugend" noch darüber, ob Putins Offensive eventuell völkerrechtlich anders zu bewerten sei, wenn seine Soldaten mit dem Lastenfahrrad angereist wären. Luisa Neubauer hat die Denkrichtung vorgegeben - der "fossile" Krieg ist zu verurteilen! Hätte ich das nur schon als Kind gewusst, als meine Mutter mir verbot, "Star Wars" zu gucken. Da das Imperium den Todesstern nicht mit Diesel betrieb, hatte der Film nämlich gar nichts mit Krieg zu tun. Und die Cantina in Mos Eisley sah noch multikultureller aus als eine Shishabar in Duisburg-Marxloh, ein Aspekt, der in unserer App unbedingt zu berücksichtigen wäre. Mit etwas Glück findet sie eine Location, in der ein Außerirdischer mit Rasta-Zöpfen veganes Döner verkauft, Zutritt nur mit dreifachem Booster möglich ist und grüner Tee aus der Ukraine in Recycling-Tassen verkauft wird. Ein Cent je Tasse wird an den Solidaritätsfonds für in der Pandemie arbeitslos gewordene Hamas-Aktivisten gespendet. Die haben zum Dank sogar ein Gruppenfoto mit einer Regenbogenfahne geschickt. Die war allerdings schon mal angezündet worden. 

Bald wird der aufgeklärte Deutsche sich einen Tag ohne seine "Wokeness-App" gar nicht mehr vorstellen können. Als unverzichtbare Alltagshilfe begleitet sie ihn durch den Dschungel der politischen Korrektheit. Denn es gibt so viel zu beachten, das kann sich keiner mehr merken, wie bei einem Labyrinth, dessen Wände sich ständig verschieben. Sie sagt ihm was gerade auf der Abschussliste ganz oben steht, welche Meinung er wo vertreten muss und was er auf keinen Fall tun darf. Welcher Buchladen verkauft noch alte Ausgaben von Pippi Langstrumpf? Nur nicht dort gesehen werden! Welchen Kaugummi kaut Alice Weidel? Nur nicht den gleichen kauen! Von welchem Diktator darf ein Prominenter sich zum Geburtstag gratulieren lassen und wo gibt es Gummistiefel aus fairem Handel? 

Wo in meiner Stadt kann ich ein Zeichen setzen?

Freilich wird gerade das unsere App störanfällig machen. Nicht auszudenken, wenn Hacker das System kaperten und Schindluder damit trieben: Man könnte den Menschen etwa erklären, dass es aus Solidarität mit der Ukraine gerade angesagt sei, mit einer Hakenkreuz-Fahne des Asow-Regiments durch die Stadt zu laufen. Oder mit umgekehrter Psychologie arbeiten: "Beatrix von Storch ist für Masken- und Impfpflicht!", "Herbert Grönemeyer singt 'Blueberry Hill' mit Putin" oder "Annalena Baerbock lehnt die Frauenquote ab!" könnten einige Verwirrung auslösen. Das kann doch unmöglich funktionieren, werden Skeptiker sagen, weil so dämlich keiner ist. In einem Land, das die Lieferung alten NVA-Schrotts in Krisengebiete als humanitäre Maßnahme ansieht, wundert mich aber nichts mehr. Fehlt nur noch der Export von nicht gebrauchten Konfettikanonen aus Köln. Oder nehmen wir Karl Lauterbach: Dem glauben auch eine Menge Menschen. Das qualifiziert sie nicht gerade als selbständige Denker. Darüber, was geschähe, wenn unsere App etwa aufgrund eines Blackouts ganz ausfiele, mag man erst gar nicht nachdenken. Ein Heer orientierungsloser Deutscher tappte - überall durch rechte Attacken in Gefahr - hilflos durch die Straßen. 

Als bodenständiges Ruhrpottkind mit rheinland-pfälzischem Migrationshintergrund sehe ich mich zunehmend eingeengt - womit ich sicherlich nicht die einzige bin. Angefangen hat das Getöse mit der Einsetzung einer Sprachpolizei durch Möchtegern-Intellektuelle, denen es eigentlich vollkommen egal ist, was ein Mensch fühlt und denkt, wenn er nur die richtigen Formulierungen abspult. Ein gutes Beispiel dafür ist Präsident Steinmeier: Immer wieder kuschelt er mit Linksextremisten und Antisemiten, aber weil er genau einstudiert hat, welche Formulierungen man im Bezug auf die deutsche Vergangenheit gebrauchen muss, nicken die "Guten" jede Handlung von ihm ab, die nonverbal eine ganz andere Sprache spricht. Umgekehrt können jemandem ein Krieg, Völkermord oder jede andere menschliche Tragödie innerlich sehr nahe gehen, aber ein ehrliches "Was für eine Sch..." macht ihn zum Paria, denn er hat den Formalitäten nicht genügt. Den Bürgern wird Knopfdruck-Betroffenheit anerzogen, und damit kommt man in jeder Lage ausgezeichnet zurecht. Das Gesamtbild menschlicher Kommunikation, die bekanntlich auch aus Mimik und diversen Gesten besteht, gerät mittlerweile in Vergessenheit, es reichen ein paar einstudierte Gesichtsausdrücke, um in dieser Show zu punkten. 

Allerdings leben wir doch angeblich in der besten Demokratie aller Zeiten, so wird uns täglich eingehämmert. Erstaunlich ist dann nur, dass unser Verhalten dem eines Bürgers ähneln soll, der eine Diktatur überleben will. Wenn es die App schon gäbe, würde sie angesichts dieser Frage wohl schon schrille Warntöne von sich geben...



