Dienstag, 21. Mai 2019

Solidarität mit Israel – aber aus rein taktischen Gründen

von Dr. Michael Wolffsohn...

Der Bundestag hat die antisemitische BDS-Bewegung verurteilt. Doch Union, SPD und Grüne haben das vor allem getan, um nicht als Antisemiten abgestempelt zu werden. Deutschlands moralpolitische Grundlage im Umgang mit Israel bröckelt.

Das moral- und geschichtspolitische Fundament der Bundesrepublik Deutschland wird derzeit umgebaut. Das beweisen unzählige Krisen und Konflikte mit vielen unserer westlichen Partner (Amtsdeutsch „Freunden“) und eben nicht nur mit Trumps USA. Auch das Verhältnis zu Israel und den Juden zeigt den neudeutschen Wertewandel.


Das dokumentierte am 17. Mai die Bundestagsabstimmung über die antizionistische BDS-Kampagne. Was BDS („Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen“) gegenüber Israel verlangt, ist mehr als Kritik an der Regierung Israels und Premier Netanjahu.

Ein Blick auf die Website genügt: Der jüdische Staat, also die Antwort auf 3000 Jahre jüdischer Verfolgungsgeschichte und damit die Lebensversicherung aller Juden weltweit, solle verschwinden. Wer Juden diese Existenzsicherheit verweigert, ist Antisemit. Das hilft keine Klügelei.

Mit wohlklingenden Worthülsen verdeckt BDS das eigentliche Ziel: die Auslöschung des jüdischen Staates. Gefordert wird zum Beispiel der Einsatz der demografischen Atombombe gegen Israel: die Rückkehr von sieben Millionen vertriebenen Palästinensern. Tatsächlich vertrieben oder geflohen sind 1947/48 etwa 700.000 Palästinenser. Das war die Folge des von ihnen begonnenen, mit arabischen Verbündeten geführten und verlorenen Krieges gegen die Gründung Israels.

Wer sich in Deutschland damit solidarisiert, müsste folgende Position beziehen: 1.) Schlesien und die übrigen „Ostgebiete“ sind „unser“. Hitler hat zwar den Zweiten Weltkrieg begonnen, aber unser Landverlust ist Unrecht. 2.) Die zwölf Millionen deutschen Vertriebenen sollen – samt Kindern und Kindeskindern – zurück in ihre „Heimat“.

Diese „Logik“ widerspricht dem moral- und geschichtspolitischen Fundament des neuen Deutschland. Man erwartet sie zu Recht von rechts, also bei der AfD. Doch just sie verlangte im Bundestag die schärfsten Maßnahmen gegen BDS: ein Verbot.

Auch bezüglich der deutschen UN-Politik plädiert die AfD weit mehr als alle übrigen Parteien – mit Ausnahme der FDP – für eine proisraelische Linie. Wenn viele oder die meisten AfD-Wähler NS-Nostalgiker sind, dann aber ist ein projüdischer und proisraelischer Kurs politischer Selbstmord.

Umgebaut hat sich die FDP. Bis Mitte der 1960er war sie rechtsliberal, bis 1982 linksliberal und dann etwas von beidem. Zu Israel wahrte sie manchmal Möllemann-polemische Distanz, die nicht selten vom ewigen Außenminister Genscher gebilligt wurde. Heute ist die FDP eindeutig proisraelisch und damit ungebrochen projüdisch. Das beweisen ihre Initiativen gegen Deutschlands bisherige BDS- und UN-, also Anti-Israel-Politik.

CDU/CSU, SPD und Grüne haben sich dem FDP-Vorstoß im Bundestag aus rein taktischen Gründen angeschlossen. Sie hatten Angst, als Antisemiten abgestempelt zu werden. Jürgen Trittin sprach das außerhalb des Plenums aus. Mit 15 anderen Grünen stimmte er gegen die Anti-BDS-Entschließung und sah die Meinungsfreiheit gefährdet.

Auch in der CDU grummelte es. Lange vorbei ist die ungebrochen projüdische und proisraelische Politik der CDU der Adenauer- und Kohl-Ära. Zu Papier gebracht hat das eine Gruppe von 19 Unionspolitikern. Ihr Anführer ist der mehrfach gescheiterte und in die Außenpolitik abgeschobene Norbert Röttgen: Eine Anti-BDS-Politik könne Kritik an Israels Regierung oder die Arbeit deutscher NGOs erschweren.

Den Bedenken von Röttgen & Co. schlossen sich die Spitze (nicht die Mehrheit!) der Grünen-Fraktion sowie einige SPD-Parlamentarier an, darunter Niels Annen, Staatssekretär im Auswärtigen Amt. Nichts Neues. Die Mehrbödigkeit der SPD-Israelpolitik gehört seit Willy Brandt zur Tradition.

Neues gibt es bei der Linken: Obwohl mehrheitlich antiisraelisch, löst sich ein wachsender Kreis von der unsäglich antisemitischen, proterroristischen DDR-Tradition. Zur Speerspitze dieser Reform-Linken gehören vor allem „Ossis“ wie Petra Pau, Jan Korte, Michael Leutert und Berlins Kultursenator Klaus Lederer. Es gibt Neues im neuen Deutschland.





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