Mittwoch, 14. Juli 2021

Merkels Endsieg über die Gewaltenteilung...

von Thomas Heck...

Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe wacht über die Einhaltung des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland. Das gilt vor allem für die Durchsetzung der Grundrechte. Zur Beachtung des Grundgesetzes sind alle staatlichen Stellen verpflichtet. Kommt es dabei zum Streit, kann das Bundesverfassungsgericht angerufen werden. Seine Entscheidung ist unanfechtbar. An seine Rechtsprechung sind alle übrigen Staatsorgane gebunden.


Die Arbeit des Bundesverfassungsgerichts hat auch politische Wirkung. Das wird besonders deutlich, wenn das Gericht ein Gesetz für verfassungswidrig erklärt. Das Gericht ist aber kein politisches Organ. Sein Maßstab ist allein das Grundgesetz. Fragen der politischen Zweckmäßigkeit dürfen für das Gericht keine Rolle spielen. Es bestimmt nur den verfassungsrechtlichen Rahmen, innerhalb dessen sich die Politik entfalten kann. Die Begrenzung staatlicher Macht ist ein Kennzeichen des modernen demokratischen Verfassungsstaates.

Verhaltensleitlinien für Richterinnen und Richter des Bundesverfassungsgerichts

Präambel

Die Richterinnen und Richter des Bundesverfassungsgerichts erklären, sich in ihrem Verhalten während und nach dem Ende ihrer Amtszeit von den nachfolgenden Grundsätzen leiten zu lassen, die sich aus der besonderen Funktion des Bundesverfassungsgerichts als Verfassungsorgan des Bundes ergeben.

I. Allgemeine Grundsätze

1. Die Richterinnen und Richter des Bundesverfassungsgerichts verhalten sich innerhalb und außerhalb ihres Amtes so, dass das Ansehen des Gerichts, die Würde des Amtes und das Vertrauen in ihre Unabhängigkeit, Unparteilichkeit, Neutralität und Integrität nicht beeinträchtigt werden.

2. Aufgrund der Stellung des Bundesverfassungsgerichts als Verfassungsorgan und der gesellschaftlichen und politischen Bedeutung seiner Entscheidungen wirken die Mitglieder des Gerichts über die vorrangige Erfüllung ihres Rechtsprechungsauftrages hinaus bei der Darstellung und Vermittlung seiner Stellung, Funktionsweise und seiner Rechtsprechung auf nationaler und internationaler Ebene mit.

3. Die Mitglieder des Gerichts üben ihr Amt in Unabhängigkeit und Unparteilichkeit aus, ohne Voreingenommenheit im Hinblick auf persönliche, gesellschaftliche oder politische Interessen oder Beziehungen. Sie achten in ihrem gesamten Verhalten darauf, dass kein Zweifel an der Neutralität ihrer Amtsführung gegenüber gesellschaftlichen, politischen, religiösen oder weltanschaulichen Gruppierungen entsteht. Dies schließt die Zugehörigkeit zu solchen Gruppierungen und bei angemessener Zurückhaltung ein Engagement in ihnen sowie die sonstige Mitwirkung am gesamtgesellschaftlichen Diskurs nicht aus. 

4. Die Richterinnen und Richter des Gerichts wahren unbeschadet des Beratungsgeheimnisses Diskretion in Bezug auf die Arbeit am Bundesverfassungsgericht. 

5. Die Richterinnen und Richter des Bundesverfassungsgerichts stellen ihre durchgängige Erreichbarkeit und eine persönliche Präsenz am Gericht sicher, welche die zügige Erledigung der richterlichen Aufgaben gewährleisten. 

6. Kritik an anderen Meinungen und rechtlichen Standpunkten äußern die Richterinnen und Richter des Bundesverfassungsgerichts mit der ihrem Amt angemessenen Zurückhaltung. Dies gilt insbesondere in Bezug auf Entscheidungen des eigenen Gerichts, aber auch gegenüber anderen nationalen, ausländischen oder internationalen Gerichten. 

