Freitag, 25. März 2022

Du hast die Haare schön...

von Mirjam Lübke...

So richtig verstanden habe ich diesen Trend nie. Morgens bin ich froh, wenn es mir gelungen ist, meine Haare zu entwirren, ohne mir den halben Schopf beim Bürsten auszureißen. Auch ein wuscheliger Lockenkopf hat einen gewissen Reiz. Aber diese Dreadlocks finde ich gar nicht ansprechend - und dabei ist es mir vollkommen wumpe, ob der Träger aus Oer-Erkenschwick oder Wagabungu am Woroboro-Fluss stammt. Jedoch: Ein jeder möge mit seiner Frisur selig werden - ob er nun als weißer Surfer unbedingt einen Wischmop auf dem Kopf tragen will, oder als eine schwarze Geschäftsfrau, die sich die Haare zum schicken Bob glattfönen lässt. Letztlich ist es Geschmackssache, die eigene und die des Partners, mit dem jemand zusammen lebt. Angela Bassett sah jedenfalls in "Olympus has fallen" auch mit kurzen Haaren gut aus. 


Diese neue Masche von der "kulturellen Aneignung" verstehe ich ohnehin nicht. Wieder einmal stelle ich mir die Frage: "Was wollen die eigentlich von uns?" Fridays for Future sagt einer Sängerin ab, weil sie als Weiße Dreadlocks trägt. Gnädigerweise hätte sie ihren Auftritt absolvieren dürfen, wenn sie sich die "rassistische" Frisur abgeschoren hatte. Allein die Vorstellung ist gruselig - so verfuhr man mit französischen oder holländischen Frauen, die im Krieg mit deutschen Soldaten angebandelt hatten und öffentlich bloßgestellt werden sollten. Von Sängerin Ronja M. wurde offenbar ein ähnliches "Bekenntnisritual" abverlangt. Diesem entzog sie sich allerdings vollkommen zurecht. So scheußlich ich diese Frisur finde, ich glaube, ich hätte mir aus Trotz sogar noch die Haare neongrün gefärbt. 

Vor allem bleibt wieder einmal im Dunkeln, wer den Trend ausgerufen hat - wenn er nicht wieder auf vorauseilenden Gehorsam zurückgeführt werden kann. Mir ist jedenfalls nicht bekannt, dass irgendein Migrant sich geweigert hätte, auf Carola Racketes Schiffchen gen Europa umzusteigen, nur weil die junge Dame Rasta-Zöpfe trägt. "Oh nein, bevor ich diese kulturelle Aneignung unterstütze, schwimme ich lieber zurück nach Afrika! Schämt euch, ihr dreckeligen Kolonialisten!" Das wäre einmal ernstgemeinte, konsequenzenbewehrte Empörung!

Im Allgemeinen freut man sich, wenn Migranten die heimische Kultur annehmen. Man muss es nicht übertreiben, sicherlich wird von keinem Einwanderer aus Nahost erwartet, in Deutschland mit bayerischer Lederhose herumzulaufen oder jeden Tag Leberkäs (natürlich vom Schwein) als öffentliches Bekenntnis zu essen. Aber den Erwerb deutscher Sprachkenntnisse, die Erkenntnis von der Gleichberechtigung der Frau und die Einsicht, dass es recht nett wäre, den Lebensunterhalt irgendwann aus eigener Kraft zu bestreiten, würde ich nun wirklich nicht als Übergriffigkeit auf gewachsene deutsche Traditionen ansehen. Im Gegenteil: Ist dies alles gegeben, erfährt die Willkommenskultur einen gewissen Auftrieb. 

Nun gut, ich würde auch ein wenig seltsam dreinschauen, wenn es plötzlich Mode würde, mit den Peyes chassidischer Juden herumzulaufen. Allerdings: Solche Moden vergehen auch wieder - man kann sie merkwürdig finden und auch einmal nachfragen: "Warum machst du das?" Viele Nichtjuden tragen etwa einen Davidstern aus Solidarität mit Israel. So etwas freut einen nicht verbitterten Menschen doch. Es sei auch jedem Afrikaner unbenommen, einen Europäer mit Dreadlocks seltsam zu finden, aber wenn mich nicht alles täuscht, ist die allgemeine Reaktion darauf etwas liebevoller Spott, aber kein hysterischer Ausbruch. Es ist eine Haarmode, die wahrscheinlich nur ein Häuflein Ideologen auf der Suche nach einem neuen Betätigungsfeld stört - das sich selbst beweisen will, wie aufgeklärt und antirassistisch es ist. Natürlich mischen bei so etwas auch die üblichen Lobbyisten wieder mit - die sicherlich eine schrecklich plausible Erklärung parat haben, warum ein Kopftuch bei Sabine-Aisha keineswegs kulturelle Aneignung bedeutet, eine Sängerin aber keine Dreadlocks tragen darf. Diese Ideologie zeigt sich so konsequent wie Wackelpudding - jede Laus, die irgendwem über die Leber läuft, kann morgen schon eine politische Kampagne begründen. 

Umgekehrt können aber auch die bei Weißen so beklagten angeblichen Privilegien willkürlich auf bestimmte Gruppen übertragen werden: Man darf sich als weibliche Schwimmerin bei Damenwettbewerben beteiligen, auch wenn sich der Badeanzug untenherum verdächtig beult. So kommt man auch in den Genuss der Frauenquote. Wie die inzwischen verteufelte Autorin J.K. Rowling vollkommen zurecht sagt, verschwinden Frauen und sogar das Wort "Frau", das durch "menstruierende Person" ersetzt wird, trotz heftiger Quotendebatten immer mehr aus dem Bewusstsein der Öffentlichkeit. Die Reduktion der Frau auf ihre Monatsregel - das hätten sich religiöse Fanatiker nicht besser ausdenken können - ist offenbar eine lässliche Sünde - aber eine Frisur und ein Toast Hawaii lösen Revolten und Boykotte aus. Wenn das vor ein paar Jahren jemand zum Thema eines Films gemacht hätte, wäre dieser gerade in Deutschland als überdreht und albern von der Presse verrissen worden. In Terry Gilliams "Brazil" löst eine zerquetschte Fliege in einer Druckmaschine eine groteske Ereigniskette aus, auch das könnte ich mir in Deutschland mittlerweile gut vorstellen. 

Wenn die große Verschwörung zur Umgestaltung der Welt tatsächlich stattfindet - und einige Berühmtheiten machen keinen Hehl daraus, dass sie daran interessiert sind - dann muss Deutschland von ihnen als ideales Versuchslabor erkannt worden sein. Während in den USA, von denen mancher Trend zu uns schwappt, wenigstens noch einige große Medien existieren, welche diesem Rummel widerstehen, stürzt man sich bei uns mit Begeisterung auf alles, was Teil einer absurden Kampagne werden könnte. Es gibt Studien darüber, wie sich sogenannte "Alltagsmythen" verbreiten - der tote Hund im Karton, der durch die Republik geschickt wird ist einer davon - man registriert dabei, wie schnell sich solche Geschichten verbreiten. Es wäre doch einmal interessant zu sehen, ob das auch mit ideologisch besetzten Themen funktioniert!


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