Mittwoch, 15. Oktober 2025

Wird Trump die Hamas entwaffnen?


Dichte Menschenmenge auf einer langen Einkaufsstraße, LKW entladen, Geschäftsschilder an den Seiten.
Ein Markt in Nuseirat, Gazastreifen, heute Morgen.

Gestern hat Trump gesagt, die Hamas würde auch mit Gewalt entwaffnet werden.
Daraufhin kam auf Social Media viele Mutmaßungen und Kaffeesatzleserei.
Etwas Hintergrund.

Zunächst eine Richtigstellung vorweg.
Durch das Stille-Post-Verfahren des Internetz wurde multipliziert, die USA hätten der Hamas erlaubt ihre Waffen zu behalten. Das ist falsch.

Trump ist mit einer Air Force One durch die Weltgeschichte geflogen.
Die Air Force One ist übrigens kein Flugzeug, sondern die USA haben mehrere geeignete Flugzeuge und Helikopter, und wenn der Präsident an Bord ist, ist das Rufzeichen (Call Sign) „Air Force One“.
Das ist Militärlogik, das hat Trump sich nicht ausgedacht, sondern ist schon lange so.

Wenn ein Präsident um die Welt fliegt, hat er nicht nur seinen Stab dabei, sondern auch eine Handvoll Journalisten. Auch um diese Plätze ging es bei den Streitereien, dass die derzeitige Regierung gewisse Medien ausgeschlossen hatte oder hat, u.a. die New York Times und sogar die Washington Post. Denn diese Plätze werden turnusmäßig vergeben.

Trump hat es sich zu eigen gemacht, während solcher Flüge in der Tür zu seinem Büro ad hoc Fragen zu beantworten. Das tut er bei das jeder derartigen Reise. Und weil es Trump ist, erzählt er bei solchen Gelegenheiten den größten Unfug.
Während seines Fluges Richtung Nahost hatte die Hamas begonnen Palästinenser hinzurichten. Danach gefragt sagte Trump in seiner hemdsärmeligen Art sinngemäß, dass die Palästinenser etwa 60.000 Tote zu beklagen hätten, dass die Hamas Versucht für Ordnung zu sorgen und dass sie (die USA und Israel) bezüglich der Entwaffnung da einen gewissen Spielraum eingeräumt hätten. Sinngemäß, dass sie da ein Auge zudrücken.
Das hat also nichts damit zu tun, dass man vorhabe, die Hamas unter Waffen lassen zu wollen. Nur dass die Entwaffnung derzeit nicht die höchste Priorität hatte.

Trump in seinem Büro an Bord einer Air Force One.

Es ist hilfreich, etwas heraus zu zoomen.
Die Medien und gerade Social Media ist voll von irgendwelchen Details zu Gaza. Aus Sicht eines US-Präsidenten ist Gaza aber ein Kaff. Es hat zwar etwas mehr Einwohner als Hamburg, ist aber so groß wie Schwedt in der Uckermark.

Der Gazastreifen ist etwa sechs Kilometer breit, das sollte man sich auch im Hinterkopf behalten, wenn man das Vorgehen der IDF beurteilen will. Denn die Israelische Artillerie hätte dauerhaft den Gazastreifen mit Artillerie plattmachen können, 24 Stunden, sieben Tage in der Woche.
Für Trump ist der Gazastreifen ungefähr Philadelphia, nur ohne Geschichte und mit Kufiya. In den USA wurden mehr Menschen erschossen, als im Gazakrieg getötet wurden.

Ob die Hamas da ein paar ebenfalls Kriminelle abknallt oder Clans sich gegenseitig abmurksen, interessiert die USA einen gepflegten Scheißdreck.

Die angezogene Handbremse

Nachdem die Hamas nun mehrfach und in Variationen geäußert hat, dass sie den Kampf fortführen und Israel vernichten wird – damit ist der dauerhafte Kampf und nicht der jetzige Krieg gemeint – und eine Entwaffnung nicht in Frage kommt, hat Trump nun zu Journalisten gesagt, dass sie entwaffnet werden wird. Notfalls mit Gewalt. Das wurde als erstes von der Agentur Bloomberg gemeldet, die Medien haben es nur gekauft.

Die IDF haben aufgrund des weltweiten diplomatischen Drucks mit angezogener Handbremse agiert.
Ein großer Faktor dabei war, dass sie erobertes Gebiet nicht dauerhaft besetzt gehalten haben.

Das hat sicher verschiedene Gründe.
Beispielsweise sind die IDF kleiner als die Bundeswehr und bestehen zudem aus mindestens 60% Wehrpflichtigen. Bei einem so kleinen Land ist sie dennoch sehr groß und jeder Wehrpflichtige fehlt wiederum in der Wirtschaft. Das mag bei Russland ein eher kleiner Faktor sein, bei einem Land mit 10 Millionen Einwohnern, von denen viele nicht dienen (müssen), ist das aber wichtig.
Die IDF hat also nicht unbedingt das Personal, eroberte Gebiete dauerhaft besetzt zu halten. Zumindest nicht in dem Kontext eines Krieges auf unbestimmte Zeit.

