Freitag, 24. Mai 2024

Zum Geburtstag der Grundgesetzes... Willkommen in der Realität

Wenn der Staat beginnt, Schüler nach ihren politischen Ansichten auszuhorchen, wird es ungemütlich

Liebe Leserinnen und Leser, 

 

wenn der Staat wissen will, wie die Eltern politisch ticken, werden die Kinder ausgehorcht. Die geben unschuldig und ungefiltert weiter, was zu Hause am Küchentisch so erzählt wird – ohne zu wissen, dass das, was Mama oder Papa da sagen, regierungskritisch ist.  

 

In der DDR gab es da eine einfache Methode: Die Lehrer fragten ihre Schüler, ob die Uhr im Fernsehen bei der Nachrichtensendung Punkte oder Striche hatte. Wenn das Kind „Striche“ sagte, wusste der Lehrer – und damit auch die Stasi – dass zu Hause Westfernsehen geguckt wurde. Denn die Uhr der „Aktuellen Kamera“ in der DDR hatte markante Punkte … Alles, was die Kinder aus dem privaten Raum in die Schule getragen haben, konnte dokumentiert und gegen die Familie verwendet werden. 

 

Wenn ein Staat anfängt, Kinder auszuhorchen, beginnt langsam aber sicher der Wandel vom Rechts- in den Überwachungsstaat. Es ist ein Horror-Szenario – und passiert gerade in Sachsen.  

 

„Sorgst du dich um den Klimawandel?“ Diese Frage, abgesendet von einem staatlichen Absender an Schüler ab der 5. Klasse, ist zwar gnadenlos ideologisch und der Zaunpfahl, was denn da die richtige Antwort sein könnte, könnte kaum eindeutiger winken – aber fast harmlos gegen das, was danach folgt. 10-Jährige sollen ankreuzen, wie sehr sie folgenden Aussagen zustimmen: „Ausländer nehmen uns die Arbeitsplätze weg.“ Oder auch: „Ausländer erhöhen die Kriminalität.“ Und dann: „Die Ausländer kommen nur hierher, um unseren Sozialstaat auszunutzen.“ 

 

Diese Passagen sind Teil eines Fragebogens, den der „Landespräventionsrat Sachsen“ gerade an den weiterführenden Schulen verteilen lässt. Offiziell heißt diese Schnüffel-Datenerhebung „PiT-Kinder- & Jugendbefragung“, wobei PiT für „Prävention im Team“ steht. 

 

Die Fragebogen-Verantwortlichen garantieren Anonymität und Freiwilligkeit. Natürlich ist eine Studie etwas anderes als ein perfekt durchorganisierter Spitzel- & Repressionsapparat. Dennoch löst der ganze Vorgang löst ein massives Störgefühl in mir aus. Wenn Schüler nach ihren politischen Ansichten abgefragt werden, wird es ungemütlich im Land.

 

Erstens empfindet kein Schüler einen Fragebogen, der in der Schule ausgeteilt wird, als freiwillig. Lehrer sind Autoritätspersonen – die wenigsten haben den Mut, sich dem Wunsch eines Lehrers zu verstellen. Zweitens ist der Schritt von Anonymität zur Nachvollziehbarkeit nur ein ganz kleiner. Drittens werden die Schüler untereinander reden – und irgendwann weiß die ganze Klasse, dass der 11-jährige Sebastian überhaupt kein Problem damit hat, zu sagen: Ausländer erhöhen die Kriminalität. Dass er da zwar statistisch richtig liegt, weil die Gruppe der Ausländer in der polizeilichen Kriminalstatistik deutlich überrepräsentiert ist im Vergleich zur deutschen Bevölkerung, wird niemanden interessieren. Der 11-jährige Sebastian wird dann im Klassenverband als ein rechtes Schmuddelkind aus einem Nazi-Haushalt gebrandmarkt. Kinder können gnadenlos sein. 

 

Es geht den Staat schlichtweg nichts an, wie ein Kind politisch denkt. Und wie beim Abendessen über Politik und Gesellschaft gesprochen wird. Die Stoßrichtung der Fragen oder Aussagen in der Schnüffel-Umfrage von Sachsen sind auch ein weiterer Beleg dafür, warum die Menschen mittlerweile Angst haben, öffentlich ihre Meinung zu sagen. Die Mehrheit der Deutschen sagt, man solle da besser vorsichtig sein – das zeigt der Freiheitsindex von Allensbach, die wichtigste Umfrage zum Zustand der Meinungsfreiheit. 

 

Sowas kommt von sowas!  

 

Aussagen wie „Ausländer erhöhen die Kriminalität“ sind übrigens vollkommen legal – oder wie Familienministerin Lisa Paus sagen würde: „Wir wollen dem Umstand Rechnung tragen, dass Hass im Netz auch unterhalb der Strafbarkeitsgrenze vorkommt. Viele Feinde der Demokratie wissen ganz genau, was gerade noch so unter Meinungsfreiheit fällt.“ 

 

Deutschland 2024 ist ein Land, in dem eine Bundesministerin völlig legale Meinungen „unterhalb der Strafbarkeitsgrenze“ verfolgen lassen möchte und in Umfragen erhoben wird, wie 10-Jährige politisch ticken. 

 

Und dann auch noch in Sachsen. Ich glaube nicht, dass das der Staat ist, von dem die DDR-Bürger geträumt haben, als sie 1989 so mutig gegen das SED-Regime demonstriert haben. 


Ich wünsche Ihnen einen schönen Abend!


Willi Haentjes

NIUS Chefredaktion

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen