von Lukas Mihr
Charlie Kirk bei einer seiner UniversitätsdebattenWie soll man den ermordeten Charlie Kirk bezeichnen? Konservativ? Ultrarechts? Rechtsextrem? Diese Frage stellte der “Spiegel” in einem “Faktencheck”-Format. Dort wurden Argumente gesammelt, die eine Einstufung als „rechtsextrem“ rechtfertigen. Schon in den vergangenen Tagen wurden in anderen Artikeln weitere Argumente zusammengetragen. Dabei zeigt sich: Die “Fakten”, die zusammengetragen wurden, halten meist selbst keinem Faktencheck stand. Aber der Reihe nach.
Kirk wird vorgeworfen, die These vom “Großen Austausch”, also einer drohenden weißen Minderheit, vertreten zu haben. Darüber, ob es dahinter eine planerische Absicht gibt, oder ob es sich um einen organischen Prozess handelt, kann man sich natürlich streiten. Fakt ist aber: Kirk hat hier nur wertfrei Fakten benannt, denn die Weißen in den USA werden langsam zur Minderheit. Bereits jetzt ist in 10 von 51 US-Bundesstaaten (Washington D.C. mitgerechnet) der Anteil der Weißen unter 50 Prozent gefallen. In acht weiteren Staaten liegt er unter 60 Prozent. Vermutlich um das Jahr 2040 wird der Anteil in den gesamten USA unter 50 Prozent fallen. Doch Kirks These wurde einfach dämonisiert statt widerlegt – was alleine ja schon beweist, dass sie wahr sein muss. Denn bei einer falschen Thesen müsste man nur die internen Fehler benennen. Der “Spiegel” hingegen nutzt keine Argumente, sondern nur moralische Erpressung: Zwei rechtsextreme Täter hätten diese These für ihre Massenmorde mit über 60 Toten genutzt.
Was ist “Kulturmarxismus”?
Weiter wird Kirk vorgeworfen, er habe Donald Trumps These vom “Wahlbetrug 2020” aufgegriffen, als Joe Biden zum Präsidenten gewählt wurde. Ist ein gestohlener Wahlsieg überhaupt plausibel? Nicht wirklich. Als Trump 2016 gewann, saß noch der Demokrat Barack Obama im Weißen Haus. Trump verlor dann 2020 während seiner eigenen Präsidentschaft die Wahlen – und gewann sie 2024 während der Präsidentschaft Joe Bidens. Warum sollten die Demokraten ausgerechnet dann, wenn sie an der Macht waren, keine Möglichkeit zum Wahlbetrug gehabt haben, aber sehr wohl dann, wenn sie nicht an der Macht waren? Dass Trump selbst den Vorwurf der Wahlfälschung vertrat, war taktisch äußerst unklug; schließlich hatten die Medien genau so ein Szenario in den Wochen vor den Wahlen prophezeit. Hätte er Anfang 2021 in Würde den Stab an Joe Biden übergeben hätte, wäre die journalistische Klasse der USA blamiert gewesen.
Ein weiterer Vorwurf lautet, Kirk habe die These vom „Kulturmarxismus“ vertreten – ebenso wie der rechtsextreme Attentäter Anders Behring Breivik, der 2011 in Norwegen 77 Menschen ermordete. Aber auch hier gilt, dass Gewaltakte nichts am Wahrheitsgehalt einer Aussage ändern, bloß weil diese auch der Täter geteilt hatte. Was bedeutet “Kulturmarxismus” überhaupt? Letztlich handelt es sich nur um einen unscharfen Kampfbegriff, der mit verschiedenen Bedeutungen aufgeladen sein kann – darunter auch mit antisemitischen. Aber er könnte letztlich auch schlicht den Umstand bezeichnen, dass die politische Linke sich von den klassisch marxistischen Positionen wie der Umverteilung und der Befreiung der Arbeiterklasse losgesagt hat und sich seitdem eher auf woke Identitätspolitik konzentriert – mit demselben marxistischen Eifer, mit dem sie zuvor soziale Ungleichheiten zum Kampfinhalte machte. Sahra Wagenknecht, eine Alt-Kommunistin, sprach in diesem Zusammenhang einmal von den „Lifestyle-Linken“.