Für eine Entwaffnung wäre aber genau das nötig. Man müsste, vereinfacht gesagt, von Haus zu Haus gehen und Schmuggel verhindern.
Und dafür haben die USA durchaus die Kapazitäten.

Militärisch kann es nicht darum gehen, den Gazastreifen weiter zu bombardieren. Was ja eh kaum noch stattgefunden hat, seit der großen Offensive.
Zum einen entwaffnet das niemanden, zum anderen würde das Trumps Pläne kaputtmachen, mit denen er sich als Friedenfürst generiert. Es wäre für die USA ein leichtes, da sie viele Luftwaffen-Stützpunkte in Reichweite haben.

„Boots on the ground“

Es müssten also Leute dort reingeschickt werden. Die so genannten „Boots on the ground“, die Stiefel auf dem Boden. Die hat Trump aber vor der Wahl für seine Wähler kategorisch abgelehnt.
Es kommt also alles darauf an, was die Regierung nun ausbaldowert. Wie sie die schönen Trump-Pläne umsetzt einerseits und die Wähler nicht verärgert andererseits.

Was dabei häufig unterschätzt wird, ist die Manipulationsfähigkeit Trumps. Er könnte das als „Polizeieinsatz“ verkaufen, genau das haben sowohl Eisenhower als auch Kennedy bereits in Vietnam getan.
Ich sehe daher darin kein großes Hindernis. Eher in der Art des Einsatzes. Denn wenn zu viele Leichensäcke nach Hause kommen, ist das auch schlecht für Trump.

Es gibt mehrere Möglichkeiten, die die USA dort umsetzen können. Natürlich mit Israel zusammen.
Unterschätzt wird meiner Meinung nach die Möglichkeit, das nach und nach aufzurollen. Nicht indem man in einer großen Aktion die Hamas bekämpft. Ich bin sehr sicher, das wird nicht passieren.

Ich rechne eher damit, dass man anfängt, beispielsweise von Süden her aufzurollen. Zunächst erst einmal Rafah zu sichern, beispielsweise. Dazu würde passen, dass heute Morgen veröffentlicht wurde, dass der Grenzübergang zu Ägypten wieder geöffnet werden wird. Und das wiederum zeigt, dass Israel sich mit den USA abstimmt.

Man könnte eine örtliche Verwaltung etablieren, Polizeikräfte oder „Polizeikräfte“ einsetzen, mit dem Wiederaufbau beginnen, und so weiter. Dann geht man weiter nach Norden, nach Chan Yunis.
So drängt man die bewaffneten Kräfte langsam zurück. Nicht der große Kriegseinsatz, sondern eine Razzia nach der anderen.
Das ist jedoch nur ein Beispiel, womit eher zu rechnen wäre.

Spannend ist derzeit allemal, US-Schiffe im Auge zu behalten. Denn die USA haben nicht nur Flugzeugträger. Die aus erklärten Gründen eher ungeeignet sind. Sondern auch amphibische Träger.
Die Wasp-Klasse Klasse sieht beispielsweise aus wie ein Flugzeugträger, hat aber knapp 2000 Marines an Bord und kann diese auch mit Helikoptern sehr schnell absetzen. Die USA könnte allerdings auch Truppen ganz einfach einfliegen, Israel hat entsprechend geschützter Flugplätze.

Bild
Das Flaggschiff der Wasp Klasse, der amphibische Helikopterträger USS Wasp.

Es ist zu früh

Zum jetzigen Zeitpunkt kann jedoch keiner genau sagen, was passieren wird.
Das liegt vor allem in der Entscheidung der US-Regierung. Um das also zu wissen, müsste man im Weißen Haus Mäuschen spielen.
Und jeder, der irgendwelche Mutmaßungen abgibt und kein Mäuschen ist, dem muss man auch keinen Glauben schenken.

Ich wollte nur einen Eindruck vermitteln, dass die Situation viel komplexer ist, als manche Laien derzeit salbadern. Es gibt Mittel und Wege, die Hamas auch gewaltsam zu entwaffnen, ohne den Krieg fortzuführen.
Dabei sollte man jedoch auch darauf vorbereitet sein, dass die Hamas dann übergriffig wird, was wiederum eine mindestens israelische Eskalation zur Folge hätte. Man wird also vor allem darauf bedacht sein, das ganze innerhalb des Gazastreifens zu halten. Was dort geschieht, wird öffentlich und diplomatisch leichter zu vertreten sein.

Es sind Optionen, die auf dem Tisch liegen.
Man muss die ersten Anzeichen abwarten, für was die Regierung sich entscheiden wird.


Erschienen auf steady.page

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