Sonntag, 6. September 2020

Wir müssen reden... einen Scheiß müssen wir...

von Mirjam Lünke...

Als Dunja Hayali die erste Corona-Demo besuchte, zeigte sie sich anschließend schockiert. Aggressiv sei sie empfangen worden und habe das Filmprojekt abbrechen müssen, wobei die Menschen im Video bestenfalls gereizt wirkten. Und wohl einfach froh waren, mal jemanden vom TV die Meinung geigen zu können. In Lebensgefahr befand sich unsere "Kriegsberichterstatterin" jedenfalls nicht.


Man fragt sich, mit welcher Erwartungshaltung Menschen wie Hayali an solche Interviews herangehen. Nun kennen wir alle die linke Doktrin des "Keine-Plattform-Bietens", mit der Hardcore-Polit-Nannys den naiven Bürger vor der Infektion mit "faschistischem Gedankengut" zu bewahren trachten. Der Meinungsabweichler gehört in gesellschaftliche Quarantäne, bevor seine rechten Aerosole sich dortselbst verbreiten.

Aus Sicht von Dunja Hayali mag es also ein Akt der Großzügigkeit gewesen sein, in die Niederungen einer schon vorab als "rechts" klassifizierten Menschengruppe herabzusteigen. Ein Akt der Toleranz, der eine Haltungs-Journalistin eine Menge Überwindung gekostet hat. Ein Opfergang, um dem erstaunten Zuschauer vor dem TV-Gerät einen Einblick in eine fremde, unzivilisierte Welt zu geben.

Als Nachfolgerin von Grizmek und Sielmann. "Im Reich der wilden Deutschen". Nun merken es Menschen aber in der Regel, wenn sie vorgeführt werden sollen. Nicht alle, sonst gäbe es niemanden, der sich zu gewissen Hartz4-Reportagen bei RTL2 freiwillig melden würde, aber die meisten schon. Und das verstimmt. Vor allem, wenn man schon vorab ziemlich sicher weiß, dass man dem Publikum zum Fraß vorgeworfen wird. Es scheint, als hätten die Hayalis dieser Welt noch nicht erkannt, dass ihre Aufmerksamkeit als Geschenk mit eingebauter Fußfalle durchaus erkannt wird. 

In den großen Zoos, so etwa bei Hagenbeck, gab es noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts sogenannte "Völkerschauen": Man brachte afrikanische Stammeskrieger oder Inder in bunten Gewändern per Schiff nach Deutschland und präsentierte sie vor exotischer Kulisse im Tiergehege. Für die normale Bevölkerung war das ein großes Ereignis, schließlich konnte es sich kaum jemand leisten, ins Ausland zu reisen, es mag auch ein gewisser Thrill dabei gewesen sein.

Für die Menschen im Gehege allerdings - die oft nicht freiwillig mitgekommen waren - stellte es eine Demütigung dar, hinzu kamen Heimweh und das ungewohnte Klima. Letztendlich war es die klassische Variante von "Wir gegen die" - unsere Zivilisation gegen die Primitiven. Heute sieht man diese Völkerschauen als barbarischen Akt an, und niemand wird mehr in einem Gehege vorgeführt, in den Medien jedoch sehr wohl. 

Es hat sich links der Mitte die Meinung verfestigt, "die Anderen" seien allesamt ungebildet, verroht und egoistisch. Das Schicksal der Welt ist ihnen egal, Menschen aus anderen Ländern sowieso. Man zieht den "edlen Wilden", den man aus dem Wasser fischt, dem eigenen Landsmann vor und fühlt sich damit kosmopolitisch. Auf keinen Fall möchte man der typische Deutsche sein und sucht deshalb mit deutscher Gründlichkeit nach Landsleuten, von denen man sich positiv abheben kann. 

Keine Frage, wenn man sie sucht, findet man sie auch. Wenn ich mir etwas Mühe gebe, finde ich bestimmt auch noch eine Menge Alt-Achtundsechziger, die Deutschland in eine riesige, kollektive Suppenküche mit freier Liebe verwandeln wollen (die Genossinnen waschen das Geschirr, während die Herren vom Sieg des Kommunismus träumen). Und so findet auch der bürgerliche Linke einen "Ausländer raus!"-Pöbler, den er dann stolz als Beute präsentieren kann. Der "Volksverpetzer" hat sich das Aufspüren von verräterischen Aussagen zu Beruf und Berufung gemacht. 

Und so höre ich innerlich auch oft Miley Cyrus "I came in like a wrecking ball" singen, wenn sich tatsächlich ein linker Kommentator auf die Seite unseres Wingcommanders verirrt und mit der Wucht einer Abrissbirne kundtut, alle anderen dort seien Opfer fehlender Bildung und in einer Blase gefangen. Die Verwunderung über unfreundliche Reaktionen ist groß, denn die derart Düpierten wissen die Aufklärung über ihren Zustand noch nicht einmal zu schätzen! 

Es ist wie in einem alten jüdischen Witz, bei dem ein Mann sich im koscheren Restaurant ein Schweineschnitzel bestellt. Man weiß genau, dem geht es nicht um das leckere Stück Fleisch, sondern um Provokation. Er sollte sich also nicht wundern, wenn man ihm die Tür weist. 

Sollte es aufgrund der derzeit kippenden Stimmung tatsächlich zu Dialogversuchen kommen, wird auf der anderen Seite noch eine Menge Selbstkritik nötig sein. Denn aus eigener Erfahrung kann ich sagen: Wenn es tatsächlich um dem Austausch von Argumenten geht, liefert die andere Seite nicht gern. Dann ist sie schneller weg, als man "Katja Kipping" sagen kann. 



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