von Thomas Heck...
Prominente spielen sich gerne als die moralische Instanz eines Volkes auf. Und wenn ein Jim Rakete, Hanna Schygulla, Wim Wenders und Margot Käßmann warnend ihren friedensbewegten Zeigefinger erheben, dann muss es schon ganz besonders schlimm um Deutschland stehen. Nun scheint es wieder an der Zeit zu sein.
In einem Aufruf warnen 60 Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft, Kultur und Medien vor einer militärischen Auseinandersetzung von Russland. Sie warnen nicht Putin, ein Sit-In in Moskau mit Lichterkette steht ebenfalls nicht zur Disposition und Margot Käßmann plant hoffentlich auch nicht einen Femen-Auftritt vor Putins Amtssitz und wird demnach nicht blank ziehen. Damit war es denn aber auch mit den guten Nachrichten.
Denn sie sind besorgt um den Frieden in Europa. Das bin ich auch und ich lasse mich auch ungern als Kriegstreiber beschimpfen, nur weil ich der Meinung bin, der Westen muss eine klare Kante gegen Russland zeigen, militärische Optionen eingeschlossen. Ich bin auch kein Kriegstreiber, weil ich dafür eintrete, mit einer IS oder einer Hamas kurzen Prozess zu machen, denn mit Terroristen und Verbrechern verhandle ich grundsätzlich nicht. Ich bin auch kein Kriegstreiber, wenn ich sage, dass wir unsere Freiheit und unseren Wohlstand einer der größten militärischen Operation der Menschheitsgeschichte zu verdanken haben, denen 50 Millionen Menschen, darunter viele Zivilisten, zum Opfer gefallen sind, nämlich dem zweiten Weltkrieg.
Denn gegen Diktatoren hilft nur eine klare Sprache, ein geschlosseneres und einheitliches Auftreten und eine militärische Macht, die man zur Verteidigung auch einsetzt, wenn es nicht anders geht. Denn die wahren Kriegstreiber sind eben eine Margot Käßmann, die in ihrem Appeasement-Wahn Kriege grundsätzlich ablehnt, auch wenn diese zur Befreiung von Konzentrationslagern und zum Sturz eines mörderischen Regimes im Nazi-Deutschland geführt hat. Sie leistet den Diktatoren dieser Welt, den Terroristen eines IS und weiteren Schurken Vorschub, in dem sie denen signalisiert: Wir sind leichte Beute. Wir können uns nicht verteidigen, weil wir uns nicht verteidigen wollen. Weil wir satt und fett vom Wohlstand sind und gar nicht mehr wissen, dass das auf dieser Welt eben nicht der Regelzustand ist, sondern die Ausnahme.
Diese Leute, die solche Aufrufe unterschreiben, machen wir Angst, denn sie werden nicht mit der Waffe in der Hand für Ihre und meine Freiheit einstehen, wenn es darauf ankommt. Und sollte der IS doch einmal an der Tür Europas nicht nur anklopfen, sondern diese eintreten, wird Beten mit Margot Käßmann nicht reichen.
Ich weiß, dass nicht nichts weiß... das wußte schon Sokrates. Manche wissen aber offensichtlich noch weniger. Was ich aber weiß, ist, wer die wirklichen Kriegstreiber sind. Es sind die friedensbewegten Gutmenschen, deren wahren Motive gar nicht so klar sind. Jedenfalls geht es nicht um Frieden. Und während sich selbige Promis für Gaza engagieren und Terror unterstützen, unterstützten Sie mit ihrem Aufruf Putin und seinen Terror. Und Ihr nennt uns Kriegstreiber?
Der Aufruf im Wortlaut:
Wieder Krieg in Europa? Nicht in unserem Namen! Niemand will Krieg. Aber Nordamerika, die Europäische Union und Russland treiben unausweichlich auf ihn zu, wenn sie der unheilvollen Spirale aus Drohung und Gegendrohung nicht endlich Einhalt gebieten. Alle Europäer, Russland eingeschlossen, tragen gemeinsam die Verantwortung für Frieden und Sicherheit. Nur wer dieses Ziel nicht aus den Augen verliert, vermeidet Irrwege.