Ukrainische Flüchtlinge: Tränen der Erleichterung am Berliner Hauptbahnhof...

von Mirjam Lübke...

Die Folgen des Klimawandels sind auch in der Ukraine deutlich zu spüren, wie uns auch Luisa Neubauer immer wieder eindringlich zu vermitteln versuchte. Der letzte Sommer sorgte immerhin für gesunde Sonnenbräune - Genetiker äußern sich allerdings besorgt über erste Veränderungen im Erbgut der Ukrainer: "Eine derart rapide Entwicklung war in der Geschichte der Evolution bisher unbekannt!"



Dienstag, 1. März 2022

Generation Greta zieht in den Krieg...

von Mirjam Lübke...

Ein Foto von Luisa Neubauer wird derzeit in den sozialen Medien herumgereicht - es zeigt sie, wie sie gelangweilt an der Wand eines Aufzugs lehnt, betont schlicht (aber teuer) gekleidet, darunter ist ein Solidaritätssticker mit der Ukraine angebracht. Das gehört sich jetzt so, das ist woke. Vielleicht gibt es bald auch welche mit Glitzersternchen. "Ey, Mandy-Chantal, ich weiß zwar nicht, wo diese Ukraine ist, von der jetzt alle labern, aber der Sticker ist schon geil!" - "Ja, morgen kleben wir uns alle vor der russischen Botschaft auf den Boden, um ein Zeichen gegen den Krieg zu setzen." - "Da kann ich nicht, Moms SUV ist beim TÜV und ich versau' mir doch nicht die Klamotten in der U-Bahn!"



Während meine Generation dunkle Wolken am Horizont aufziehen sieht - oder wahlweise auch schon Atompilze über deutschen Städten - ist "Generation woke" jetzt erst einmal mit dem Setzen von Zeichen beschäftigt. Im Falle von Friedensdemos ist das sogar eine gute Sache, denn plötzlich könnten sich Lauterbach-Fans und "Querdenker" an einem Strang ziehend Seite an Seite wiederfinden. Wenn die Erkenntnis reift, dass in der Welt Gefahren existieren, gegen die Corona tatsächlich ein Schnüpfchen ist. Hat Karl Lauterbach Putin eigentlich schon darauf aufmerksam gemacht, dass radioaktiver Fallout ganz üble Mutationen des Corona-Virus auslösen könnte? Wahrscheinlich ist das seine ärgste Sorge derzeit. Natürlich hören unsere Alltagssorgen mit der Ukraine-Krise nicht auf, aber ich frage mich, ob allen Haltungszeigern klar ist, was noch auf uns zukommen könnte, nachdem Deutschland sich den Sanktionen gegen Russland in vollem Umfang angeschlossen hat. Es geht mir dabei nicht um eine moralische Bewertung, sondern einzig allein um das Nachdenken über Konsequenzen. Eine Luisa Neubauer wird in ihrem wohlhabenden Elternhaus nicht viel davon spüren, ihre Anhänger allerdings schon. Und wenn die Konsequenz daraus besteht, demnächst wieder zur Schule laufen zu müssen. 

"In 15 Minuten sind die Russen auf dem Kurfürstendamm,
sie lassen ihre Panzer im Parkhaus steh'n
und woll'n im Café Kranzler Sahnetörtchen sehen."

Das sang Udo Lindenberg in den Achtzigern, das Lied geht mir seit ein paar Tagen im Kopf herum. Die deutsche Wokeness zeigt derzeit nämlich auch wieder ihr hässliches Gesicht. Auch ohne Panzer werden Russen bereits jetzt in manchen Gastronomiebetrieben nicht mehr bewirtet - "um ein Zeichen zu setzen". Man könnte sein Lokal auch zur neutralen Zone erklären, als Mini-Schweiz, in der hier lebende Russen und Ukrainer ein Friedensbier miteinander trinken könnten, da es nun wirklich nicht nötig ist, dass sich auch die hier Lebenden in die Wolle bekommen. Aber nein, wenn deutsche Gutmenschen ein Zeichen setzen wollen, läuft das meist auf einen Tritt nach unten hinaus. AfD-Wähler, Ungeimpfte und nun auch noch Russen - man macht sehr deutlich, wie wenig man am Dialog interessiert ist, den sollen bitte nur Putin und Selensky führen - vielleicht mit weiser Mediation durch Annalena Baerbock. Ein Edeka-Markt in Kiel hat sogar Putin höchstpersönlich Hausverbot erteilt - es ist so herrlich, wenn man Haltung zeigen kann, ohne dass es etwas kostet. 

Das Zeigen von Haltung hat derzeit auch in den sozialen Medien wieder Konjunktur, wir kennen das Phänomen bereits von Corona: Wahlweise wurden Impfskeptiker oder Impffreunde entfreundet, jetzt wird die Haltung zu Putin abgefragt. Grautöne gibt es dabei nicht, so als wäre es unmöglich, gegen den Einmarsch in die Ukraine zu sein, mit den Ukrainern zu fühlen aber trotzdem über mögliche Fehler der westlichen Politik nachzudenken. Hinter Haltung kann man sich nämlich auch großartig verstecken (und sich dann ein paar Jahre später wundern, warum wieder niemand etwas gelernt hat). Haltung als Diskussionsbremse nutzt niemandem etwas. 

"Generation woke" will um jeden Preis alles richtig machen und sich jedem Trend anpassen. Aber den wenigsten ist dabei klar, dass Haltung ohne die Bereitschaft, auch einen eigenen Preis zu bezahlen, nichts wert ist und einen auch nicht vertrauenswürdig macht. Welches Thema wird morgen welches Signal in der Öffentlichkeit erfordern? Da müssen wir schon aufpassen, nicht eines Tages das falsche Fähnchen in den Wind hängen.




Sonntag, 27. Februar 2022

Erste militärische Erkenntnisse aus dem Krieg in der Ukraine

von Thomas Heck...

Der Krieg in der Ukraine ist auch ein Krieg der Medien, geprägt meist vom erschreckenden Unverständnis der Journaille von militärischen Grundsätzen, da die wenigsten Journalisten je auch nur als Wehrpflichtige gedient haben. Als ehemaliger Stabsoffizier der Bundeswehr stellen sich angesichts der Berichterstattung in ARD und ZDF, auf BILD-TV, etc. und bei der Verwendung von Termini wie "Panzerangriffen" die Nackenhaare auf. Doch selbst für Fachleute, die sich mit dem Thema schon rein beruflich beschäftigen mussten, ist es extrem schwierig, ein klares Lagebild zu erhalten. Verschärft wird der Mangel an klarer Information auch durch die in Kriegszeiten übliche Propaganda auf beiden Seiten, auch der Geheimhaltung bei militärischen Operationen und der Verschleierung militärischer Ziele.


Der von Russland begonnene Krieg in der Ukraine geht erst in den dritten Tag und doch lassen sich bereits erste militärische Erkenntnisse aus den beobachtbaren Ereignissen ableiten – auch wenn die öffentlich zugänglichen Informationen nur einen sehr begrenzten Einblick in das tatsächliche Kampfgeschehen zulassen. Die im Internet und Fernsehen geteilten Bilder, Informationen und Videos zeigen zum allergrößten Teil eine Szenerie nach dem Abschluss von Gefechtshandlungen. Mittschnitte, die den umkämpften Frontverlauf zeigen – insbesondere dort, wo mechanisierte Verbände kämpfen – sind selten.

Als gesichert kann man wohl mittlerweile den Umstand annehmen, dass die russischen Streitkräfte der eigenen russischen Propaganda der vergangenen Jahre aufgesessen sind. Es deutet vieles darauf hin, dass die Führung der russischen Armee davon ausgegangen war, dass die eigenen Kräfte – insbesondere in den östlichen Landesteilen der Ukraine – mehrheitlich als potenzielle Befreier und nicht als Besatzer angesehen würden. Hinweise auf die Gültigkeit dieser These lassen sich sowohl aus dem Einsatz der russischen Feuerunterstützung, als auch dem taktischen Verhalten der russischen Armee ableiten.

So wurde die russische Feuerunterstützung bislang, entgegen der russischen Einsatzdoktrin der massiven Feuervorbereitung vor dem Einmarsch der eigenen Truppen, für russische Verhältnisse vergleichsweise dosiert eingesetzt. Kollateralschäden in der ukrainischen Bevölkerung sollten wohl so gut wie möglich vermieden werden, was darauf hindeutet, dass man die öffentliche Meinung, in der Ukraine und in Russland nicht gegen sich aufbringen wollte.

Auch der Umstand, dass die russischen Fahrzeugkolonnen – so zeigen es zumindest die Videos der ersten Kampftage – wie auf der Perlenschnur aufgereiht in das ukrainische Territorium eingefahren sind, zeigt, dass man sich wohl eher auf dem Weg in eine „Friedensmission“ sah als in den Krieg. Oder man vertraute darauf, dass die anfänglichen Präzisionsschläge auf die militärische Infrastruktur der Ukraine die Verteidigungsfähigkeit der des Landes brechen würde.

Es kann davon ausgegangen werden, dass sowohl die militärischen Fähigkeiten der ukrainischen Streitkräfte als auch der Widerstandswille der Bevölkerung unterschätzt wurden. Das nun zu beobachtende Nachschieben von schwerer Artillerie könnte jedoch dazu führen, dass die russische Armee von diesem Ansatz abrückt und ukrainische Widerstandnester auf „klassische“ Art bekämpfen will. Wäre dies der Fall, würde in den folgenden Tagen das Vorrücken der russischen Kampftruppen auf ukrainische Stellungen erst nach einem massiven Feuerschlag erfolgen.

Die anfängliche russische Fehleinschätzung könnte dazu führen, dass in Zukunft die Taktik geändert wird und die aus den bisherigen Kampfhandlungen resultierenden Lehren zumindest teilweise verfälscht sein könnten. Nichtsdestotrotz ist eine Analyse lohnenswert.

Logistik

Bereits der zweite Gefechtstag hat gezeigt, dass der alte von US-Fünf-Sterne-General Omar Bradley geprägte Grundsatz „Amateure sprechen über Strategie, Profis über Logistik“ auch im Krieg in der Ukraine seine volle Gültigkeit hat. Beide Seiten scheinen bereits nach dem zweiten Gefechtstag an ihre logistischen Grenzen zu kommen.

Die militärischen Erfolge der ukrainischen Verteidiger sind sicherlich auch darauf zurückzuführen, dass die Streitkräfte der Ukraine über erhebliche Wirkmittel zur Panzerabwehr verfügten. Neben den eigenen Mitteln haben in den letzten Wochen auch zahlreiche westliche Länder Panzerabwehrsysteme an die Ukraine geliefert. Fraglich ist, wie lange der Vorrat an diesen Mitteln noch ausreicht. Es ist davon auszugehen, dass mit schwindenden Waffen- und Munitionsbeständen auch der Kampfeswille sinkt. Bezeichnend ist da die Aussage des ukrainischen Präsidenten am heutigen Morgen, dass er keine Mitfahrgelegenheit sondern Munition brauche, nachdem ihm Unterstützung bei der Evakuierung durch die Vereinigten Staaten angeboten worden war.

