von Thomas Heck...
In Zeiten, wo hinter jeder Ecke Rassismus verortet wird, wo alte weiße Männer rassistisch verunglimpft werden und für das Übel in der Welt verantwortlich gemacht werden, ist auch der gekränkte Muslim nicht weit, der zwar nach islamistischen Anschlägen, Messerattacken, Vergewaltigungen und Morden von Glaubensbrüdern merkwürdig still auftritt und erst warmläuft, wenn es geht, gegen die Berichterstattung zu protestieren. Nun versuchen sie wieder, die Sprache zu beeinflussen: Muslim oder Moslem? Was soll es denn sein?
Dabei fordern sie Respekt, bringen diese aber im Alltag mit Nichtmuslimen selten auf. Das weiß jeder, schon mal ausufernde Eskalationen bei simplen Verkehrskontrollen der deutschen Polizei erlebt hat. Respekt sieht anders aus.
Auch Sprache ist ein Ausdruck des Lebensgefühls: „Moslem“ wird nach Ansicht vieler Muslime oft als negative Fremdzuschreibung verwendet. (imago-images/ Sergio Victor Vega)
Es sind nur zwei Vokale, aber sie machen einen feinen Unterschied: Viele Menschen, die sich zum Islam bekennen, bestehen auf dem U und I in „Muslim“. Das Wort „Moslem“ lehnen sie ab, vor allem wegen seiner unangenehmen Vorgeschichte.
„Moslemin: Substantiv, feminin – Gebrauch: veraltend.“ So beschreibt der Duden die weibliche Form von „Moslem“, der Plural ist „Moslems“.
Bedeutung: ein Anhänger oder eine Anhängerin des Islams. Das bin ich auch, aber trotzdem kann ich mit dem Begriff wenig anfangen. „Moslem“ oder „Moslemin“, das klingt irgendwie altbacken und auch nicht besonders positiv in meinen Ohren. Und es geht nicht nur mir so.
„Moslem“ ist out bei jungen Musliminnen
„Bei ‚Moslem‘ denke ich immer direkt so richtig an den Stammtisch-Onkel, den man an Weihnachten sehen muss, und der seine Parolen so ein bisschen schwingt“, sagt die Videoproduzentin Toya Zurkuhlen. „'Moslem‘, ich finde, das klingt auch überhaupt nicht schön. Also, ich habe das wirklich immer nur im Kopf mit negativen Sachen. Wenn abfällig geredet wird oder wenn kritisiert wird, da wurde dann ‚Moslem‘ gesagt.“
Zurkuhlen arbeitet bei den Datteltätern, einem jungen muslimischen Kollektiv, das Satirefilme für Youtube produziert. Sie ist im Austausch mit vielen jungen Musliminnen und Muslimen, online und offline. Und dabei merkt sie: In ihrer Community benutzt die Begriffe „Moslem“ und „Moslemin“ so gut wie keiner mehr.
Verschiedene Schreibweisen, je nach Land oder Dialekt
Eigentlich unterscheidet das Wort „Moslem“ vom Wort „Muslim“ nicht viel. „Muslim“ ist das Wort, mit dem der Koran die Anhänger des Islams beschreibt und bedeutet wortwörtlich: der sich Gott ergibt. Es kommt von der Wortwurzel „salima“, die „wohlbehalten“, oder „unversehrt sein“ bedeutet.
„Moslem“ ist wahrscheinlich nur eine andere Transkription des arabischen Worts „Muslim“, vielleicht aus dem Englischen übernommen. Denn das Arabische schreibt viele Vokale nicht, und je nach Land oder Dialekt werden sie dann u oder o, i oder e ausgesprochen.
Die Videoproduzentin Toya Zurkuhlen hat den Eindruck, dass es oft abwertend gemeint ist, wenn Leute das Wort „Moslem“ verwenden. (Toya Zurkuhlen)
Trotzdem klingt die Aussprache und Schreibweise „Moslem“ in den Ohren vieler Muslime anscheinend weniger schön. Die hiesigen muslimischen Verbände verwenden es kaum mehr als Selbstbezeichnung. Auf ihren Onlineauftritten ist nur noch von „Muslimen“ die Rede.
„Ich glaube, um ehrlich zu sein, spielt es auch eine Rolle, dass da beim Wort Muslime natürlich ein langes „i“ drin ist“, sagt Mira Sievers, Junior-Professorin für Islamische Theologie an der Humboldt Universität in Berlin. „Es ist bekannt aus der Namensforschung, dass Namen mit „i“ natürlich positiv klingen.“
Unscharfe Linie zwischen Selbst- und Fremdbezeichnung
Das könnte sein. Muslim klingt einfach weicher und freundlicher als Moslem. Und es ist näher dran an der hocharabischen Aussprache. Dabei ist Moslem aber immer noch besser als Bezeichnungen wie „Sarazener“ oder „Mohammedaner“, die noch bis in die 1970er-Jahre benutzt wurden – und von vielen Muslimen als Fremdbezeichnung abgelehnt werden.
