von Thomas Heck...
Der Autofahrer reibt sich angesichts der immer neuen Höchststände an der Tankstelle täglich die Augen. Und eine Besserung ist nicht in Sicht. Wer aufs Gas gesetzt hatte, um günstig zu heizen oder zu kochen, ist in einer Realität aufgewacht, wo die Unbezahlbarkeit einer warmen Wohnung und einer warmen Mahlzeit eine vorstellbare und erreichbare Option geworden ist. Und beim Strom sieht es nicht besser aus. Inflationsraten, wie bei einer sozialistischen Bananenrepublik mit den entsprechenden Folgen auf die Preisentwicklungen in nahezu allen Bereichen. Wenn die Tagesschau als Staatsfunk Energiespartipps anpreist, muss es 5 vor 12 sein. Insbesondere, weil die Regierung in erster Linie ideologiegesteuert agiert nach dem Motto, wird schon schiefgehen. Das setzt das normale Denken aus und die Vernunft verabschiedet sich. Noch kaschiert die Nachrichtenlage um die Ukraine das wahre Ausmaß, ein Schuldiger scheint gefunden. Dabei ist die Lage ist ernster, als es den meisten bewusst sein dürfte. Und hausgemacht...
Seit Rot-Grün ist die deutsche Energiepolitik von allem möglichen geprägt gewesen, nur nicht von Haltung. Jetzt kollabiert sie. Wie retten wir uns aus dieser Situation?
Sind die Deutschen krisenresistent? Vor aller Augen kollabiert die Energiepolitik der Bundesregierung, vervielfachen sich die Preise für Öl, Gas und Strom – doch bisher scheinen die Menschen das hinzunehmen. Mal sehen, wie lange noch. Denn es kommt noch dicker. Die EU will die Rohstoffimporte aus Russland drosseln oder ganz streichen. Und die russische Regierung arbeitet an einer Liste von Staaten, die man nicht mehr mit Rohstoffen beliefern will. Wird sie umgesetzt, dürfte Deutschland ganz oben stehen. Damit würden über 50 Prozent des deutschen Gasimports und gut ein Drittel des Ölimports mal eben wegfallen.
Deutschland steht vor Erschütterungen. Und es ist selbst daran schuld. Dass Russland kein zuverlässiger Energielieferant ist und fossile Energien zur Waffe macht, war seit vielen Jahren in wissenschaftlichen Analysen und auch in den Zeilen dieser Kolumne zu lesen. Putins politische Lieferstopps haben die osteuropäischen Staaten zur Genüge erfahren. In Deutschland lassen sie sich an den leeren Gasspeichern ablesen. Nur war es hierzulande angenehmer, wegzuschauen.
Bei Energie hatten wir in den vergangenen 20 Jahren ein Haltungsproblem. Diversifikation und Versorgungssicherheit waren nie Priorität deutscher Energiepolitik. Stattdessen beherrschten Ideologie (Grüne), Wahlkampfpanik (CDU/CSU) oder schlicht Korruption und persönliche Verstrickungen (SPD) die Entscheidungen. Wenn jetzt die Parteien aufeinander zeigen, ist das einfach nur erbärmlich. Die gescheiterte Energiepolitik ist ein verpfuschtes Gesamtkunstwerk der drei größten Parteien. Und eine unglaubliche Geschichte der Verengung von Optionen.
Das begann, als eine rot-grüne Bundesregierung die Atommeiler abschalten wollte (wofür es triftige Gründe gab), aber auch gleich die Nuklearforschung grundsätzlich zum Teufel wünschte (der ideologische Teil). Rot-Grün redete viel von "Erneuerbaren", setzte aber tatsächlich vor allem auf das fossile Gas. Mittels einer wahnsinnig teuren Umlage für alle Bürger ließen grüne Umweltminister schnell veraltende Solartechnik auf ewig fördern. Derweil verschmolzen SPD-Politiker im Handstreich am Kartellrecht vorbei die deutschen Energiekonzerne zu Beinahemonopolisten. Diese wurden dann geschäftlich und institutionell mit dem russischen Monopolisten Gazprom verflochten.
