Freitag, 12. Februar 2021

Angriff auf jüdischen Studenten kein Antisemitismus... trotz Hakenkreuz...

von Thomas Heck...

Ein Jude wird von einem Kasachen hinterrücks mit einem Spaten angegriffen. Der Täter, ein muslimischer Kasache trug ein Zettel mit einem Hakenkreuz in seiner Hosentasche, allerdings stellte das Hakenkreuz seine ursprüngliche Bedeutung dar: Das Schutzsymbol des Lichts und der Sonne. Laut Staatsanwaltschaft spielte deswegen Antisemitismus dabei keine entscheidende Rolle. Zu Prozessbeginn demonstrieren Menschen gegen diese Bewertung. 

Am Hamburger Landgericht hat am Freitag der Prozess gegen einen Mann begonnen, der im Oktober vergangenen Jahres einen 26-jährigen jüdischen Studenten vor der Hamburger Synagoge niedergeschlagen hat. Zu Beginn der Hauptverhandlung wurde die Öffentlichkeit ausgeschlossen. Damit gab sie am Freitag einem Antrag des Verteidigers statt.

Der 29 Jahre alte Beschuldigte leidet nach Angaben der Generalstaatsanwaltschaft unter einer paranoiden Schizophrenie und wahnhaften Verfolgungsängsten und sei deshalb möglicherweise schuldunfähig. Sie will deshalb beantragen, ihn dauerhaft in einem psychiatrischen Krankenhaus unterbringen zu lassen (Az.: 604 Ks 9/20). Der Prozess ist vorerst terminiert bis Ende März.

Begleitet wurde der Prozessauftakt von einer Protestkundgebung vor dem Landgericht. Die zwölf Teilnehmer forderten, Antisemitismus klar zu benennen und auch anzuklagen.

Mit einem Spaten soll der Angeklagte einen jüdischen Studenten angegriffen haben

Die Generalstaatsanwaltschaft wirft dem Deutschen mit kasachischen Wurzeln versuchten Mord in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung vor. Der 29-jährige Mann hatte den jüdischen Studenten, der eine Kippa trug und zum Laubhüttenfest die Synagoge besuchen wollte, am 4. Oktober 2020 vor der Synagoge mit einem Kurzspaten verletzt. Der Student sei dabei potenziell lebensgefährlich verletzt worden, erklärte die Staatsanwaltschaft. Die Tat hatte bundesweit für Entsetzen und Empörung gesorgt. 

Der 29-jährige Beschuldigte sitzt vor Beginn des Sicherungsverfahrens im Gerichtssaal im Hamburger Strafjustizgebäude 


Zum Prozessauftakt saß der Beschuldigte an den Händen gefesselt äußerlich ruhig auf seinem Platz im Gerichtssaal. Der schmächtige Mann, glattrasiert, unauffälliger Haarschnitt, trug einen schwarzen Kapuzenpulli und eine hellgraue Hose. Auf Nachfrage der Richterin nannte er seinen Namen, Geburtsdatum und -ort, ohne die Hilfe der Russisch-Dolmetscherin in Anspruch zu nehmen.

Trotz des Ausschlusses der Öffentlichkeit ließ das Gericht eine Vertreterin der Jüdischen Gemeinde Hamburg als Prozessbeobachterin zu. Aus besonderen Gründen sei diese Ausnahme möglich, erläuterte ein Gerichtssprecher. Die Tat habe sich gezielt gegen einen Besucher der Synagoge gerichtet, die Gemeindeangehörigen seien dadurch verunsichert.

Vor der Beratung über den Ausschluss der Öffentlichkeit wollte der Vertreter der Staatsanwaltschaft eine Stellungnahme abgeben. Dies ließ die Vorsitzende Richterin Birgit Woitas nicht zu. Die Hamburger Staatsanwaltschaft war in die Kritik geraten weil sie gemäß dem psychiatrischen Gutachten von der Schuldunfähigkeit des 29-Jährigen ausgeht.

Eine rechtsextremistische oder antisemitische Weltanschauung hat nach Einschätzung der Generalstaatsanwaltschaft bei der Tat offenbar keine entscheidende Rolle gespielt. Seine krankheitsbedingten Wahnvorstellungen richteten sich zwar vor allem gegen jüdische Einrichtungen und Personen. Bedroht gefühlt habe er sich aber unter anderem auch durch das Christentum.

Das aufgemalte Hakenkreuz, das in der Hosentasche des Beschuldigten gefunden wurde, ändert nach Aussage der Generalstaatsanwaltschaft nichts an der Einschätzung. Dem Beschuldigten sei aus seinem privaten Umfeld wohlmeinend geraten worden, sich gegen die von ihm wahrgenommenen Dämonen mit einer solchen Zeichnung zu schützen. Dabei sollte das Hakenkreuz in seiner ursprünglichen Bedeutung als Symbol des Lichts und der Sonne Schutz bieten.

Die Ermittlungen hätten nicht ergeben, dass der Beschuldigte vor seiner psychiatrischen Erkrankung antisemitisches oder rechtsextremistisches Gedankengut vertreten habe. Vollständig ausgeschlossen werden könne dies zurzeit jedoch nicht.

Jüdische Gemeinde sieht klare antisemitische Motive

Philipp Stricharz, Vorsitzender der jüdischen Gemeinde in Hamburg, hingegen hat keinen Zweifel an einem judenfeindlichen Motiv. Der Täter habe sich im Taxi zur Synagoge fahren lassen und dort gezielt einen Mann mit Kippa attackiert, sagte er im Januar dem Radiosender NDR 90,3. „Es muss anerkannt werden, dass wir als jüdische Gemeinschaft bedroht sind“, sagte Stricharz. Wie solle man antisemitische Taten in Zukunft verhindern, wenn man sie nicht einmal als antisemitisch benenne, fragt er weiter.

Der Beschuldigte war laut Medienberichten 2016 bei der Bundeswehr beschäftigt gewesen. Er trug während der Tat eine Tarnuniform der Bundeswehr. Nach seiner Bundeswehrzeit lebte er in Berlin in einer Unterkunft für wohnungslose Männer. Im November 2019 hatte die Einrichtung den sozialpsychiatrischen Dienst eingeschaltet, sodass er in ein Krankenhaus eingeliefert wurde. Er hatte zuletzt zwar eine Meldeanschrift in Berlin, wohnte aber in einer Einrichtung in Hamburg-Langenhorn.




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