Als vor einigen Jahren bei einer Verkehrskontrolle eine Waffe bei ihm entdeckt wurde, da hatte der Mann aus Oberursel, einem Vorort von Frankfurt am Main, dem Polizeibeamten erklärt: "Ich glaube an die Scharia, deutsche Gesetze gelten für mich nicht." Und dafür braucht er natürlich eine Pistole und eine mit Nägeln gefüllte Rohrbombe.
Auf seinem Computer hortete er dschihadistische Propagandavideos der Miliz Islamischer Staat (IS), die Enthauptungen und andere Morde zeigen; Reden des IS-Anführers Abu Bakr al-Baghdadi, das antisemitische Pamphlet "Protokolle der Weisen von Zion". Weil der Islam Frieden ist.
Auch Ausgaben von "Dabiq", dem Online-Magazin des IS, fanden die Ermittler. Halil D. hatte Kontakte in die salafistische Szene, nicht nur im Rhein-Main-Gebiet. Dass der strenggläubige Muslim die Rechtsordnung des Staates, in dem er lebt, ablehnt, steht außer Frage. Ist er ein Terrorist? Diese Frage kann auch nur in Deutschland so gestellt und die Beantwortung mit Nein erfolgen, mit richterlicher Unterstützung. Irre.
In dem fünf Monate dauernden Prozess am Frankfurter Landgericht, der nun zu Ende gegangen ist, sollte etwas anderes geklärt werden: Ist Halil D., der große, stämmige Mann mit schwarzem Vollbart und Glatze, ein Terrorist? Hat der 36-jährige Deutschtürke einen islamistischen Anschlag geplant, der viele Menschen das Leben kosten sollte?
Die Ermittler der Sonderkommission "Velo" waren davon überzeugt. Nach der Verhaftung von Halil D. und seiner Frau in der Nacht auf den 30. April 2015 hatten sie die Puzzleteile, die Gewaltvideos, die Notizen und Karteikarten, das im Keller von D. gefundene Waffenarsenal sowie Zeugenaussagen, zusammengesetzt und ihre Schlüsse gezogen.
Ihre Ermittlungen führten dazu, dass Halil D., der seit seiner Festnahme in Untersuchungshaft sitzt, wegen der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat nach Paragraf 89a des Strafgesetzbuches angeklagt wurde. Die Ermittlungen gegen seine Frau dagegen wurden früh eingestellt.
Der Zugriff auf das Paar – das zwei kleine Kinder hat – erfolgte, weil man davon ausging, dass die Eheleute offenbar einen Anschlag auf ein beliebtes Radrennen rund um Frankfurt geplant hatten.
Einen Monat vor der Veranstaltung hatten sie sich in einem Baumarkt drei Liter hochprozentige Wasserstoffperoxidlösung besorgt. Halil D. hatte dabei einen falschen Namen angegeben und behauptet, die Substanz zum Reinigen eines Teichs verwenden zu wollen – wofür jedoch eine weitaus geringere Menge ausgereicht hätte. Die Verkäuferin hatte das stutzig gemacht. Darum hatte sie die Polizei informiert, die sofort Ermittlungen aufnahm.
Eine Bombe voller Nägel im Keller
Denn aus Wasserstoffperoxid lässt sich der Sprengstoff TATP, Spitzname "Satans Mutter", herstellen. Die Islamisten der Sauerland-Gruppe wollten mit solch einer Bombe zuschlagen; die Attentäter von Brüssel und Paris haben mit TATP gemordet. Ein Fingerabdruck und ein Video aus dem Baumarkt hatten die Ermittler auf die Spur von Halil D. gebracht, der wegen Körperverletzung vorbestraft ist.
Als sie ihn beschatteten, fiel auf, dass er mit seinem BMW immer wieder die Strecke des Radrennens abfuhr – auch nachts. Bei der Durchsuchung seines Kellers schließlich wurde neben Messern und Munition eine in einer Bananenkiste verpackte Rohrbombe entdeckt: gefüllt mit 239 Nägeln, 22 Stahlkugeln und fünf Blindnieten. Das Radrennen wurde abgesagt.
Doch als terroristischer Attentäter wird Halil D. nun trotzdem nicht verurteilt. Richterin Clementine Englert hatte bereits im Vorfeld der Urteilsverkündung erklärt, dass Indizien und Zeugenaussagen wohl nicht ausreichen würden, um den Tatvorwurf, Halil D. habe einen konkreten Anschlag vorbereitet, aufrechtzuerhalten. Wir hatten
darüber bereits berichtet.
Am Ende ist auch die Staatsanwaltschaft dieser Sicht gefolgt, sind also eingeknickt, von wegen unabhängige Justiz. Verantworten musste sich der arbeitslose Halil D., der ein Chemiestudium abgebrochen hat, deshalb nicht mehr für die Planung eines islamistischen Attentats, sondern ausschließlich wegen des illegalen Besitzes von Waffen und Sprengstoff sowie Urkundenfälschung.
Schon immer "ein Bombennarr"
Vor Gericht hatte er lange geschwiegen. Als sich abzeichnete, dass der Terrorvorwurf fallen gelassen wird, gab Halil D. durch seinen Anwalt, den Frankfurter Strafverteidiger Ali Aydin, doch eine Erklärung ab. Darin gestand er zwar, den Sprengsatz aus seinem Keller gebaut zu haben – jedoch als Teenager, als er in Kassel noch die Schulbank drückte. Dass der Angeklagte schon immer "ein Bombennarr" gewesen sei, hatte einer der Zeugen ausgesagt.
Mit der Rohrbombe habe er einen Zigarettenautomaten sprengen wollen, ließ D. erklären. Wozu dafür allerdings die Nägel gebraucht würden, danach wird nicht gefragt. Als das nicht funktioniert habe, habe er die selbst gebaute Waffe eingelagert – und schließlich vergessen. Tatsächlich war es den Gutachtern nicht gelungen, das Alter der Bombe eindeutig zu bestimmen. Im Baumarkt habe er einen falschen Namen genannt, weil er grundsätzlich ungern private Daten weitergebe.
Sein Anwalt hat das Bild eines unschuldigen Justizopfers gezeichnet, eines Mannes, der nun damit kämpfen muss, stigmatisiert worden zu sein. Er hatte für alles eine Erklärung. Die IS-Propagandavideos? Solche Filme hätten heute auch Mittelstufenschüler auf dem Handy. Halil D. beschäftige sich eben intensiv mit der Situation in Syrien. Die religiöse Radikalisierung? Manche Menschen würden im Laufe ihres Lebens halt religiöser, andere nicht. Und beim Islam führt dies halt dazu, dass man Bomben baut und sich Videos von Schlachtungen von Menschen anschaut. Ist halt so. Das Gericht folgte dem jetzt. Es lebe der Rechtsstaat.
Tödlich, auch neun Meter weit entfernt
Die gefundene Rohrbombe nannte Aydin gar einen "Böller". Das ist mehr als verniedlichend: Sprengstoffexperten des hessischen Landeskriminalamts hatten bei Versuchen mit Nachbauten der Bombe nachgewiesen, dass sie mindestens im Umkreis von neun Metern Menschen hätte töten können.
Zu den Schlüsselfragen des Prozesses hat Halil D. nie eine Antwort geliefert. Warum ist er nachts die Strecke des Radrennens abgefahren? Welcher Art waren seine Kontakte zu radikalen Islamisten? In der Haft fiel der Mann durch zunehmend seltsames Verhalten auf. Er behauptete etwa, dass seine Zelle über Kameras im Gefängnishof überwacht werde, dass er mit maschinell erzeugten Klopfgeräuschen vom Schlaf abgehalten werden solle.
Er drohte einem Beamten damit, dass er ihn erwürgen werde, wenn er könnte. D. sagte, dass der Staat ein Spiel mit ihm spiele. Das Gericht bestellte einen Gutachter, der ihm eine schizophrene Psychose attestierte und ihn als weiterhin sehr gefährlich einschätzte. Ein Islamist halt.
"Ich bin kein Narr", lautet das trotzige Schlusswort, das Halil D. in dem Prozess spricht. Verurteilt wird er am Ende wegen Urkundenfälschung und verbotenen Waffen- und Sprengstoffbesitzes zu zweieinhalb Jahren Haft. Bis das Urteil rechtskräftig wird, soll er weiter in Untersuchungshaft bleiben. Das Gericht geht von Fluchtgefahr aus, auch die Gefährlichkeit des Angeklagten und seine Affinität zu Gewalt sprächen für diese Entscheidung. Aber offensichtlich nicht zu einer längeren Haftstrafe. Justiz paradox.
Während der Urteilsverkündung verzieht Halil D. keine Miene; nur seinen Unterarm knetet er nervös. Vor dem Gerichtsgebäude erklärt sein Anwalt Aydin, dass er die Höhe der Strafe für überzogen halte. "Ich tendiere zu einer Revision." Und so wird Halil D. bald wieder in Freiheit sein, seiner Religion nachgehen können. Vielleicht werden wir in eine paar Jahren wieder von ihm hören, wenn ein Anschlag erfolgreich verübt wurde. Wer wird dann die Verantwortung wird diesen Justizskandal übernehmen?
Ich finde, Halil D. wäre in der Türkei besser aufgehoben, gehört mit Frau und Kinder abgeschoben, genau solche integrationsunwilligen und -unfähigen Leute können wir hier nicht gebrauchen, doch mit dieser Justiz wird sich daran nie was ändern.