Montag, 12. Juli 2021

Die Nerven der EU-Kommission liegen blank...

von Thomas Heck...

Die EU-Kommission hat Angst. Nach einem erfolgreichem Brexit Großbritanniens, nur der EM-Sieg konnte den Briten erfolgreich verwehrt werden, wird zunehmend schnell beleidigt auf Kritik aus den eigenen Reihen reagiert. Wenn es dann auch noch der größte Nettobeitragszahler der EU, nämlich Deutschland, wagt, durch seine Verfassungsrichter die EU zu hinterfragen, wird umgehend ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet. Zu groß die Gefahr, dass sich Sezessionsgedanken innerhalb der EU festsetzen. Und nun wird in einem Präzedenzverfahren seitens der EU klargestellt, wer in Europa das sagen hat: Die EU oder die Nationalstaaten. Spoileralarm: Es sind nicht die Nationalstaaten. Und so werden deutsche Steuerzahler auch weiterhin italienische Schulden bezahlen und darf ansonsten einfach mal die Klappe halten.


Andreas Voßkuhle, ehemals Präsident des Bundesverfassungsgerichts, hat mit Mutmaßungen über angebliche Zentralisierungspläne von EU-Kommission und Europäischem Gerichtshof (EuGH) Kritik geerntet. In einer Diskussion am 29. Juni hatte er behauptet, die Kommission wolle „auf kaltem Wege“ in Europa „den Bundesstaat“ einführen. Dies sei die „tiefere Motivation“ eines Vertragsverletzungsverfahrens, das sie gegen Deutschland eingeleitet habe. Die Kommission begründet ihr Verfahren damit, dass das Bundesverfassungsgericht 2020 unter Voßkuhles Vorsitz ein Urteil des EuGH verworfen hat. Das verletze den Grundsatz vom „Vorrang des EU-Rechts“. Karlsruhe hatte damals ein billigendes Urteil des EuGH zu Krediten der Europäischen Zentralbank als „schlechterdings nicht mehr nachvollziehbar“ bezeichnet.

Voßkuhle hat im Juni außerdem vor „kollusivem Zusammenwirken“ zwischen EU-Institutionen und dem EuGH gewarnt. „Kollusion“ ist in der Juristensprache unerlaubte Zusammenarbeit zum Schaden Dritter.

Die Vizepräsidentin der Kommission Vera Jourová sagte der F.A.S., das Verfahren gegen Deutschland solle nur die Verträge der EU schützen und „nichts anderes“. Die Verträge müssten überall gleich gelten. Deshalb müsse das letzte Wort beim EuGH liegen. Schärfer wies der frühere Richter am EuGH José Luís da Cruz Vilaça die Vorwürfe zurück. Voßkuhles „Antipathie“ gegen den EuGH beruhe auf „keinerlei juristischen Argumenten“. Leider fuße dessen „politische“ Position auf bloßen „Vermutungen über mutmaßliche geheime Absichten“. Auch Bundestagsabgeordnete nahmen Anstoß. Heribert Hirte (CDU), der Vorsitzende des Unterausschusses Europarecht, nannte Voßkuhles Wort vom kalten Weg zum Bundesstaat „außerordentlich unglücklich“. Die naturgegebene Spannung zwischen EuGH und nationalen Gerichten könne nur durch Dialog gelöst werden „und nicht durch harsche Worte“. Außerdem impliziere die Formel von der „kollusiven Zusammenarbeit“ zwischen europäischen Institutionen und dem EuGH „eine fehlende Unabhängigkeit“ des Gerichts. Das lege „die Axt an die europäische Rechtsgemeinschaft“.

Noch schärfer reagierten die Grünen. Deren Obfrau im Europa-Ausschuss, Franziska Brantner, nannte den Vorwurf der Kollusion eine „ruchlose Unterstellung gegenüber der Kommission und dem EuGH“. Das Vertragsverletzungsverfahren der Kommission führe „weder zu einem europäischen Bundesstaat noch zur Abschaffung Deutschlands“. Es sei gut, dass Brüssel diese Spannung zwischen nationalen und europäischen Gerichten „nicht schwelen lässt, sondern sie im vorgesehenen Rahmen auflösen will“. Sonst könnten Polen oder Ungarn „Unklarheiten für ihre Ziele nutzen und die europäische Rechtsgemeinschaft aushöhlen“.

Die Vizepräsidentin des Europaparlaments Katarina Barley (SPD) wies auf eine weitere Bemerkung Voßkuhles hin: seine Behauptung, das italienische Verfassungsgericht hätte über Kredite der EZB anders entschieden als Karlsruhe, und zwar „weil die Interessen von Italien da irgendwie anders sind“. Die frühere Bundesjustizministerin sagte, mit so „abschätzigen Bemerkungen“ über italienische Kollegen entlarve Voßkuhle nur „seine eigene Denkweise“


Heutige Verfassungsrichter lassen sich lieber vor einer Entscheidung in der Causa Merkel von der Kanzlerin bei Kerzenschein zum Essen einladen...


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