von Mirjam Lübke...
Warum klagen sich junge Frauen mit Kopftuch in Berlin in den deutschen Staatsdienst ein? Nicht nur als Lehrerin, sondern jetzt auch als angehende Staatsanwältinnen? Mir drängt sich dabei die Frage auf, warum man unbedingt eine Karriere damit beginnen will, erst einmal die Regeln seines Arbeitgebers auszuhebeln. Denn Respekt vor dem Neutralitätsgebot im Staatsdienst ist schließlich gleichzeitig eine Loyalitätsbekundung: Im Zweifelsfall müssen religiöse Regeln hinter den Gesetzen des Staates zurückstehen. Das Kopftuch signalisiert hier ein deutliches "Ja, aber!"
Es kommt mir so vor, als würde ein Veganer darauf bestehen, als Fleischfachverkäufer zu arbeiten. Zwar sagt er dem Filialleiter zu, die Kunden mit seiner Lebenseinstellung in Ruhe zu lassen, will dann aber hinter der Theke unbedingt ein T-Shirt mit einem flauschigen Kälbchen darauf tragen, worunter die Aufschrift "meat is murder!" prangt. Auch wenn er noch so freundlich zu den Kunden wäre und ihnen lächelnd Rouladen verkaufte - die Kunden würden auf das Shirt starren und sich ein wenig mulmig fühlen.
Eine Debatte über das Neutralitätsgebot muss natürlich möglich sein, es kann nie schaden, über als selbstverständlich Erachtetes noch einmal zu diskutieren, um sich ins Gedächtnis zu rufen, warum man das alles gesetzlich festgelegt hat. Zunächst einmal, um religiöse Konflikte zu vermeiden und die "negative" Religionsfreiheit zu gewährleisten. Wenn jemand sein Kind auf einer staatlichen Schule anmeldet, sollte es dort keiner ideologischen Beeinflussung ausgesetzt sein - ob das auch bei politischen Ideologien immer eingehalten wird, steht auf einem anderen Blatt - sonst gibt es schließlich die Möglichkeit, eine konfessionell gebundene Schule auszuwählen.
In dieser Beziehung bin ich keine Dogmatikerin, ich habe keinerlei Probleme mit dezent am Kettchen getragenen religiösen Symbolen, ob Davidstern oder Halbmond, Kreuz oder Thors Hammer, viele Menschen fühlen sich einfach besser, wenn sie ein Zeichen ihrer Religion bei sich tragen. Das werte ich auch nicht als Signal an mich. Und auch wenn ich in einen türkischen Laden gehe, renne ich nicht beim Anblick eines Kopftuchs panisch wieder hinaus. Denn dort hat es keinen Einfluss auf das Leben anderer Menschen.
Aber selbst wenn diese Frauen bezeugen, das Kopftuch freiwillig zu tragen, man hat einfach die Berichte aus muslimischen Ländern im Kopf. Wo Frauen dazu gezwungen werden, ihre Haare zu bedecken. Extrembeispiel Iran: Dort kann ein Foto ohne Kopftuch eine langjährige Gefängnisstrafe kosten, plus körperlicher Bestrafung. Auch im bis vor einigen Jahren tolerant geltenden Indonesien werden die "Sittlichkeitsregeln" für Frauen inzwischen mit Stockhieben durchgesetzt.
Nun unterstelle ich einer angehenden Staatsanwältin mit Kopftuch nicht gleich, ähnliches auch in Deutschland einzuführen. Aber im Grundsatz kann man doch annehmen, dass sie zumindest Sympathien für diese rigide Moral hegt, die Frauen ihrer Selbstbestimmung beraubt. Dafür sprechen auch immer wieder Posts in den sozialen Medien, die eine deutliche Botschaft an alle Frauen ohne Kopfbedeckung beinhalten: "Ihr seid unanständig! Minderwertig! Selbst schuld an sexuellen Übergriffen!"
Oft bin ich geschockt über die Boshaftigkeit dahinter. Es geht hier schließlich nicht nur darum, Frauen einen zurückhaltenden Lebensstil aufzunötigen, vielmehr wird ihnen die volle Verantwortung für sexuelle Übergriffe angelastet, wenn sie auch nur den geringsten Verstoß gegen die Regeln begehen. Als seien Männer grundsätzlich unfähig, sich zu beherrschen, wenn sie eine Haarlocke sehen. Es kommt mir fast so vor, als wüssten die Damen tief im Inneren genau, was für ein Unfug das ist. Aber da sie sich nun einmal diese Regeln selbst auferlegt haben, sollen andere Frauen gefälligst ebenso eingeschränkt leben. Noch einmal das Beispiel Iran: Dort gelten weibliche Revolutionswächter als rigider als ihre männlichen Kollegen.
Könnte eine Staatsanwältin, die einen Vergewaltigungsfall zu verhandeln hat, diese Moral tatsächlich außen vor lassen? Etwas, das sie selbst so tief verinnerlicht hat? Und was vermittelt eine Lehrerin ihren Schülerinnen damit? Spätestens, wenn sie gefragt wird, warum sie das Kopftuch trägt, wird auch dieses Thema zur Sprache kommen.
Um so verwunderlicher ist es, wie sehr sich viele deutsche Feministinnen - mit Ausnahme von Alice Schwarzer und ihren Mitstreiterinnen - mit der angeblichen Selbstbestimmung der Muslimas solidarisch zeigen. Ist es wirklich selbstbestimmt, wenn ich mich in ein Zimmer einschließe, um vor den Gefahren draußen in Sicherheit zu sein? Normalerweise würde man das eher als Zeichen einer Phobie betrachten.
Denn es ist schließlich nicht so, dass der Gedanke "selbst schuld, wenn sie einen Minirock trug" vollkommen aus westlichen Gesellschaften verschwunden ist. Unter einem Bericht über eine 19-Jährige, die Opfer einer Vergewaltigung durch drei "Männer" wurde, standen jüngst unglaublich hämische Kommentare über die junge Frau. Sie hatte sich zwar tatsächlich extrem unvorsichtig verhalten, aber das rechtfertigte bei weitem nicht den Hass, der dort über sie ausgegossen wurde. Die "Ressource" Frau hatte sich dem deutschen Mann entzogen. Es erinnerte mich stark an die Zeit nach dem zweiten Weltkrieg, als umgekehrt holländischen und französischen Frauen die Köpfe kahl geschoren wurden, weil sie sich in deutsche Männer verliebt hatten.
Bei Hardcore-Feministinnen könnte ich mir wiederum vorstellen, dass sie mit dem im Grunde negativen Bild des Mannes als hormongetriebene Bestie im Islam liebäugeln. Denn auf einen partnerschaftlichen, freundschaftlichen Umgang der Geschlechter wollen sie schließlich auch nicht hinaus und fühlen sich oft schon durch einen harmlosen Flirtversuch tödlich beleidigt. Dabei geht es dabei doch oft ganz harmlos darum, eine freundliche Atmosphäre zu schaffen, bei Briten gehört es - ohne weitergehende Absichten - schon fast zum guten Ton. Mir ist es immer höchst suspekt, wenn Ideologen einem bereits die kleinsten Freuden des Lebens vermiesen wollen.
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st unsere Gesellschaft, in der selbst noch so viele Fragen zum Umgang der Geschlechter miteinander offen sind, wirklich stabil genug, um sich schon mit der rigiden Moral einer anderen Kultur zu konfrontieren? Ja, diese sogar Einfluss nehmen zu lassen, wo Kinder erzogen werden und Recht gesprochen? Es geht hier schließlich nicht um die ethnische Herkunft der Frauen - gerade deutsche Konvertitinnen können besonders fanatisch sein - sondern um hart erkämpfte Rechte.
Als Frau wäre ich jedenfalls doch besorgt, wenn mein Schicksal vor einem deutschen Gericht von der Scharia mitbestimmt würde. Denn die Staatsanwältin ist offenbar nicht in der Lage, ihre Religion zugunsten des deutschen Rechts vor der Tür zu lassen.
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