“Jüdische Großspender” und was damit gemeint ist
Aber hat Kirk sich mit diesem Begriff, indem er ihn verwendete, nun auf Juden bezogen oder nicht? Tatsächlich sprach er von „jüdischen Großspendern“, die kulturmarxistische Positionen unterstützten. Dennoch lohnt es sich etwas genauer hinzuschauen: Generell stehen die amerikanischen Juden eher der demokratischen Partei nahe, was von den Republikanern meist argwöhnisch betrachtet wird. Bei der letzten Wahl beispielsweise stimmten die amerikanischen Juden zu 78 Prozent für Kamala Harris und nur zu 22 Prozent für Donald Trump. Auch Kirk griff diese Thematik in seinen Videos auf. Die fraglichen Äußerungen fanden kurze Zeit nach dem verheerenden Angriff der Hamas auf Israel statt. Kirk betonte zunächst ausdrücklich seine Solidarität zum jüdischen Volk und zeigte sich erfreut, dass nun endlich ein Umdenken stattfinde: Immer mehr Juden seien bereit, sich den Republikanern anzuschließen, da sie von diesen eine stärkere Position in Bezug auf Antisemitismus und Islamismus erwarteten.
Dies stehe in Kontrast zu den besagten „jüdischen Großspendern“, die weiterhin anti-weiße und kulturmarxistische Positionen verträten. Aber weder sagte Kirk damit, dass alle Juden diesem Personenkreis angehören, noch behauptete er, dass ihm keine Nicht-Juden angehörten. Er erwähnt diesen Umstand nur, weil er so widersprüchlich ist: Denn schließlich würde die kulturmarxistische Position dazu führen, dass die USA am Ende nicht mehr Israels Sicherheit garantieren könnten. Auch argumentierte Kirk nicht pauschal, sondern differenzierte zwischen säkularen und religiösen Juden.
Von wegen “transphob”
Zudem wies er auf einzelne jüdische Organisationen hin. Die “Anti-Defamation League” unterstützt tatsächlich woke Zwecke, wie beispielsweise die Organisation “Black Lives Matter”. Und in Deutschland werden auch die “Neuen Deutschen Medienmacher_innen” von George Soros unterstützt. Aber hatte Kirk nicht gesagt, dass ein Großteil dieser Spenden auf Juden zurückginge? Wie der Historiker Gil Troy schätzt, gingen im Präsidentschaftswahlkampf 2016 etwa 50 Prozent aller Spenden an die Demokraten und 25 Prozent aller Spenden an die Republikaner auf Juden zurück. Dieser Wert erscheint allerdings unglaubwürdig hoch, da Juden gerade einmal 2 Prozent der US-Bevölkerung ausmachen – auch wenn er nicht ganz unplausibel ist insofern, dass Juden etwa 20 Prozent aller US-Milliardäre und 30 Prozent aller Milliardenvermögen stellen.
In einem anderen Artikel ist zu lesen: „Kirk hatte sich immer wieder ablehnend gegenüber trans Personen geäußert. Einer trans Person sagte er auf einem Podium erst vor wenigen Monaten, er bete für sie, dass sie sich in dem Körper wohlfühle, in dem sie geboren ist. Für bestimmte Ärzte, die trans Personen auch mit Hormontherapien behandeln, forderte Kirk Gerichtsverfahren nach Vorbild der Nürnberger Prozesse.“ Dafür beten, dass eine Trans-Person sich wohlfühlt, ist also “transphob”? Tatsächlich war Kirk niemals dem einzelnen Menschen gegenüber, sondern stets nur der Ideologie dahinter ablehnend eingestellt. Er akzeptierte, dass Menschen sich nicht mit ihrem biologischen Geschlecht identifizierten, aber pochte dennoch darauf, die biologische Zweigeschlechtlichkeit nicht zu verleugnen und ein Eindringen von transsexuellen Männern in weibliche Sphären, wie beispielsweise den Frauensport, zu verhindern. Auf die restlos entkräftete Theveßen-Lüge, Kirk habe die “Steinigung von Homosexuellen” gefordert, braucht an dieser Stelle wohl nicht mehr eingegangen zu werden.
Wer relativiert hier wirklich den Holocaust?