Der Ukraine-Konflikt zeigt: Die Sucht nach Macht und Vorherrschaft ist nicht überwunden. 1990, am Ende des Kalten Krieges, durften wir alle darauf hoffen. Aber die Erfolge der Entspannungspolitik und der friedlichen Revolutionen haben schläfrig und unvorsichtig gemacht. In Ost und West gleichermaßen. Bei Amerikanern, Europäern und Russen ist der Leitgedanke, Krieg aus ihrem Verhältnis dauerhaft zu verbannen, verloren gegangen. Anders ist die für Russland bedrohlich wirkende Ausdehnung des Westens nach Osten ohne gleichzeitige Vertiefung der Zusammenarbeit mit Moskau, wie auch die völkerrechtswidrige Annexion der Krim durch Putin, nicht zu erklären.
In diesem Moment großer Gefahr für den Kontinent trägt Deutschland besondere Verantwortung für die Bewahrung des Friedens. Ohne die Versöhnungsbereitschaft der Menschen Russlands, ohne die Weitsicht von Michael Gorbatschow, ohne die Unterstützung unserer westlichen Verbündeten und ohne das umsichtige Handeln der damaligen Bundesregierung wäre die Spaltung Europas nicht überwunden worden. Die deutsche Einheit friedlich zu ermöglichen, war eine große, von Vernunft geprägte Geste der Siegermächte. Eine Entscheidung von historischer Dimension. Aus der überwundenen Teilung sollte eine tragfähige europäische Friedens- und Sicherheitsordnung von Vancouver bis Wladiwostok erwachsen, wie sie von allen 35 Staats- und Regierungschefs der KSZE-Mitgliedsstaaten im November 1990 in der "Pariser Charta für ein neues Europa" vereinbart worden war. Auf der Grundlage gemeinsam festgelegter Prinzipien und erster konkreter Maßnahmen sollte ein "Gemeinsames Europäisches Haus" errichtet werden, in dem alle beteiligten Staaten gleiche Sicherheit erfahren sollten. Dieses Ziel der Nachkriegspolitik ist bis heute nicht eingelöst. Die Menschen in Europa müssen wieder Angst haben.
Der Aufruf an die Bundesregierung
Wir, die Unterzeichner, appellieren an die Bundesregierung, ihrer Verantwortung für den Frieden in Europa gerecht zu werden. Wir brauchen eine neue Entspannungspolitik für Europa. Das geht nur auf der Grundlage gleicher Sicherheit für alle und mit gleichberechtigten, gegenseitig geachteten Partnern. Die deutsche Regierung geht keinen Sonderweg, wenn sie in dieser verfahrenen Situation auch weiterhin zur Besonnenheit und zum Dialog mit Russland aufruft. Das Sicherheitsbedürfnis der Russen ist so legitim und ausgeprägt wie das der Deutschen, der Polen, der Balten und der Ukrainer.
Wir dürfen Russland nicht aus Europa hinausdrängen. Das wäre unhistorisch, unvernünftig und gefährlich für den Frieden. Seit dem Wiener Kongress 1814 gehört Russland zu den anerkannten Gestaltungsmächten Europas. Alle, die versucht haben, das gewaltsam zu ändern, sind blutig gescheitert – zuletzt das größenwahnsinnige Hitler-Deutschland, das 1941 mordend auszog, auch Russland zu unterwerfen.
Der Aufruf an die Abgeordneten
Wir appellieren an die Abgeordneten des Deutschen Bundestages, als vom Volk beauftragte Politiker, dem Ernst der Situation gerecht zu werden und aufmerksam auch über die Friedenspflicht der Bundesregierung zu wachen. Wer nur Feindbilder aufbaut und mit einseitigen Schuldzuweisungen hantiert, verschärft die Spannungen in einer Zeit, in der die Signale auf Entspannung stehen müssten. Einbinden statt ausschließen muss das Leitmotiv deutscher Politiker sein.
Der Aufruf an die Medien
Wir appellieren an die Medien, ihrer Pflicht zur vorurteilsfreien Berichterstattung überzeugender nachzukommen als bisher. Leitartikler und Kommentatoren dämonisieren ganze Völker, ohne deren Geschichte ausreichend zu würdigen. Jeder außenpolitisch versierte Journalist wird die Furcht der Russen verstehen, seit Nato-Mitglieder 2008 Georgien und die Ukraine einluden, Mitglieder im Bündnis zu werden. Es geht nicht um Putin. Staatenlenker kommen und gehen. Es geht um Europa. Es geht darum, den Menschen wieder die Angst vor Krieg zu nehmen. Dazu kann eine verantwortungsvolle, auf soliden Recherchen basierende Berichterstattung eine Menge beitragen.
Am 3. Oktober 1990, am Tag der Deutschen Einheit, sagte Bundespräsident Richard von Weizsäcker: "Der Kalte Krieg ist überwunden. Freiheit und Demokratie haben sich bald in allen Staaten durchgesetzt. ... Nun können sie ihre Beziehungen so verdichten und institutionell absichern, dass daraus erstmals eine gemeinsame Lebens- und Friedensordnung werden kann. Für die Völker Europas beginnt damit ein grundlegend neues Kapitel in ihrer Geschichte. Sein Ziel ist eine gesamteuropäische Einigung. Es ist ein gewaltiges Ziel. Wir können es erreichen, aber wir können es auch verfehlen. Wir stehen vor der klaren Alternative, Europa zu einigen oder gemäß leidvollen historischen Beispielen wieder in nationalistische Gegensätze zurückzufallen."
Bis zum Ukraine-Konflikt wähnten wir uns in Europa auf dem richtigen Weg. Richard von Weizsäckers Mahnung ist heute, ein Vierteljahrhundert später, aktueller denn je.
Die Unterzeichner der Erklärung
Mario Adorf, Schauspieler
Robert Antretter (Bundestagsabgeordneter a. D.)
Prof. Dr. Wilfried Bergmann (Vize - Präsident der Alma Mater Europaea)
Luitpold Prinz von Bayern (Königliche Holding und Lizenz KG)
Achim von Borries (Regisseur und Drehbuchautor)
Klaus Maria Brandauer (Schauspieler, Regisseur)
Dr. Eckhard Cordes (Vorsitzender Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft)
Prof. Dr. Herta Däubler-Gmelin (Bundesministerin der Justiz a.D.)
Eberhard Diepgen (ehemaliger Regierender Bürgermeister von Berlin)
Dr. Klaus von Dohnanyi (Erster Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg)
Alexander van Dülmen (Vorstand A-Company Filmed Entertainment AG)
Stefan Dürr (Geschäftsführender Gesellschafter und CEO Ekosem-Agrar GmbH)
Dr. Erhard Eppler (Bundesminister für Entwicklung und Zusammenarbeit a.D.)
Prof. Dr. Dr. Heino Falcke (Propst i.R.)
Prof. Hans-Joachim Frey (Vorstandsvorsitzender Semper Opernball Dresden)
Pater Anselm Grün (Pater)
Sibylle Havemann (Berlin)
Dr. Roman Herzog (Bundespräsident a.D.)
Christoph Hein (Schriftsteller)
Dr. Dr. h.c. Burkhard Hirsch (Bundestagsvizepräsident a.D.)
Volker Hörner (Akademiedirektor i.R.)
Josef Jacobi (Biobauer)
Dr. Sigmund Jähn (ehemaliger Raumfahrer)
Uli Jörges (Journalist)
Prof. Dr. Dr. h.c. Margot Käßmann (ehemalige EKD Ratsvorsitzende und Bischöfin)
Dr. Andrea von Knoop (Moskau)
Prof. Dr. Gabriele Krone-Schmalz (ehemalige Korrespondentin der ARD in Moskau)
Friedrich Küppersbusch (Journalist)
Vera Gräfin von Lehndorff (Künstlerin)
Irina Liebmann (Schriftstellerin)
Dr. h.c. Lothar de Maizière (Ministerpräsident a.D.)
Stephan Märki (Intendant des Theaters Bern)
Prof. Dr. Klaus Mangold (Chairman Mangold Consulting GmbH)
Reinhard und Hella Mey (Liedermacher)
Ruth Misselwitz (evangelische Pfarrerin Pankow)
Klaus Prömpers (Journalist)
Prof. Dr. Konrad Raiser (eh. Generalsekretär des Ökumenischen Weltrates der Kirchen)
Jim Rakete (Fotograf)
Gerhard Rein (Journalist)
Michael Röskau (Ministerialdirigent a.D.)
Eugen Ruge (Schriftsteller)
Dr. h.c. Otto Schily (Bundesminister des Inneren a.D)
Dr. h.c. Friedrich Schorlemmer (ev. Theologe, Bürgerrechtler)
Georg Schramm (Kabarettist)
Gerhard Schröder (Bundeskanzler a.D.)
Philipp von Schulthess (Schauspieler)
Ingo Schulze (Schriftsteller)
Hanna Schygulla (Schauspielerin, Sängerin)
Dr. Dieter Spöri (Wirtschaftsminister a.D.)