Es haben sich zwar 27 westliche Nationen bereit erklärt, militärische Unterstützung, insbesondere in Form von Waffen, Munition, Sanitätsmaterial und Treibstoff zu liefern. Aus ukrainischer Sicht stellt sich allerdings die Frage, ob diese Lieferungen rechtzeitig ihre Zielorte erreichen.

Auch die russischen Streitkräfte scheinen logistische Probleme zu haben. Es gibt mehrere Berichte, dass der Vormarsch russischer mechanisierter Verbände zum Halten gekommen ist, weil es an Treibstoff fehlt. So wird über russische Soldaten berichtet, die im Umfeld ihrer Fahrzeuge nach Treibstoff suchten. Die durch zahlreich Bilder und Videos dokumentiere Zerstörung russischer Logistikfahrzeuge durch ukrainische Kräfte wird sicherlich dazu beigetragen haben, dass russische Panzer nun erstmal auf dem Trockenen sitzen. Darüber hinaus kursieren Berichte, wonach die russische Armee nur über einen begrenzten Vorrat an Munition verfügen soll. Wenn dies zutrifft, dann könnte die derzeitige Intensität des Angriffs sicherlich nicht über Wochen hinweg aufrechterhalten werden.

Gewehr > Tastatur

Entgegen weit verbreiteter Erwartungen scheint das Thema Cyberkriegsführung zumindest zum derzeitigen Zeitpunkt des Krieges keine übergeordnete Rolle zu spielen. Die Abschüsse der russischen Panzer und Kampffahrzeuge wurden durch Soldaten mit klassischen Waffensystemen erzielt und nicht durch „Hoodies tragende Tastaturvirtuosen“. Ohne Frage wird auch im Ukraine-Krieg der Kampf im Informationsraum geführt. Und die Informationsstrategie der ukrainischen Streitkräfte trägt sicherlich zur Aufrechterhaltung der Moral und zur Unterstützung der ukrainischen Verteidiger durch den größten Teils der internationalen Gemeinschaft bei. Aufgehalten werden die russischen Truppen aber durch ukrainische Panzer, Flugzeuge und Panzervernichtungstrupps.

Ein Umstand, der sicherlich auch für westliche Streitkräfteplaner zur Erkenntnis führen sollte, dass das Aufkommen der neuen Dimension Cyber die anderen Dimensionen nicht weniger wichtig werden lässt. Es muss daher der Grundsatz lauten, dass Cyberkräfte konventionelle Truppe sinnvoll ergänzen, aber nicht ersetzen können.

Drohnen

Es ist zum derzeitigen Zeitpunkt schwer zu analysieren, welche Rolle Kampfdrohnen oder Loitering Munition in dem aktuellen Krieg einnehmen. Es gibt zwar vereinzelte Berichte vom Einsatz der ukrainischen Bayraktar-TB-Drohnen – sogar ein von den ukrainischen Streitkräften veröffentlichtes Video, indem zu sehen ist, wie eine Drohne einen russischen Konvoi mit gepanzerten Fahrzeugen bekämpft. Es ist aber derzeit noch unklar, welchen Einfluss diese Technologie auf den Verlauf des Krieges haben wird.

Das gleiche gilt für die unbemannten Systeme auf russischer Seite. Auch dort gibt es Berichte, die nahelegen, dass russische Drohnen an der Schwarzmeerküste zum Einsatz kommen. Doch auch hier herrscht Ungewissheit, welchen Beitrag diese Systeme für den russischen Vormarsch leisten.

Einsatz von Luftlandetruppen

Die erste Phase des Krieges in der Ukraine begann mit einem Angriff der russischen Armee auf die militärische Infrastruktur des Landes. Zum Einsatz kamen hauptsächlich weitreichende Artillerie- und Präzisionswaffen auf offenbar im Vorfeld aufgeklärte Stellungen der ukrainischen Truppen sowie ortsfeste Anlagen. Ziel war es wohl, die Fähigkeiten der Ukraine im Bereich der Führung und Flugabwehr soweit wie möglich zu zerstören. Kurze Zeit später begann eine breite Bodenoffensive aus mindestens drei Stoßrichtungen sowie eine hubschraubergestützte Luftlandung auf einen Flughafen westlich der Hauptstadt Kiew.

Die russischen Luftlandekräfte waren zwar in der Lage, den Flughafen zu gewinnen, konnten diese aber nur über wenige Stunden halten, bevor die ukrainische Armee das Flugfeld mittels eines Gegenangriffs wieder einnehmen konnte. Der zweite Versuch einer Luftlandung am zweiten Gefechtstag südlich von Kiew soll Berichten zufolge komplett gescheitert sein.

Eine abschließende Bewertung über die Relevanz von Luftlandetruppen lässt sich aus diesen Ereignissen nicht machen. Die beiden Operationen sind zwar gescheitert, aber die erfolgreiche Einnahme des Flughafens am ersten Tag hat gezeigt, dass die russischen Luftlandetruppen in klassischer Manier in der Lage waren, die temporäre Luftüberlegenheit auszunutzen und einen erfolgreichen Angriff in die Tiefe des Raumes auszuführen. Es scheint den russischen Truppen jedoch nicht gelungen zu sein, schnell Folgekräfte in den Luftlandekopf nachzuführen. Die Gründe dafür sind unbekannt. Ein Grund könnten fehlende Lufttransportkapazitäten in Belarus gewesen sein, von wo die Operation durchgeführt wurde. Denkbar ist auch, dass es der Ukraine gelungen ist, den relevanten Luftraum zumindest teilweise zu verteidigen, was man auf russischer Seite wohl nicht erwartet hatte.

Die Luftlandung hat auf jeden Fall dazu geführt, dass ukrainische Kräfte mitten im Kernland gebunden waren und nicht zum Einsatz an der Front zur Verfügung standen.

Einsatz von Spezialkräften

Es mehren sich die Berichte von festgenommenen Saboteuren in unterschiedlichen Bevölkerungszentren der Ukraine. Es kann davon ausgegangen werden, dass es sich dabei um Spezialkräfteangehörige unterschiedlicher russischer Dienste handelt. Diese sind vermutlich mehrere Tage, wenn nicht Wochen vorher in den Einsatzraum eingesickert. Die ukrainischen Streitkräfte haben die Festnahme von zivil gekleideten oder ukrainische Uniformen tragenden Saboteuren in Kiew und anderen Städten bekanntgegeben und teilweise Videos von den Verhören veröffentlicht.

Darüber hinaus wurden von der ukrainischen Bevölkerung vergangene Nacht mehrere Videos ins Netz gestellt, die Szenen zeigen, in denen einzelne Personen oder Personengruppen Lichtsignale geben oder Markierungen anbringen. Es wird davon ausgegangen, dass diese der Kommunikationen mit russischen Luftstreitkräften dienen.

Diese Ereignisse haben dazu geführt, dass die ukrainische Regierung eine Ausgangssperre in Kiew verhängt hat, die heute Abend beginnt und mehrere Tage dauern soll. Es wurde öffentlich kommuniziert, dass Menschen, die sich nicht daran halten, als Saboteure betrachtet werden.

Genauso wie bei der Luftlandeoperation werden allerdings auch diese Ereignisse dazu führen, dass erhebliche Kräfte der Ukrainer gebunden werden.



Wie erstelle ich ein Solidaritätsbild...

Ort: Berlin, Pariser Platz, Brandenburger Tor.

Timon Dzienus und eine unwichtige grüne Quotenfrau entschließen sich, ihre Solidarität mit der Ukraine auszudrücken.

1. Selbstversuch


2. Versuch - jetzt mit Betroffenheitsmodus


Ja, viel besser Timon... das kann jetzt online gehen...



Samstag, 26. Februar 2022

Der Putinator - oder: Langsam wird's mir mulmig...

von Mirjam Lübke...

Bei Edeka ist wieder ständig das Milchpulver ausverkauft - aber diesmal werden keine lockdowngeschädigten Niederländer dahinterstecken. In meiner Region herrscht nämlich reger Grenzverkehr, meist sind es jedoch die Deutschen, welche die Grenze überqueren, um sich in Venlo mit Kaffee, Rijstaart und Käse einzudecken und ihre Beute dann per Auto und Zug fortzuschleppen. Manchmal sind auch weniger legale Waren dabei, aber im Allgemeinen geschieht die "deutsche Invasion" im gegenseitigen Interesse. Ob die ersten Niederrheiner schon Sorge haben, dass Putin morgen mit dem Panzer auch in Krefeld anlandet? Jedenfalls ist wieder das Milchpulver knapp und keiner weiß warum. Keine Ahnung, was die Bauern hier schon für den Notfall einbunkern. Bei Gelegenheit werde ich noch ein paar Dosen Pfirsiche einlagern, die werden in der Apokalypse immer gebraucht. Denn langsam wird mir mulmig. 


Milchpulver-Knappheit mag eine Banalität sein angesichts der sich ausweitenden Krise, aber für mich ist sie wie ein böses Omen, das üble politische Wendungen ankündigt. Als Jude achtet man auch auf solche mikroskopisch kleinen Erschütterungen in der nächsten Umgebung, um Gefahrenlagen rechtzeitig zu erkennen. Und im Moment herrscht in meinem Inneren zumindest Alarmstufe Rot, mitsamt alter Mini-Greta-Atomkriegsängste. Da hast du zwei Jahre lang eine Maske getragen, um dich vor einem dämlichen Virus zu schützen, und plötzlich macht es "Kabumm!" und das war's. 

Gerade, weil ich niemals mit einem Einmarsch in die Ukraine gerechnet hätte. Um ehrlich zu sein, habe ich davon gestern morgen erst gar nichts mitbekommen, weil ich meist erst wach werde, wenn ich am Schreibtisch sitze. Als ein Kollege während unserer Videokonferenz von Putins Militäraktion erzählte, dachte ich zunächst, er wolle sich einen Scherz erlauben. "Das kann der doch nicht wirklich gemacht haben?", war mein erster Gedanke. Zwar hätte ich bis zu diesem Zeitpunkt dem russischen Präsidenten nicht gerade einen Gebrauchtwagen abgekauft, hielt ihn aber im Grunde für einen rational agierenden Menschen. Für ein wenig Säbelrasseln habe ich sogar Verständnis aufgebracht, denn selbst meine mittlerweile verstorbene Oma warnte schon vor Jahren vor der NATO-Osterweiterung: "Kein Wunder, dass die Russen sich bedrängt fühlen!"