Auch stellt sich die Frage, was an seiner dezidierten Ablehnung der Hormontherapie so verachtenswert sein soll: Die medizinischen Eingriffe können die Pubertät hinauszögern und transsexuellen Personen tatsächlich das Leben erleichtern. Aber nicht wenige transsexuelle Personen bereuten ihre Transition später – entweder, weil sie sich nicht mehr als transsexuell identifizierten, oder weil es zu erhebliche Nebenwirkungen kam. Eine Hormontherapie, die lang genug durchgeführt wurde, ist in aller Regel nicht mehr umkehrbar und kann zu einer Störung der sexuellen Entwicklung führen. Nicht umsonst gibt es viele transsexuelle Personen, die aus Frustration darüber Suizid begehen. Natürlich ist klar, dass der überspitzende Vergleich mit den Nürnberger Prozess sehr hoch gegriffen ist. Aber macht das Kirk zu einem “Holocaust-Relativierer”, wie viele Medien berichten? Natürlich nicht. Und schon gar nicht, wenn dieser Vorwurf aus dem Mund von Medien kommt, die jeden politisch Andersdenkenden in die Nazi-Ecke rücken.
Eine Holocaust-Analogie wäre nur dann relativierend, wenn sie direkt auf den Holocaust abzielte. In diesem Fall sollte die Analogie aber nicht das Ausmaß des Holocaust schmälern, sondern – wenn auch in drastischen Worten – auf die negativen Folgen der Hormontherapie hinweisen. Eine Gleichsetzung der israelischen Kriegsführung mit dem Holocaust ist hingegen tatsächlich eine Relativierung – eines, mit dem linke Journalisten aber erstaunlicherweise überhaupt kein Problem haben. Auch ein Aufrechnen des Holocaust mit den stalinistischen Säuberungen könnte eine solche Relativierung darstellen. Wobei Kirk, wie gesagt, ein Unterstützer Israels war und in den letzten Wochen vor seinem Tod Völkermordvorwürfe gegen Israel zurückwies.
Tatsachenbasierte Islamkritik
Ein weiterer Vorwurf lautet, Kirk habe gefordert, Kindern Live-Übertragungen von Hinrichtungen zu zeigen, um eine abschreckende Wirkung zu erzielen. Auch hier ist die Wahrheit deutlich komplexer. Tatsächlich bezog er sich in einem seiner Videos auf diese Idee, stellt diese aber nur als provokanten Vorschlag in dem Raum und ließ seine Mitstreiter darüber debattieren. Einer schlug vor, die Altersgrenze bei 12, ein anderer bei 16 Jahren zu ziehen. Wie aus seiner Mimik zu folgern ist, war Kirk klar der Altersgrenze von 16 Jahren eher zugeneigt. Es ging also nie darum, Kleinkinder mit solchen Bildern zu verstören.
Weiter schreibt der “Spiegel”: „Der Ton war ruppig und seine Positionen extrem, wenn es um Waffenrecht, Abtreibung oder Gleichberechtigung ging. Mitunter war es blanker Rassismus. In seinem täglichen Podcast, der ‚Charlie Kirk Show‘, ging er oft noch weiter : ‚Wenn ich einen schwarzen Piloten sehe, denke ich mir, Junge, ich hoffe, er ist qualifiziert.‘ Der Islam sei ‚das Schwert, das die Linke benutzt, um Amerika die Kehle aufzuschlitzen‘. Oder: Schwarze Frauen verfügten ’nicht über die geistige Leistungsfähigkeit, um ernst genommen zu werden‘.“
Berechtigte Ablehnung des Quotenmodells
Für diese Aussagen gibt der Spiegel den britischen “Guardian” an, doch für die Aussagen mit den Piloten fehlt der Kontext gänzlich: 2021 hatte kündigte die Fluggesellschaft United Airlines angekündigt ,bis 2030 mehr schwarze und weibliche Piloten einstellen zu wollen. Deren kombinierter Anteil sollte bis auf 50 Prozent ansteigen. Bei einem Quotenmodell kommt es aber immer auch zu einem Einbruch der Leistungen – weil man zwangsläufig Personen, die die bisherigen Qualifikationen nicht erbrachten, einstellen muss, bis sich der gewünschte Wert eingestellt hat. Kirks Aussage bezog sich also auf einen hypothetischen Zeitpunkt in der Zukunft und nicht auf die Gegenwart. Zudem ähnelt sein Argument dem des schwarzen Verfassungsrichters Clarence Thomas, der geklagt hatte, durch Quotenmodelle würde man ihm nicht zutrauen, es aus eigener Leistung geschafft zu haben. So würden rassistische Vorurteile verstärkt, statt abgebaut.