Denn Muslime verehren Muhammad zwar, beten aber nicht zu ihm, erklärt Rauf Ceylan. Er ist Religionssoziologe an der Universität Osnabrück. „Das hört sich an, als wäre es eine Lehre Mohammeds, sondern wir sind Muslime. Aber der Begriff ‚Mohammadi‘ kommt in islamischen Quellen ja auch vor.“ So klar ist die Trennlinie zwischen Fremd- und Selbstbezeichnung gar nicht, sagt Ceylan:
„Also, in der mohammedanischen Tradition zum Beispiel oder wenn man über die Sunna spricht, ja: Den Begriff gibt es auch in islamischen Quellen, aber mittlerweile ist es tatsächlich so, dass sich der Begriff Muslim immer mehr durchsetzt, weil auch Muslime so bezeichnet werden wollen.“
Das bedeutet: Sprache verändert sich. Was zu einer bestimmten Zeit ein akzeptierter Begriff war, kann in einem anderen Moment verpönt sein. 2012 veröffentlichte der muslimische Publizist Eren Güvercin noch das Buch „Neo-Moslems“, in dem er über eine neue Generation von Muslimen schrieb. Heute würde er es vielleicht anders betiteln.
Die Rolle der Medien: Vorbild Großbritannien
Allerdings existiert in Deutschland noch keine wirkliche Debatte über den Begriff. Anders ist das in England. 2002 bat das Medienkomitee des britischen Rats der Muslime die Medien darum, das Wort „Moslem“ nicht mehr zu benutzen. Und auch die Vereinigung der Herausgeber in Großbritannien erklärte, das Wort Moslem empfänden viele Muslime als Beleidigung.
Eine Untersuchung mit dem Titel „Die Darstellung des Islam in der britischen Presse“ aus dem Jahr 2013 zeigt: Vor allem konservative Blätter wie die „Daily Mail“ nutzen das Wort „Moslem“. Die Studie wertet das als „Beleg für eine subtile Form der Anfeindung“.
Mit der Situation in Deutschland sei das nicht vergleichbar, sagt der Religionssoziologe Rauf Ceylan. Hier müssen wir noch an ganz anderen Stellen schrauben: „Bei Bewerbungsgesprächen habe ich schon oft gehört, also von Nicht-Muslimen, dass sie gesagt haben: ‚Ich habe auch islamistische Freunde.‘“
Also selbst die wichtige Unterscheidung zwischen „islamistisch“ – im Sinne einer extremen politischen Ideologie – und „islamisch“ beziehungsweise „muslimisch“ ist vielen Menschen unklar. Daher müsse man es nicht überbewerten, wenn jemand das Wort „Moslem“ oder „Moslemin“ verwende, so Ceylan – das sei nicht zwangsläufig negativ gemeint.
Begriffe, mit denen sich Menschen wohler fühlen
Die Theologin Mira Sievers aber findet eine Auseinandersetzung damit wichtig. „Ich denke, dass das vor allen Dingen im Kontext der größeren Debatte steht, inwiefern Sprache Denken beeinflusst, und inwiefern man Rücksicht nehmen sollte auf Selbstbezeichnungen und Begriffe, mit denen sich Menschen wohler fühlen“, sagt Sievers. Sie fügt hinzu:
„Ich persönlich denke, dass es sehr wünschenswert ist, wenn man respektvoll über Musliminnen und Muslime berichten möchte, dass man dann darauf Wert legt, Begriffe zu verwenden, die auch von ihnen selbst gerne verwendet werden.“
Eigentlich ist die Entwicklung in Deutschland positiv. Während vor ein paar Jahrzehnten viele von „Mohammedanern“ oder „Moslems“ sprachen, verschwinden diese Worte langsam aus der Alltagssprache. Nach vielen hundert Jahren Fremdbeschreibung sind wir jetzt bei der Selbstbeschreibung der Anhänger des Islams angekommen – bei den Muslimen.
Ich fasse zusammen und bleibe dabei, liebe Moslems, Respekt fordert man nicht ein, Respekt muss man sich verdienen. Durch respektvolles, gesetzestreues Verhalten, durch das Ablegen des Kopftuchs, durch das Respektieren deutscher Gebräuche.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen