von Thomas Heck....
Der Bundestag ist beschlussfähig, wenn mehr als die Hälfte seiner Mitglieder im Sitzungssaal anwesend ist. Vor Beginn der Abstimmung kann die Beschlussfähigkeit von einer Fraktion oder von anwesenden fünf Prozent der Abgeordneten angezweifelt werden. Wird sie auch vom Sitzungsvorstand nicht einmütig bejaht, ist in Verbindung mit der Abstimmung die Beschlussfähigkeit durch Zählen der Stimmen festzustellen. Stimmenthaltungen und ungültige Stimmen zählen dabei mit.
Ist der Bundestag beschlussunfähig, hebt der Sitzungspräsident die Sitzung auf. Wurde namentliche Abstimmung verlangt, so bleibt dieses Verlangen trotz Sitzungsaufhebung in Kraft.
So steht es unter dem Stichwort Beschlussfähigekeit auf den Seiten des Deutschen Bundestags.
Peinlich wird es nur, wenn die geächtete AfD allein auf die Beachtung dieser Vorschriften achtet und die Alt-Parteien versuchen, durch Verzögerung des Hammelsprungverfahrens Abgeordnete herbeizutelefonieren, um die Feststellung der Beschlussunfähigkeit zu verhindern. Schlimm genug, dass den Alt-Parteien einmal erklärt werden muss, wie Demokratie funktioniert.
Der Bundestag hat am späten Donnerstagabend eine Sitzung abbrechen müssen, weil das Plenum wegen zu wenig anwesender Abgeordneter nicht beschlussfähig war. Die Nachzählung, der sogenannte Hammelsprung, hatte die AfD-Fraktion verlangt. Dabei kam gegen 23.20 Uhr heraus, dass nur 312 Abgeordnete da waren - es hätten aber die Hälfte der 709 Mitglieder, also 355, sein müssen, wie eine Sprecherin des Bundestags am Freitagmorgen mitteilte. Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau (Linke) musste deswegen nach der Geschäftsordnung des Parlaments die Sitzung abbrechen. AfD-Fraktionschef Alexander Gauland teilte dazu mit: „Der aktuelle Hammelsprung ist die Revanche für die Nicht-Wahl von Roman Reusch. So lassen wir uns nicht behandeln! Das ist erst der Anfang.“
Der Bundestag hatte zuvor nachmittags den AfD-Kandidaten Reusch für das Parlamentarische Kontrollgremium durchfallen lassen. Der brandenburgische Abgeordnete, ein früherer Staatsanwalt, bekam statt der notwendigen 355 Stimmen lediglich 210 Stimmen. Das neunköpfige Gremium ist für die Kontrolle der Geheimdienste verantwortlich. Dass die rechtspopulistische Partei nun vorerst außen vor bleibt, sorgt in der AfD für Verärgerung. 13 Prozent der Wähler würden damit ausgegrenzt, beklagte Gauland.
Der nordrhein-westfälische AfD-Abgeordnete Uwe Kamann schrieb auf Twitter zum abendlichen „Hammelsprung“: „Zum Schluss in der heutigen Plenarsitzung, nach den unsäglichen Lügen bei den Reden der etablierten Parteien und ihren undemokratischen Verhalten bei der Nichtwahl von Roman Reusch, haben diese Altparteien eine Lektion in Sachen Demokratie bekommen.“
Der Begriff „Hammelsprung“ ist laut Bundestag eine Wortschöpfung aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und bezeichnet scherzhaft die Auszählung der Stimmen, bei der alle Abgeordneten den Plenarsaal verlassen und durch eine jeweils gekennzeichnete Tür den Saal wieder betreten. Dabei werden sie gezählt.
Der SPD-Abgeordneter Michael Roth kritisierte das Vorgehen der AfD. Auf Twitter schrieb der Staatsminister für Europa im Auswärtigen Amt: „Die AfD hat inhaltlich nix zu melden, kennt aber die Tricks der Geschäftsordnung. Was für Helden :-(.“ Die Grünen-Abgeordnete Tabea Rößner bilanzierte: „Absurdes Theater, zumal auch die Reihen der AfD nicht geschlossen waren.“ Schreibt auch die WELT, die genüsslich vermeldet, dass 10% der AfD-Abgeordneten nicht anwesend waren. Ja, 10% vielleicht, aber nicht 50-60% wie bei den Alt-Parteien. Wären von allen Parteien nur 10% abwesend gewesen, wäre der Bundestag beschlussfähig gewesen. Blamiert hat sich die Große Koalition und alle Alt-Parteien, der WELT-Journalist sowieso.