7. Die Richterinnen und Richter des Bundesverfassungsgerichts nehmen Geschenke und Zuwendungen jeglicher Art nur in sozialen Zusammenhängen und in einem Umfang entgegen, die keine Zweifel an ihrer persönlichen Integrität und Unabhängigkeit entstehen lassen können. 
II. Nichtspruchrichterliche Tätigkeit

8. Die Wahrnehmung der nichtspruchrichterlichen Tätigkeit darf die Erledigung der spruchrichterlichen Tätigkeit nicht beeinträchtigen. Das gilt insbesondere für wissenschaftliche Veröffentlichungen, Vorträge, Reden sowie die sonstige Teilnahme an Veranstaltungen und die damit verbundenen Reisen. 

9. Die Richterinnen und Richter des Bundesverfassungsgerichts können für Vorträge, für die Mitwirkung an Veranstaltungen und für Publikationen eine Vergütung nur und nur insoweit entgegennehmen, als dies das Ansehen des Gerichts nicht beeinträchtigen und keine Zweifel an der Unabhängigkeit, Unparteilichkeit, Neutralität und Integrität seiner Mitglieder begründen kann. Dadurch erzielte Einkünfte legen sie offen. Die Übernahme der Kosten für Anreise, Unterkunft und Verpflegung durch den Veranstalter in angemessenem Umfang ist unbedenklich. 

Die erzielten Einkünfte 2020 finden Sie hier.

10. Die Richterinnen und Richter des Bundesverfassungsgerichts nehmen bei jeder Form der Beteiligung an einer Veranstaltung darauf Bedacht, dass sich die Art der Veranstaltung mit der Würde des Amtes und den Allgemeinen Grundsätzen seiner Wahrnehmung sowie dem Ansehen des Gerichts verträgt. 

11. Gutachten zu verfassungsrechtlichen Fragen werden von den Richterinnen und Richtern ebenso wenig abgegeben wie Prognosen zum Ausgang bei Gericht anhängiger oder absehbar zu entscheidender Verfahren. 

12. Beim Umgang mit den Medien achten die Richterinnen und Richter des Bundesverfassungsgerichts darauf, dass die Art ihrer Äußerung und das jeweilige Format mit ihren Aufgaben, dem Ansehen des Gerichts und der Würde des Amtes vereinbar sind. 
III. Verhalten nach dem Ende der Amtszeit

13. Die Richterinnen und Richter des Bundesverfassungsgerichts wahren auch nach dem Ende der Amtszeit in ihren Äußerungen und ihrem Verhalten in Angelegenheiten des Gerichts Zurückhaltung und Diskretion.

14. Die Richterinnen und Richter des Bundesverfassungsgerichts werden nach dem Ende ihrer Amtszeit nicht in Rechtssachen tätig, die während ihrer Amtszeit beim Bundesverfassungsgericht anhängig waren oder die in unmittelbarem Zusammenhang mit solchen stehen. In diesen Rechtssachen erstatten sie keine Gutachten, übernehmen keine Anwalts- oder Beistandsverpflichtungen und treten nicht vor Gericht auf. 

15. Die Richterinnen und Richter des Bundesverfassungsgerichts übernehmen in Sachgebieten ihres Dezernats in dem ersten Jahr nach ihrem Ausscheiden keine Beratungstätigkeit, erstatten keine Gutachten und treten nicht vor Gericht auf. Auch danach vertreten sie nicht vor dem Bundesverfassungsgericht. Sie vermeiden den Eindruck einer unangemessenen Verwertung internen Wissens. 

IV. Fortentwicklung der Verhaltensleitlinien

16. Die Richterinnen und Richter des Bundesverfassungsgerichts widmen sich regelmäßig im Rahmen eines Plenums den Fragen eines amtsangemessenen Verhaltens, der Bewährung der Verhaltensleitlinien und ihrer etwaigen Fortentwicklung. Jedes Mitglied des Gerichts hat das Recht, die Einhaltung und Anwendung der Verhaltensleitlinien zur Sprache zu bringen.

Soweit von der Homepage des Bundesverfassungsgerichts.

Unabhängig sollen sie sein, unparteilich, unbedingt neutral. Weil kein Mensch diesem Anspruch jederzeit und immer gerecht werden kann, gibt es die Vorschriften zur Ablehnung von Richterinnen und Richtern. 

„Befangenheit“ lautet das Schlagwort, und es genügt schon die „Besorgnis“ – irgendein Grund, der Misstrauen in die Unparteilichkeit richterlicher Amtsgeschäfte rechtfertigen könnte. 

Das Bundesverfassungsgericht hat den Verfassungsrang dieses Ideals jetzt erneut bekräftigt. „Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden“, steht in Artikel 101 des Grundgesetzes. Ein Richter, der Befangenheitsgründe liefert, kann kein gesetzlicher Richter sein. Er hätte aus dem Spiel genommen werden müssen.

Dem Karlsruher Gericht lag die Beschwerde eines afghanischen Asylbewerbers vor, der vergeblich versucht hatte, einen Richter in seinem Verfahren abzulehnen (Az.: 2 BvR 890/20). Dazu verwies er auf ein befremdliches Urteil des Richters in einem anderen Verfahren. Dort hatte dieser eine Art Propagandatext verfasst, warum der NPD-Slogan „Migration tötet“ im Prinzip nur eine Tatsache beschreibt: Dass Zuwanderer Verbrecher sind. Mörder, um genau zu sein.

Aus einem Urteil eine Kampfschrift zu machen, verbietet sich im Rechtsstaat

Über Gefahren mangelhaft gesteuerter Migration ist zu diskutieren, auch angesichts aktueller Fälle. Aber aus einem Urteil eine ideologische Kampfschrift zu machen, verbietet sich im Rechtsstaat. Selten hat sich Befangenheit so manifestiert wie hier. Es dürfte weit mehr als die übliche „Besorgnis“ gewesen sein. Das zuständige Gericht hätte das merken müssen. Hat es aber nicht.

Hier liegt wohl der Kern des Problems. Unparteilichkeit ist mehr als eine theoretische Maxime, sie ist eine praktische Fähigkeit, die täglich neu einzuüben ist. Wer als Richter fest überzeugt ist, unparteilich zu sein, hat das nötige Gleichgewicht wahrscheinlich schon verloren.

Wie ist das eigentlich beim Bundesverfassungsgericht? Noch im Juli werden die Richterinnen und Richter eine AfD-Klage gegen Bundeskanzlerin Merkel verhandeln. 

Merkel und die Demokratie werden keine Freunde mehr...


Sie hatte die Wahl des FDP-Politikers Thomas Kemmerich zum Thüringer Ministerpräsidenten mit Stimmen der AfD als „unverzeihlich“ kommentiert. Die Rechtspartei sieht darin eine unzulässige amtliche Einmischung in den politischen Wettbewerb.

Die AfD hat schon ein schon einen Befangenheitsantrag eingerecht

Der „Bild“ fiel auf, dass Richter und zu Richtende gerade erst beisammensaßen, beim jährlichen Abendessen im Kanzleramt. 

Eine liebe Gewohnheit; ein vertraulicher Austausch der Spitzen von Exekutive und Judikative. Die Öffentlichkeit erfährt so gut wie nichts darüber. 

Die im Anschluss versandte Pressemitteilung besteht aus drei Sätzen, wobei der letzte auf die gute Tradition verweist. Es ist nicht klar, welche Erträge diese Treffen haben. 

Klar aber ist, dass sie, intransparent, wie sie sind, eine gewisse Skepsis verdienen. Vielleicht sogar irgendwann einmal eine „Besorgnis“, namentlich die der Befangenheit. Die AfD hat in dem demnächst terminierten Verfahren schon einen Antrag eingereicht. Er wird das Gericht auf die Probe stellen



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