Prof. Dr. Fulbert Steffensky (kath. Theologe)
Dr. Wolf-D. Stelzner (geschäftsführender Gesellschafter: WDS-Institut für Analysen in Kulturen mbH)
Dr. Manfred Stolpe (Ministerpräsident a.D.)
Dr. Ernst-Jörg von Studnitz (Botschafter a.D.)
Prof. Dr. Walther Stützle (Staatssekretär der Verteidigung a.D.)
Prof. Dr. Christian R. Supthut (Vorstandsmitglied a.D. )
Prof. Dr. h.c. Horst Teltschik (ehemaliger Berater im Bundeskanzleramt für Sicherheit und Außenpolitik)
Andres Veiel (Regisseur)
Dr. Hans-Jochen Vogel (Bundesminister der Justiz a.D.)
Dr. Antje Vollmer (Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages a.D.)
Bärbel Wartenberg-Potter (Bischöfin Lübeck a.D.)
Dr. Ernst Ulrich von Weizsäcker (Wissenschaftler)
Wim Wenders (Regisseur)
Hans-Eckardt Wenzel (Liedermacher)
Gerhard Wolf (Schriftsteller, Verleger)
http://www.welt.de/debatte/kommentare/article135119551/Dieser-Russland-Aufruf-ist-ein-peinliches-Dokument.html?wtrid=socialmedia.socialflow....socialflow_facebook
Antwort zu dem Aufruf von Klaus Naumann
Seit ein paar Tagen zirkuliert ein von den Außen- und Sicherheitspolitikern Horst Teltschik und Walther Stützle initiierter Aufruf zum Konflikt mit Russland: "Wieder Krieg in Europa? Nicht in unserem Namen!" Der Aufruf spricht im Namen einer älteren Generation und soll Erfahrung und Lebensklugheit transportieren. Als einer der Alten, der den Bombenkrieg in München als Kind überlebte und der in 41 Jahren als Soldat dazu beigetragen hat, Krieg in Europa zu verhindern und Ausgleich mit Russland zu suchen, antworte ich darauf: Folgte Deutschland diesem Rat, würde der Westen gespalten, es gäbe noch mehr Konflikte und alle Sicherheit in Europa wäre dahin.
Der Aufruf manipuliert die Menschen mit einer Unwahrheit und mit einer unglaublichen Unterstellung. Er versucht sie vergessen zu lassen, dass Russland Recht gebrochen hat und in der Ukraine Krieg führt. Die Unwahrheit liegt in der Behauptung, es drohe Krieg in Europa. Das ist blanker Unsinn. Russland ist zu schwach, Krieg gegen das mit Nordamerika verbündete Europa zu führen. Außerdem will niemand im Westen Krieg, nicht einmal einen Kalten Krieg. Auch Putin dürfte keinen Krieg wollen, denn dazu müsste er zum Ausgleich seiner Schwäche Atomwaffen nutzen oder zumindest mit ihrem Einsatz drohen. Das wird er nicht wollen - ein Einsatz würde zur Vernichtung Russlands wie Europas führen.
Die Verfasser des Aufrufs wissen das genau, aber sie wollen Kriegsangst schüren. Sie bevorzugen eine Politik des Nachgebens und der Beschwichtigung und würden es offenbar vorziehen, wenn Recht nicht beachtet würde. Ihre Unterstellung: Die für "Russland bedrohliche Ausdehnung des Westens" - die Erweiterung von Nato und EU - sei Grund der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim. Haben die Unterzeichner vergessen, dass es die Völker in Mitteleuropa waren, die in eigener, souveräner Entscheidung die Aufnahme in Nato und EU forderten? Nicht die Nato drängte sie zum Beitritt - im Aufnahmegesuch drückte sich der ureigene politische Wille souveräner Staaten aus. Wissen die Unterzeichner nicht mehr, dass alle OSZE-Staaten - also auch Russland - in der Erklärung von Paris 1990 genau dieses Recht allen Staaten Europas zuerkannt haben?
Erinnerungen an das Molotow-Ribbentrop-Abkommen
Wer den Bruch des Völkerrechts und den rechtswidrigen Einsatz militärischer Gewalt durch Russland mit "russischer Gestaltungsmacht" erklärt und diese vermeintliche Gestaltungsmacht mit der friedlichen und in aller Transparenz getroffenen Entscheidung freier Nationen gleichsetzt, der offenbart eine Auffassung vom Selbstbestimmungsrecht der Völker, die bei Polen und Balten schlimme Erinnerungen wecken wird: an das Molotow-Ribbentrop-Abkommen. Menschen, denen die Kraft des Rechts mehr bedeutet als das Recht des Stärkeren, dürfen diesen Aufruf nicht unterstützen.