Auch seine Bemerkungen über schwarze Frauen sind nicht in dieser Form gefallen. Dort bezog er sich auf vier schwarze Frauen generell, nicht auf alle Frauen gemeinsam. Diese hatten sich alle auf die Praxis der „affirmative action“ bezogen, also auf ein Quotenmodell, dass Schwarzen den Zugang zu Studienplätzen erleichtert. Wer betone, es nur dank der Quote geschafft zu haben, der verfüge wohl nicht über ausreichend viel Leistungsfähigkeit, so jedenfalls Kirks Interpretation. Im “Guardian” fehlte der erste Kontext ebenfalls; der “Spiegel” hat hier also wohl blind abgeschrieben, statt weiter zu recherchieren. Dass Kirk sich aber explizit auf vier Frauen bezog, stand hingegen wohl im “Guardian”-Artikel – doch diese Information wurde bewusst ausgelassen.
Eher der Schöpfungslehre als Evolution zugetan
Im Übrigen leugnete Kirk genetische Differenzen zwischen den Menschenrassen und ließ auch in anderen Diskussionen durchscheinen, generell wenig von Genetik zu verstehen. Seine religiös begründete Forderung, auch ein schwangeres Mädchen zu zwingen, das Kind ihres Vergewaltigers auszutragen, lässt sich schwer eugenisch, sondern eher mit dem biblischen Konzept der Sünde erklären. Vielleicht liegt seine Unkenntnis der Genetik daran, dass er als frommer Christ mehr der biblischen Schöpfungslehre als der Evolutionstheorie zugeneigt war. Und seine Aussagen über den mörderischen Islam? Nun, Wikipedia listet 120 Terrortote seit den verheerenden Anschlägen vom 11. September 2001 auf. Und bei anhaltender Einwanderung wird diese Zahl weiter steigen, wie das Beispiel zahlreicher europäischer Länder zeigt.
In der Debatte um Waffenbesitz wurde Kirk wiederholt vorgeworfen, er würde Tote in Kauf nehmen, um die Verfassung zu schützen. Ein guter Mensch würde natürlich niemals Tote in Kauf nehmen! Oder? Falsch! Eine Gesellschaft nimmt am laufenden Band Tote in Kauf. In Deutschland sterben jährlich Tausende Menschen im Straßenverkehr. Verbieten wir deswegen Autos? Auch Alkohol, Tabak und Süßigkeiten sind erlaubt, obwohl sie zu Todesfällen führen. Und ein Medikament, das einen jahrelangen Erprobungsprozess durchlaufen hat, kann viele Leben retten, wird aber unweigerlich immer auch einige Menschen töten, wenn es millionenfach verschrieben wird.
Mit simplem Gut-Böse-Schema kommt man nicht weiter
Die USA sind ein Land mit 340 Millionen Einwohner. Jede Entscheidung, die ein US-Präsident trifft – egal ob Demokrat oder Republikaner – wird immer auch Menschenleben fordern. Das lässt sich einfach nicht vermeiden. Also nimmt praktisch jeder gesellschaftliche Akteur Tote in Kauf. Das ist also nicht im Geringsten verwerflich. Die Frage ist nur, ob diese Todesfälle es wert sind. Und im Falle von Autos, Alkohol, Tabak, Süßigkeiten und Medikamenten haben wir uns kollektiv entschieden, dass die Antwort Ja lautet – weil hier Freiheitsrechte gegen Lebensschutz abgewogen werden. Statt Kirk darauf festzunageln, dass er in diesem Punkt erstaunlich ehrlich war, sollte man also eher zeigen, dass seine Haltung zu Waffenbesitz die Toten nicht wert ist. Das allerdings ist eine andere und weit komplexere Debatte, in der man mit einem simplen Gut-Böse-Schema nicht weiterkommt.
War Kirk also wirklich ein so furchtbarer Mensch, wie es seine hasserfüllten Kritiker und tendenziösen Nachrufer unterstellen? Wohl kaum. Nach seinem Tod trauerten seine Mitstreiter Dave Rubin (schwul, jüdisch,) Blaire White (trans) und Candace Owens (schwarz) auf Social Media gemeinsam öffentlich um ihn. Das spricht eigentlich schon für sich.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen