von Ramin Peymani...
Es gab eine Zeit, da mussten Berufspolitiker zurücktreten, wenn sie ihrem Amt Schaden zugefügt hatten. Schon leichte Verfehlungen konnten das Ende politischer Karrieren bedeuten.
Zu Recht legt die Öffentlichkeit hohe Maßstäbe an ihre Volksvertreter an – doch eine hartleibige und bürgerferne politische Kaste schert sich immer weniger darum. Sie lächelt ihre Krisen eiskalt weg, seit ihr Ruf irgendwo zwischen dem von Autoschieberbanden und Drogenkurieren pendelt. Schützenhilfe erhält sie von der ehemaligen Vierten Gewalt, die zur Fünften Kolonne der Politik mutiert ist.
Heute muss nur noch gehen, wem die Presse rechtspopulistische Anwandlungen andichten kann. Die unartige Kommentierung der gängigen links-grünen Narrative reicht da aus. Auch Corona präsentiert sich als Minenfeld für die politisch Verantwortlichen. Fürchten müssen diese allerdings nicht, dass ihnen ihr Dilettantismus oder ihre Lügen zum Verhängnis werden, sondern der unentschuldbare Fehltritt, die massiven Einschränkungen der Grundrechte zu hinterfragen.
Aktuell liefert Ursula von der Leyen ein weiteres Beispiel dafür, dass Versagen keinesfalls als Grund genügt. Eisern sitzt sie ihren Job aus, der sie zur am besten bezahlten europäischen Politikerin neben Angela Merkel macht. Bereits als Verteidigungsministerin hatte sie die Fähigkeit zur Schau gestellt, den ausgewiesenen Mangel an Kompetenz zur Führung bedeutender politischer Ämter zu überstehen. Bis heute kann sich niemand erklären, wie die Tochter des früheren niedersächsischen Ministerpräsidenten Albrecht es jemals an die Spitze einer Organisation schaffen konnte, die sich damit brüstet, 27 Demokratien zu vertreten. Gewählt wurde sie 2019 jedenfalls von keinem einzigen der rund 400 Millionen Wahlberechtigten.
Nach dem vermasselten AstraZeneca-Deal hatte von der Leyen verfügt, der Impfstoff dürfe nicht mehr nach Großbritannien eingeführt werden
Von der Leyen hat der Europäischen Union eine veritable diplomatische Krise eingehandelt, die gar den neuen US-Präsidenten Biden auf den Plan gerufen und das Zeug dazu hatte, den seit mehr als zwanzig Jahren gesicherten Frieden in Nordirland zu bedrohen. Nur dem besonnenen Handeln des britischen Premierministers Johnson und dessen irischem Amtskollegen Martin ist es zu verdanken, dass der Versuch, die eigene Inkompetenz mit einem Angriff auf das Vereinigte Königreich und den britisch-schwedischen Arzneimittelhersteller AstraZeneca zu verschleiern, nicht eskalierte. In ihrer Verzweiflung über den vermasselten Deal mit dem Pharmaunternehmen hatte von der Leyen verfügt, dessen Impfstoff dürfe nicht mehr über Irland nach Großbritannien eingeführt werden. AstraZeneca zweige für die EU zugesagte Impfdosen ab und bevorzuge die Briten bei den Impfstofflieferungen, lautete der Vorwurf.
Mit ihrer wenig substantiiert erscheinenden Verfügung, die Lieferungen von der Produktionsstätte in Belgien auf die britische Insel zu stoppen, hatte von der Leyen Artikel 16 des Nordirland-Protokolls ausgelöst, der allerdings nur im Falle „unerwarteter negativer Auswirkungen“ der Brexit-Verträge die Verhängung einseitiger Schutzmaßnahmen erlaubt. Das leichtfertige Zücken des schärfsten Schwertes löste selbst beim früheren EU-Chefunterhändler für die Brexit-Gespräche, Michel Barnier, Verwunderung aus. Die Festschreibung eines ungehinderten Warenverkehrs über die irisch-nordirische Grenze war jahrelang der größte Zankapfel zwischen Brüssel und London. Immer wieder hatte von der Leyen die Bedeutung eines offenen Grenzübergangs hervorgehoben.
Von der Leyens Foulspiel hat bei vielen Briten die restlichen Zweifel darüber beseitigt, dass der Austritt aus dem „Bloc“ der richtige Schritt war
Mit ihrem Vorstoß, der sich nach Offenlegung des Vertrages mit AstraZeneca als reichlich wackelige Behauptung herausstellte, hat von der Leyen der Europäischen Union enormen Schaden zugefügt. Dass sie als Foulspielerin nachgetreten und reklamiert hatte, AstraZeneca habe sich zu bestimmten Kontingentlieferungen an die EU verpflichtet, diese aber nicht eingehalten, hat bei vielen Briten die restlichen Zweifel darüber beseitigt, dass der Austritt aus dem „Bloc“ der richtige Schritt war. Schon der wochenlange Vorsprung durch die Unabhängigkeit bei der Beschaffung von Impfdosen war ein klarer Fingerzeig.
Die Glaubwürdigkeit der Europäischen Union, an deren Spitze eine Deutsche steht, die offenbar die fatalen Konsequenzen ihres leichtfertigen Handelns nicht abzuschätzen in der Lage ist, hat nachhaltig gelitten. Kleinlaut musste die Kommissionschefin, die noch vor wenigen Monaten vollmundig die „globale Solidarität“ beschworen hatte, nun aber mit einem Hütchenspielertrick den britischen Nachbarn zu düpieren versuchte, am Ende zurückrudern. Ihr martialisches Kampfgeheul endete im einsamen Katzenjammer. Zurücktreten wird die hochbezahlte Extremverdienerin trotzdem nicht – zu groß scheint die Gier nach der Macht und die Verlockung der Millionen, die es in Brüssel auf Kosten der Steuerzahler abzuräumen gibt.
Vielleicht gelingt es ja irgendeinem Journalisten, eine unbedachte Äußerung der Merkel-Vertrauten aus einer launigen Runde auszugraben, in der sie vor ihrem erwachten Feuereifer für den „Green Deal“ irgendwann einmal den menschlichen Einfluss auf den Klimawandel relativiert hatte. Ein Rücktritt ließe sich dann nicht mehr vermeiden. Bis dahin wird Ursula von der Leyen trotz aller teuren Berater weiter zum Schaden Europas herumdilettieren.
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