von Thomas Heck...
Es ist ein unglaublicher Skandal, der sich derzeit im Schwarzwald ereignet. Da wagt man es doch tatsächlich, Flüchtlinge nicht in einer prosperierenden und pulsierenden Grossstadt wie Berlin unterzubringen, sondern im ... Schwarzwald.
Die saubere Luft, die man einatmen würde, wäre man auf dem Weg zur 25 Minuten entfernten Bushaltestelle, bringt die Bewohner um. 40 Minuten nach Pforzheim mit dem Bus, 2,5 km zum nächsten Supermarkt. Unzumutbar. Man fragt sich, wie die Flüchtlinge die Reise über tausende Kilometer quer durch Afrika überhaupt überstehen konnten. Taschentücher raus, diese Bilder zeigen das Leben Geflüchteter in der Isolation des Schwarzwaldes...
Aber im Ernst. Da oft von traumatischen Kriegserlebnissen die Rede ist, unter denen sie leiden und der Stress der Flucht, ist eine absolut ruhige Umgebung psychologisch absolut das Richtige, um zur Ruhe zu kommen. (Netzfund)
So gut wie keine anderen Häuser, 25 Minuten zur nächsten Bushaltestelle. Die Bilder der Fotografin Sibylle Fendt zeigen, wie Geflüchtete mit der Isolation in einer sehr speziellen Unterkunft umgingen.
An der Pforte zum nördlichen Schwarzwald befindet sich das Holzbachtal. Üppige Wälder reihen sich hier an satte Wiesen und Weiden. Als „romantisch“ wird das Holzbachtal in Wanderratgebern beschrieben. In dieser bei Spaziergänger*innen und E-Bike-Fahrer*innen beliebten Gegend befand sich zwanzig Jahre lang die „Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber im Holzbachtal 8“.
Das Gebäude war ursprünglich eine Pension für Reisende, ab den 90er-Jahren wurde es als eine Art Hotel für deutsche Spätaussiedler*innen aus Staaten des ehemaligen Ostblocks genutzt. Wenig später wurde es zum „Asylbewerberheim“. In den Jahren zwischen 2015 und der Schließung 2018 belegten bis zu 70 Personen die Räume der ehemaligen Pension. Ihnen hat die Fotografin Sibylle Fendt ein Fotobuch gewidmet. Es heißt Holzbachtal, nothing, nothing.
Aufgrund der Lage wurden seit vielen Jahren nur noch alleinreisende männliche Asylbewerber dort untergebracht.
2015 stieß die Fotografin das erste Mal auf die „Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber im Holzbachtal 8“. Zu dieser Zeit arbeitete sie an einem bundesweiten Projekt über den deutschen Umgang mit Geflüchteten. Sie blieb nur etwa zwei Stunden in Holzbachtal, bevor sie weiterzog, um sich mehrere Notunterkünfte anzusehen. Doch die Eindrücke, die sie im Holzbachtal gesammelt hatte, ließen sie nicht mehr los.Stunden, Tage und Wochen, ohne dass irgendetwas passiert
2016 kehrte Fendt zurück in die Unterkunft im Norden des Schwarzwalds. „Ich verbrachte Stunden, Tage und Wochen dort, ohne dass irgendetwas passierte“, schreibt die Fotografin in ihrem Buch. „Dieses Warten – oder noch nicht einmal das –, dieses Zeitverstreichenlassen war neu und befremdlich für mich.“ Hier gäbe es nichts zu tun, sagten die Geflüchteten ihr. „Holzbachtal, nothing, nothing“ – dieser Spruch eines Geflüchteten sollte die Überschrift ihrer Bilderstrecke werden. „Schlafen, fernsehen, essen, schlafen, fernsehen, essen und schlafen“, beschreibt eine Reportage einer lokalen Zeitung aus dem Jahr 2013 den Tagesablauf der Bewohner.
Das idyllische Holzbachtal, das für viele ein touristisches Highlight ist, bedeutete für die Bewohner der „Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber im Holzbachtal 8“ räumliche und soziale Isolation. Von der Unterkunft bis zur nächsten Bushaltestelle dauert es zu Fuß 25 Minuten durch den Wald. Die nächstgrößere Stadt ist Pforzheim. Mit dem Bus dauert es 40 Minuten bis dorthin. Zum Supermarkt im nächsten Ort sind es drei Kilometer Fußmarsch – die man entweder mitten durch den Wald oder über eine vielbefahrene Landstraße zurücklegen kann. „Aufgrund der Lage wurden seit vielen Jahren nur noch alleinreisende männliche Asylbewerber dort untergebracht, weil ihnen der lange Fußmarsch zum nächsten Ort und zur nächsten Einkaufsmöglichkeit am ehesten zuzumuten war“, schreibt die Fotografin Sibylle Fendt.
Ich wollte das Nichts fotografieren – die Tatsache, dass nichts passierte, dass unklar war, was die Zukunft bringen wird.
Zwei Jahre lang kehrte Sibylle Fendt regelmäßig in die Geflüchtetenunterkunft zurück. Häufig bleibt sie drei bis fünf Tage. „Ich wollte das Nichts fotografieren – die Tatsache, dass nichts passierte, dass unklar war, was die Zukunft bringen wird, und die scheinbare Gelassenheit, mit der die Bewohner diesen Zustand aussaßen.“ Fendt trinkt mit den Bewohnern Tee, beobachtet sie beim Kochen, lässt mit ihnen die Zeit verstreichen oder begleitet sie zum Supermarkt oder zu Behördengängen. (Beim Putzen hat die Fotografin wohl nicht zugeschaut, wie man an ihren Bildern unschwer erkennen kann. Anm. d. Heck Ticker-Redaktion)
Während dieser gemeinsamen Zeit entstehen eindrucksvolle, nahbare Porträts der Bewohner. Andere Bilder zeigen kleine Alltagsmomente der Geflüchteten im Holzbachtal: Videoanrufe mit geliebten Menschen in der Ferne, flackernde Handybildschirme, qualmende Zigaretten, improvisierte Sportgeräte, kleine Teetassen, flatternder Plastikmüll. Die Bilder strahlen eine eigentümliche Stille aus. Es ist keine angenehme, entspannende Schwarzwaldurlaubstille – es ist eine erzwungene Stille, teilweise eine apathische Stille, eine unzufriedene Stille. Schon in der Reportage aus dem Jahr 2013 ist das Fazit der Autorin über die Bewohner: „Sie wollen da raus.“
„In den knapp drei Jahren, die ich dort fotografierte, erlebte ich wenig Anstrengung, die Bewohner zu integrieren“, berichtet Fendt. Die wechselnden Heimleiter, Sozialarbeiter*innen und Hausmeister seien überfordert gewesen. „Jeder schob die Schuld dafür, dass der Ort so verwahrlost war und die Bewohner so vereinsamt waren, anderen in die Schuhe.“ 2018 konnten die letzten zwölf Bewohner aus der ehemaligen Pension ausziehen. „Ich glaube, sonst säße ich heute noch mit den Bewohnern zusammen“, sagte die Fotografin Fendt der Zeitung Badische Neuste Nachrichten.
Warten aufs Mittagsessen...
... da isses...
... mit dem Putzen hapert es noch ein wenig...
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