Der Aufruf benutzt zwar wie ein Feigenblatt die Formulierung von der "völkerrechtswidrigen Annexion der Krim". Doch er schweigt zum Krieg im Osten der Ukraine, der maßgeblich von russischen Soldaten unterstützt wird. Übrigens ist es ein Novum an militärischer Disziplin, dass diese Soldaten, die sich angeblich im Urlaub befinden, ihre Panzer und Geschütze über eine internationale Grenze hinweg mitnehmen durften.
Der Aufruf wirft dem Westen vor, Russland aus Europa hinauszudrängen, verschweigt aber, dass es Putins Russland selbst ist, das sich von Europa abwendet, weil es eine eigene Einflusszone beansprucht und sie beherrschen will. Putins Russland missachtet Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit. Der Aufruf verschweigt auch andere von Moskau am Leben gehaltene Konflikte in der Republik Moldau und Georgien. Dort ist es Russland, das Europa und den Einfluss westlicher Ideen verdrängen will.
Kein Wort findet sich in dem Aufruf, dass der Annexion der Krim ein militärischer Angriff durch Russland vorausgegangen war - ein Angriff auf einen Staat, dessen territoriale Integrität Russland 1994 im Budapester Memorandum als Gegenleistung für die Abgabe der ukrainischen Atomwaffen garantiert hatte. Jede Abgabe von Atomwaffen im Gegenzug für Garantien wird künftig so unmöglich gemacht.
Niemand möchte eine Rückkehr zum Kalten Krieg
Bedrückend und bestürzend ist an diesem einseitigen und unausgewogenen Aufruf, dass aus ihm nur die unbegründete Angst vor einem Krieg und die Sorge um Deutschland spricht, nicht aber die Sorge um die Einheit Europas und die von Russland verletzten Werte der KSZE-Schlussakte. Auf dieser Akte ruht aber die friedliche Neuordnung Europas, bekräftigt und erneut festgehalten in der Erklärung von Paris 1990. Nur auf dieser Basis können dauerhafter Frieden und Stabilität in Europa garantiert werden. Deshalb darf es nicht ohne Folgen bleiben, wenn diese Werte durch Russland verletzt werden, deshalb darf auch die Annexion der Krim nicht einfach akzeptiert werden.
Niemand denkt auch nur daran, in den Ukraine-Konflikt militärisch einzugreifen. Niemand möchte eine Rückkehr zum Kalten Krieg. Allerdings gibt es eine militärische rote Linie: Die baltischen Staaten und Polen können sich - wie alle Nato-Mitglieder - auf den Beistand der Bündnispartner verlassen, so wie er in Artikel 5 des Washingtoner Vertrages geregelt ist. Sicherheit vor Russland wird dadurch geschaffen, dass die Fähigkeit zur gemeinsamen Verteidigung des Nato-Vertragsgebietes gestärkt wird. Gleichzeitig muss Russland versichert werden, dass keine Waffe der Nato je gegen Russland eingesetzt werden wird - es sei denn ein Nato-Staat wird durch Russland angegriffen.
Das ist die Grundlage für einen neuen Dialog mit Russland: In Sicherheit vor Russland ist Stabilität mit Russland zu suchen. Dazu muss Russland die Bereitschaft zeigen, die Herrschaft des Rechts zu akzeptieren und auf Gewalt zu verzichten. Es ist unbestritten: Dialog ist notwendig, und die Suche nach einer friedlichen Lösung muss beginnen. Nicht weniger verlangt die Bundeskanzlerin. Im Gegensatz zu den Unterzeichnern des Aufrufs verrät sie nicht die Grundlagen Europas: Rechtstaatlichkeit und Freiheit. Ihre Botschaft ist: Der Westen, die Nato und die EU, werden alles tun, um Sicherheit vor Russland zu erreichen. Nur dann werden sie in einem neuen Dialog unter Gleichen Stabilität mit Russland schaffen können. Diese Politik dient den Interessen Deutschlands und seiner Nachbarn. Der Aufruf der "Alten" tut das nicht.
Klaus Naumann, 75, war Generalinspekteur der Bundeswehr und Vorsitzender des Nato-Militärausschusses.