Alle anderen Optionen – Flüssiggas aus aller Welt, deutsche LNG-Terminals, Erdgas per Pipeline vom Kaspischen Meer oder per Schiff aus Nahost und den USA – wurden von der Gasallianz aus Konzernen und SPD systematisch verhindert. Wer kritisch nach mehr Diversifizierung fragte, bekam die Antwort: Russland sei ja seit den Siebzigerjahren ein "verlässlicher" Lieferant. Und: "Die Amis fracken, wie schrecklich!"
Es ist jetzt dringend an der Zeit, von den anderen zu lernen
Unter dem Schutz der SPD wuchs das Megagasgeschäft, die deutschen Konzerne verkauften ihre größten Gasspeicher an den Gazprom-Konzern, der nicht nur Pipelines durch die Ostsee, sondern auch auf deutschen Boden betreibt. Dafür durften die Deutschen dann in Russland ein bisschen selbst bohren und ihr Gas durch Gazproms Monopolpipelines nach Hause bringen. Das brachte so viel Geld, dass nicht nur Gerhard Schröder, sondern eine ganze Generation von SPD-Politikern in die Energiebranche ging und kräftig die Pensionen aufbesserte.
Die CDU, die das erst bemeckerte, schwieg in der Groko dazu, um des lieben Koalitionsfriedens willen. Wenige CDU-Politiker erlagen selbst dem Lockreiz des Energiegeschäfts. Den Atomausstieg zog Kanzlerin Merkel 2011 hektisch vor, um ihrer CDU im Wahlkampf in Baden-Württemberg bessere Argumente zuzuschanzen. Das kostete ein paar Milliarden Euro Kompensation an die Konzerne für eine weitere Verengung von Optionen. Die letzten Atommeiler gehen ausgerechnet in diesem Jahr, wo Russland als Rohstofflieferant wahrscheinlich ausfällt, vom Netz.
Die Erneuerbaren aber wurden im Widerspruch zur aufgeblasenen Rhetorik nie so gefördert, wie es nötig gewesen wäre. Während die Groko die Dinge schleifen ließ, führte die von Grünen und CSU umjubelte Bürgerbeteiligung zu unzähligen Einsprüchen gegen die dringend notwendigen Stromtrassen. Stattdessen wurden die von Gerhard Schröder und Sigmar Gabriel (beide SPD) ausgedealten Großpipelines Nord Stream 1 und 2 fertiggestellt. So wurde Deutschland von Russlands Erdgas zu weit über 50 Prozent abhängig.
Die Deutschen, die sich ganz an der Spitze des Energiefortschritts wähnen, dürfen sich gern mal umdrehen, ob ihnen auch nur ein Land folgt: Fehlanzeige. Es ist jetzt dringend an der Zeit, von den anderen zu lernen.
Man muss nicht Frankreich kopieren
Mehrere osteuropäische Länder haben in den vergangenen Jahren ihre Abhängigkeit von russischen Lieferungen drastisch reduziert. Polen hat Flüssiggasterminals gebaut, auch Litauen, Kroatien und Griechenland. Vielleicht fragen die Deutschen mal zur Abwechslung in Athen nach, was sie von den Griechen lernen können.
Viele Länder kommen gar nicht erst auf die Idee, Gas massenhaft zur Verstromung einzusetzen – und nutzen andere Quellen. Frankreich setzt auf Atom, schafft sich allerdings mit Müll und alten Meilern selbst ein Riesenproblem. Das muss man nicht kopieren. In Finnland verfolgt man für eine Übergangszeit einen sehr moderaten nuklearen Kurs. Auf die beste Mischung kommt es an. Die nördlichen Länder der EU liegen auch beim Anteil der erneuerbaren Energien an der Versorgung zum Teil weit vor Deutschland, ohne andere Formen der Energieerzeugung kategorisch auszuschließen. Sie sind beim Abbau der CO₂-Emissionen weit besser als Deutschland.
Drei Dinge sind von den anderen zu lernen. Erstens: Nicht Russland schönreden, sondern andere Quellen suchen. Zweitens: In der Energiekrise keine Form der Energieerzeugung kategorisch oder ideologisch ausschließen. Drittens: Den zügigen Weg in die Klimaneutralität nicht aus den Augen verlieren. Deshalb ist neben Öl und Kohle auch das fossile Gas mittelfristig ein Auslaufmodell.
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