Schließlich hatten diese vor rund dreißig Jahren der deutschen Wiedervereinigung nur zugestimmt, weil sie die Zusage für eine neutrale Pufferzone erhalten hatten. Darüber mag schon damals mancher osteuropäische Staat erbost gewesen sein: Für das deutsche Glück nahm man ihnen das Selbstbestimmungsrecht. Und das in einer Zeit, als der Warschauer Pakt zur Erleichterung der meisten zusammenbrach. Was haben wir uns gefreut! Der kalte Krieg ist zu Ende und atomar pulverisiert werden wir auch nicht mehr! Der Bürgerkrieg im zerbrechenden Jugoslawien machte einem jedoch rasch klar, wie viel auch in Europa nach Jahrzehnten kalten Krieges noch im Argen lag: Da war unter Zwang einiges zusammengeschweißt worden, was gar nicht zusammengeschweißt werden wollte. Und plötzlich beteiligte sich auch Deutschland wieder an einem Krieg. Was Helmut Kohl noch ein paar Jahre vorher als verfassungswidrig verworfen hatte, wurde nun ausgerechnet vom grünen Minister Joschka Fischer salonfähig gemacht. 

Im Grunde macht einem die derzeitige Lage deutlich, wie begrenzt die Möglichkeiten auf eigenständiges außenpolitisches Handeln sind, wenn man als Staat "Anhängsel" einer Supermacht ist. Auch wenn ich weit davon entfernt bin, mich den Ausführungen der TAZ zu phallusartigen Geschütztürmen anzuschließen, fällt mir hier ein klassischer Vergleich ein: Das "Platzhirschgehabe". Bei Putin und seinen riesigen Tischen oder als einsamer Wolf im Saal vor meilenweit entfernten Journalisten fällt es leicht, es zu erkennen. Bei Joe Biden findet es ein wenig unauffälliger statt, man muss schon in die amerikanische Presse schauen: Innenpolitisch angeschlagen, wird er derzeit massiv von der Opposition provoziert, Senator Ted Cruz bezeichnete ihn als nutzlosen Präsidenten und Fox News spottete, Putin könnte seine Angst riechen. Da die USA und gern ihr Fracking-Gas verkaufen wollen, solle er zudem mehr Druck auf die Deutschen ausüben, Nord Stream 2 auszusetzen. Auch die USA sind bekanntlich keine Unschuldslämmchen in der internationalen Politik - aber es doch beängstigend, wenn dabei nicht nur Wirtschaftsinteressen, sondern auch das Ego der jeweiligen Leitwölfe eine so große Rolle spielt. 

Dem haben Staaten, die auf das Bündnis mit den "Großen" angewiesen sind, nur wenig entgegenzusetzen. Egal, ob die Ukraine auch eigene Fehler gemacht hat, das Land nun mit Zerstörung zu überziehen, lässt nur die Bevölkerung den hohen Preis dafür zahlen. Uns als Deutsche trifft es nicht ganz so grausam, aber wir haben unsererseits mit einer plappernden Außenministerin und einem blassen Kanzler keinen guten Stand, um unsere energiepolitischen Interessen gegen die USA durchzusetzen, für die mit der sogenannten "Bündnistreue" offenbar auch eine Abnahmeverpflichtung für amerikanisches Flüssiggas vorhanden ist. Dass Nord Stream 2 nun erst einmal erledigt ist, dürfte den US-Präsidenten nicht unglücklich machen.

Wie üblich, gibt es keine klare Antwort darauf, wem in diesem Konflikt die Rolle des Oberschurken zukommt, auch wenn Putin durch seinen Einmarsch in die Ukraine derzeit klar die Nase vorn hat. Das für uns Bedrohliche liegt wahrscheinlich daran, dass der Krieg so nah vor unsere Haustür tobt - andere (Stellvertreter)kriege fanden schließlich immer schön weit weg statt. Natürlich hoffen wir nun alle, das der Kelch einer militärischen Ausweitung bis zu uns an Deutschland vorüber geht. Derzeit frage ich mich oft, wie es wohl für die Menschen in den Dreißigern gewesen ist, auf den beginnenden Krieg in Europa zu schauen. Es ist zwar relativ leicht gewesen, den Aggressor auszumachen, aber viele Familien, die noch an den ersten Weltkrieg gedacht haben, werden sich sicherlich gefragt haben, warum ihre Söhne nun schon wieder ihr Leben für "das Richtige" opfern sollten. Heute stellt sich eine ähnliche Frage: Unser Land hat sich ohne Not in eine Energiekrise manövriert, gäbe es diese nicht, ließe sich die moralische Frage nach einer Beteiligung an Sanktionen sicherlich leichter beantworten. Das Wohl unserer eigenen Bevölkerung zu schützen, die durch Inflation, Corona und hohe Energiekosten gebeutelt ist, scheint mir kein illegitimes Ziel zu sein - denn was darf Moral kosten? 

Unsere kaputtgesparte Bundeswehr wird ohnehin nichts ausrichten können - wenn wir Glück haben, lacht sich Putin über sie höchstens ins Koma. Dann kann ich die Dosenpfirsiche noch ein bisschen aufheben.

Facebook-Fundstück...



000 - Mit der Lizenz zum Versagen...

von Thomas Heck...

Was für ein Geheimdienst. Dieser BND. Kabul haben sie nicht vorhergesehen und auch in Punkto Ukraine sieht der deutsche Auslandsgeheimdienst BND ziemlich alt aus. Und so ist eigentlich nur noch ein Treppenwitz am Rande, wenn der BND-Chef vom russischen Angriff in der Ukraine auf dem falschen Fuss erwischt wird.

Noch am Mittwoch reiste BND-Präsident Kahl zu Gesprächen nach Kiew. Doch der russische Angriff überrumpelt offenbar selbst den Geheimdienstchef. Nachdem er einen Evakuierungskonvoi verpasst, muss Kahl einen langwierigen Rückweg über Land antreten.


Der Präsident des Bundesnachrichtendienstes (BND), Bruno Kahl, ist in Kiew vom russischen Angriff auf die Ukraine überrascht worden. Kahl sei am Mittwoch für dringende Gespräche zur aktuellen Lage in die Ukraine gereist, teilte ein BND-Sprecher auf Anfrage mit. 

In der Nacht auf Donnerstag zeichnete sich dann ein baldiger Angriff Russlands ab. Das Pentagon etwa warnte davor, dass Russland jeden Moment losschlagen könne. Offenbar blieb Kahl trotzdem im Land. Als die Kriegshandlungen dann begannen und der Luftraum über der Ukraine gesperrt wurde, sei der Jet des BND-Präsidenten ohne ihn zurück nach Deutschland geschickt worden, schreibt der "Spiegel". Kahl habe alle weiteren geplanten Treffen abgesagt. 

Das Magazin "Focus" berichtet, dass nach dem Aufruf von Außenministerin Annalena Baerbock zum Verlassen des Landes eine Spezialabteilung der Bundespolizei tätig wurde. Dieser "Personenschutz Ausland" habe auf dem Landweg Diplomaten und Verbindungsleute des BKA evaluiert. Kahl habe diese Evakuierungseinheit aber nicht rechtzeitig erreicht.

Der Präsident habe die Rückreise am Donnerstag daraufhin auf dem Landweg antreten müssen. Diese sei wegen der Flüchtlingsbewegungen schwierig und langwierig gewesen. Am heutigen Freitag habe Kahl einen Grenzübergang zu Polen erreicht. Der BND-Präsident werde noch am Abend zurück in Berlin erwartet. Schade...



Mittwoch, 23. Februar 2022

Klimaschutz mit Annalena Baerbock...

von Thomas Heck...

Deutschland wird ja zur Zeit durch feministische Außenpolitik beglückt. Was es bislang gebracht hat, kann man ja am aktuellen Konflikt in der Ukraine ablesen. Beeindruckender Erfolg einer Annalena Baerbock. Was auch beeindruckend ist, ist die Umweltfreundlichkeit des politischen Wirkens unserer amtierenden Bundesaußenministerin. So hat Auswärtige Amt eine Maschine der Flugbereitschaft bestellt, doch die Ministerin nutzte lieber den Zug. Der Regierungsjet kehrte ohne Passagiere nach Deutschland zurück. Solche Leerflüge verursachen unnötige Schadstoffemissionen und Kosten. 


Außenministerin Annalena Baerbock reist derzeit für ihre Antrittsbesuche rund um die Welt. Ihre erste politischen Visite sorgt jetzt nachträglich für Kritik. Am 9. Dezember vergangenen Jahres war die Grünen-Politikerin vormittags mit der Flugbereitschaft der Bundeswehr nach Paris geflogen. Doch für die spätere Weiterreise ins 264 Kilometer Luftlinie entfernte Brüssel nutzte sie den vom Auswärtigen Amt bestellten Airbus nicht, sondern lieber den Hochgeschwindigkeitszug Thalys.

Um Schadstoffemissionen zu reduzieren, aber tatsächlich sparte Baerbock nichts ein: Denn die Regierungsmaschine flog ohne Passagiere nach Deutschland zurück. In sozialen Netzwerken wurde dies umgehend kontrovers diskutiert. Wollte die Ministerin nur ihr Image aufpolieren oder ernsthaft etwas für das Klima tun?

Auf den ersten Blick ist dies eher eine kleine Sache. Doch dem hohen Anspruch der Grünen, viel öfter klimaneutral unterwegs zu sein, ist Baerbock selbst nicht gerecht geworden. Glaubhafter wäre es gewesen, den ohnehin bereit gestellten Airbus für die ganze Strecke zu nehmen. Der Vorgang ist pikant, weil die Grünen – als sie noch in der Opposition waren – solche Leerflüge mehrfach als klimaschädlichen Missstand angeprangert haben.

„Einfach irre“ hatte Stefan Gelbhaar, der Grünen-Verkehrsexperte im Bundestag und frühere Berliner Parteichef, diese Praxis genannt. Auch der Grünen-Verteidigungsexperte Tobias Lindner hatte zu dem Thema eine parlamentarische Anfrage gestellt. Er wollte wissen, welche Schadstoffmenge die Regierungsflotte mit ihren 16 Maschinen bei Leerflügen insgesamt ausstößt. Die Antwort der Bundesregierung: Dadurch seien jährlich rund 4000 bis 5500 Tonnen an CO2-Emissionen verursacht worden.

Der Umgang mit der aktuellen Angelegenheit ist jedoch auffällig: Das für die Flugbereitschaft der Bundeswehr zuständige Verteidigungsministerium nimmt nämlich zu Baerbocks Fehltritt nur ausweichend Stellung. WELT fragte, wie klimaneutral die Dienstreise der Ministerin wirklich war? „Zur Klimabilanz/zum CO2-Ausstoß konkreter Flüge kann keine Auskunft gegeben werden, da die Verbrauchswerte stark von den tagesaktuellen Rahmenbedingungen abhängen“, teilte das Ministerium mit. Dies sei je nach Flughöhen, Geschwindigkeiten oder Temperaturen unterschiedlich.

Am 14. Januar stellte Unions-Verteidigungsexperte Florian Hahn (CSU) im Bundestag eine Anfrage zu Baerbocks Leerflug. Er wollte wissen, warum sie den Regierungsjet für die Visite in Brüssel nicht nutzte. Die Antwort von Baerbocks Staatssekretärin Susanne Baumann, die WELT jetzt vorliegt: „Zur Erledigung ihrer Amtsgeschäfte versucht die Bundesministerin möglichst nachhaltig zu reisen. Das Flugzeug der Flugbereitschaft, welche die Delegation am 9. Dezember 2021 nach Paris geflogen hat, wurde anschließend nach Köln/Bonn zurückverlegt.“

Auch WELT fragte bei Baerbocks Ministerium nach. „Für die Zugfahrt von Paris nach Brüssel wurde der Thalys genutzt, der nach Betreiberangaben zu 100 Prozent mit Ökostrom betrieben wird“, erklärte das Auswärtigen Amt. Damit habe man einen Kurzstreckenflug einsparen können. Dass die Maschine leer nach Köln-Bonn zurückkehrte, sei von der Flugbereitschaft nach deren „operativen Vorgaben“ festgelegt worden.


Soll heißen: Verantwortlich dafür ist nicht Baerbock, sondern das Verteidigungsministerium. Das Auswärtige Amt betont zudem, Leerflüge seien sinnvoll, weil Angehörige der Luftwaffe sie für die Aus- und Fortbildung nutzen würden. Allerdings fehlt ein Beleg dafür, dass es auch in diesem Fall so war.

Pro Jahr sind bei den bisherigen Bundesregierungen mehrere Hundert solcher Leerflüge registriert worden. Sie finden größtenteils deshalb statt, weil die Jets der Flugbereitschaft ständig zwischen ihrem Heimatflugplatz an der Luftwaffenkaserne Köln-Wahn (1200 Soldaten, 100 Zivilkräfte) und dem Regierungssitz Berlin hin und her geflogen werden müssen.

Bestellen Kanzleramt und Ministerien die Flugbereitschaft, müssen die Maschinen erst leer von Köln nach Berlin herangeschafft werden. Am BER steigen die Regierungsmitglieder bei der Hinreise ein, und auf dem Rückweg dort auch aus. Die Flugzeuge kehren anschließend vom BER wieder ohne Passagiere nach Köln zurück.

Denn einen richtigen Regierungsflughafen gibt es in der Hauptstadt selbst mehr als zwei Jahrzehnte nach dem Umzug des Bundestags von Bonn nach Berlin immer noch nicht. Auf dem BER existiert bisher nur ein provisorisches Terminal ohne größere Abstellflächen, die aber für eine Stationierung der gesamten Regierungsflotte mit den schwarz-rot-goldenen Streifen nötig wären.

Immer wieder fragen Bundestagsabgeordnete die Anzahl der Leerflüge beim Verteidigungsministerium ab. 607 waren es im Zeitraum vom 1. März 2018 bis 28. Februar 2019 zwischen den Standorten Köln-Bonn und Berlin. Aufgrund der Pandemie sanken die Zahlen, auch Regierungsmitglieder waren seltener unterwegs. Das geht aus einer Antwort auf eine Anfrage von FDP-Vizefraktionschef Stephan Thomae in der letzten Legislaturperiode hervor. Ihm wurde mitgeteilt, dass vom 1. Januar 2020 bis 31. März 2021 insgesamt 353 Leerflüge stattfanden.

Für Unions-Fraktionsgeschäftsführer Thorsten Frei (CDU) zeigt „Baerbocks Fauxpas“, dass die um Klimaneutralität bemühten Grünen langsam in der Realität des Regierungshandelns ankämen. „Angesichts ihrer früheren Forderungen ist das offenbar ein schmerzhafter Prozess“, so Frei. Solche Leerflüge seien vermeidbar, mit Baerbocks Symbolpolitik werde Vertrauen bei den Bürgern verspielt. „Öffentlichkeitswirksam einen Zug zu besteigen, während die Regierungsmaschine leer heimkehrt, ist absurd.“

Und nach Ansicht des Unions-Verteidigungsexperten Florian Hahn ist Baerbocks Leerflug ein Beispiel für die Doppelmoral der Grünen: „Da ist die Show wichtiger als die Klimabilanz.“
Leerflüge kosten zehn Millionen Euro im Jahr

Was hat Baerbocks Leerflug gekostet? Nach internen Berechnungen der Flugbereitschaft schlägt eine Flugstunde im Airbus mit mehr als 40.000 Euro zu Buche, inklusive Crew und Wartung. Die Gesamtkosten für Leerflüge lagen in den letzten Jahren im Schnitt bei zehn Millionen Euro jährlich. Offizielle Angaben will das Verteidigungsministerium nicht machen, weil es die Kosten als geheime Verschlusssache einstuft.

Begründet wird dies damit, dass angeblich die Sicherheit Deutschlands gefährdet sein könnte: „Bei offener Beantwortung wäre eine freie Einsicht in die Möglichkeiten der Bundeswehr von vorhandenen Fähigkeiten, Abläufen und Zeitlinien in Bezug auf Verteidigung und Abwehr von Angriffen zu befürchten.“

Selbst der Jahresetat mit 284 Millionen Euro für die gesamte Regierungsflotte ist schwer zu finden, weil sie aus mehreren Haushaltstöpfen gespeist wird. Fest steht indes: Flüge mit Regierungsjets sind deutlich teurer als Linienflüge.

Wohl auch darum gelobt Baerbock Besserung. Das Auswärtige Amt hat jetzt angekündigt, die Ressortchefin wolle künftig das Angebot ziviler Luftfahrtgesellschaften nutzen, um den CO2-Ausstoß bei ihren Auslandsreisen gering zu halten. Vor einer Reise soll nun immer geprüft werden, ob diese terminlich und logistisch per Linienflug möglich ist. Den nahm Baerbock erstmals bei ihrem Antrittsbesuch am 15. Februar in Madrid.